Es scheint ein Wespennest zu geben, in das wir da gestochen haben. Kaum waren die Wall 150 und 300 vorgestellt, kamen auch schon ein paar Anfragen, ob so etwas auch in der Bluesklasse baubar ist. Auch das noch!, war unser erster Gedanke, doch er meinte nicht das, was jetzt jeder denkt. „Auch das noch!“ wäre ein schöner Name für eine gelegentliche Rubrik, in der wir Bauvorschläge vorstellen, die wir nicht neu erfinden, sondern nur für einen anderen Anwendungzweck oder Aufstellungsort modifizieren müssen.
Die Idee der Rubrik verwarfen wir schnell wieder, als wir erkannten, dass in der Wandgeschichte wesentlich mehr Potential steckt, als nur hin und wieder einen Bausatz für sehr wandnahe Aufstellung umzubasteln. Blickt man sich in der Bausatz- oder auch Fertigszene um, findet man selten einen solchen Lautsprecher. Das zeigten auch die Reaktionen unserer Leser, die zu weiteren Umsetzungen des Wandprogramms anregten. Flache Flunder füllen offenbar eine Angebotslücke, wenn man ein eigenes Heimkino plant, in dem der Wohnzimmerschrank oder die gemütliche Sitzecke ebenso wenig stören wie der echte Picasso, der darüber hängt. Auch der Gedanke, dass die Box an der Wand weniger Platz klaut als eine bodenständige, ist im Wohnraum zum Mindesten für die Rear-Speaker oder den Center ein nicht von der Hand zu weisendes Argument. Mit den verfügbaren Gradient-Chassis, den Elips, oder auch dem einen oder anderen Breitbänder sollte eine fast endlos lange Straße an Lautsprecher Bauvorschlägen in Flachbauweise und allen Klangklassen möglich sein. Und so war der passende Name schon gefunden: Wallstreet.
Gleich zu Beginn der neuen Lautsprecher Serie zeigte sich ein nicht erwartetes Problem, denn mit dem Namen Wallstreet 1 hätten wir die beiden ersten Wandhänger unterschlagen. Daher haben wir kurzerhand und rückwirkend auch die Wall 150 und 300 mit den Zusatznamen Wallstreet 1 und 2 ausgestattet. Nun sind wir wieder in der Reihe und können bedenkenlos im Weiteren einfach durchnummerieren. Wallstreet 3 und 4.
Bestückung
![]() |
![]() |
![]() |
Bluesklasse und Heimkino hatten wir schon ausführlich in einer vorherigen Ausgabe durchgekaut, deshalb können wir an dieser Stelle getrost darauf verzichten, unsere Vorurteile von damals wiederzukäuen und uns sofort dem Wesentlichen zuwenden, nämlich der Chassisauswahl. Nicht weiter überraschen wird es, dass uns für den Wallstreet-Blues nichts Besseres als die bewährten SB Acoustics -15er in den Sinn kam, die auch dem Heimkino-Blues die Emotion einhauchen. Nicht anfreunden konnten wir uns allerdings mit einer Kopie der SB 15 oder SB 30 in einem anders aufgebauten Gehäuse, da ihr Konzept zwei in die Fronten integrierte Subwoofer vorsieht. Die an die Wand zu bauen, dürfte nur sehr schwer gelingen. Um erst gar nicht in irgendwelche Erklärungsnot zu gelangen, entschieden wir uns für einen Grundaufbau, der auf der blueSBox 15 PC basiert, worin der SB15NRXC30-4 die tieferen und der SB26STC-C4 die zugehörigen, oberen Oktaven in perfektem Zusammenspiel bei leisen wie bei lauten Tönen wiedergeben. So war auch die Wahl des Hochtöners schnell beendet, trotzdem waren wir mit den Vorüberlegungen noch nicht am Ende. Wie die Erfahrung mit der Wall 150 zeigte, würde mit absoluter Sicherheit auch bei der Wallstreet 3 schnell nach einer pegelstärkeren Variante gefragt werden, besser also, sie wird sofort mit vorgestellt. Nun verdankt der SB15NRXC30-4 seine letzte Zahl der Impedanz seiner Schwingspule, die den Einsatz eines zweiten Chassis nur in Reihenschaltung ermöglicht. Das erreicht aber nicht das Ziel des höheren Pegels bei gleicher Verstärkereinstellung, lediglich der Hub wird verringert. Abweichend vom Grundsatz, im Heimkino in allen Boxen die gleichen Chassis zu benutzen, wichen wir auf den 8-ohmigen Bruder aus, der sich im Namen, klanglich und technisch nur unwesentlich vom 4-Ohm-Typ unterscheidet. Trotzdem haben wir ein Foto von ihm neben den Text gestellt, um noch einmal völlig unauffällig auf die hervorragende Konstruktion des Chassis hinweisen zu können. Sehen lassen dürfen sich auch die Preise der SB-Chassis: Bässe knapp 50 Euro, Hochtöner unter 28 Euro, jeweils pro Stück.
Gehäuse
Ganz gewiss ist es kein Zufall, dass 15er BMT’s fast immer mit 10 Litern Volumen im Rücken glücklich sind, selbst wenn ihre Konstruktionsdaten voneinander abweichen. Eher hat das damit zu tun, dass ein umbauter Raum dieser Größe in jedes Regal passt. Keine Ausnahme von dieser praktischen Regel bilden die beiden SBAcoustics, die wir für unsere Wandboxen ausgesucht haben. Glücklicher Zufall ist es aber, dass sogar das BMT-Außenmaß der ersten Wallstreets mit 15 cm exakt für die dänischen Indonesier passt. Beim Hochtöner ist das leider nicht der Fall, die differieren um 2 mm rundum. Kein Problem, sagte der Faule in uns, da verwenden wir doch einfach die Behausungen der Wall-Applikationen für unseren Wand-Blues. Schade ist es nun natürlich, dass wir somit keine neuen Bilder vom Aufbau der Boxen zeigen können, um damit die Seite zu füllen. Sie noch einmal als angeblich neu fotografiert zu präsentieren, trägt nicht unbedingt zur Erhöhung der Glaubwürdigkeit bei. Also belassen wir es bei der Anpassung der Hochtöner-Außenmaße in Sketchup und beenden nun ganz schnell das Kapitel Gehäuse mit den Bauplänen der Wallstreet 3 und 4.
Weiche
Lautsprecher werden sinnvollerweise weit genug von reflektierenden Flächen aufgestellt, denn so hat das Ohr es leicht, den Direktschall von den Reflexionen zu trennen. Normal ist es auch, die Schallwand nicht zu breit zu wählen, damit die Kästen nicht wegen grober Unförmigkeit von der Mehrheit der Familie abgelehnt werden. Beides ist bei flachen Wandbehängen nicht zu machen, denn selbst 10 Liter sind, wenn keine reale Tiefe zur Verfügung steht, recht breit. Diese Art von Boxen von der Reflexionsfläche abzurücken, widerstricht zudem dem erklärten Ziel, sie aus dem Weg zu schaffen. So handeln wir uns durch unser Mauerblümchen gleich zwei Problemzonen ein, die sich nicht einfach so wegdiskutieren lassen. Um zu verdeutlichen, wie sie sich im Frequenzgang auswirken, haben wir zwei Messungen der Wallstreet 3 mit der gleichbestückten, aber leicht anders beweichten blueSBox 15 PC verglichen.
![]() |
![]() |
![]() |
Im ersten Diagramm sehen wir die Veränderungen durch die Frontbreiten von 36 (blau) und 20 cm (rot). Während unterhalb von 1 kHz der Pegel der Pegel auf der breiten Schallwand zunimmt, manfestiert sich die schmalere durch die Verschiebung des Abrisses an der Kante auf 3 kHz, der bei der Wandbox fast eine Oktave tiefer liegt. Zu diesen Änderungen kommen im zweiten Diagramm die Bassverstärkung durch die Wand, aber auch der Haken bei knapp 400 Hz, bewirkt durch die Überlagerung der Schallwellen mit den frühen Reflexionen, die zu einer leichten Subtraktion in diesem Bereich und zu einer Addition direkt darüber führt. Lassen wir uns also im Weiteren nicht von der Welligkeit der Amplitude irritieren, unter 30 Grad, dem fast natürlichen Abhörwinkel der Wallstreets, ist von Berg und Tal fast nichts mehr zu sehen (Diagramm 3). Dem Hochtöner wurde auf Achse mehr Lautstärke gelassen, damit er unter Winkel nicht zu leise klingt.
Identisch ist die Weichenstruktur beider Wallstreets, die der Pegelüberhöhung durch Wand und Front mittels eines vorgeschalteten Sperrkreises Einhalt gebietet. Es folgt bei beiden die selbe Schaltung für Mittel- und Hochtöner, was die gleiche Impedanz von 4 Ohm und die fast identischen Frequenzgänge ohne Beschaltung möglich machten. Lediglich ein zusätzlicher Widerstand war bei der Wallstreet 3 nötig, um die durch die halbe Membranfläche in den Mitten bedingten 3 dB weniger Schalldruck auszugleichen. Der Vollständigkeit halber folgen die Zweig- und Summenkurven der Wallstreet 3 und 4.
![]() |
![]() |
Je nach Raumgröße und Pegelanspruch sind verschiedene Zusammenstellungen der Wallstreet 3 und 4 angebracht. Fünf mal Wallstreet 3 ergeben für den „Normaluser“ zusammen mit einem Subwoofer ein Heimkino mit hohem Anspruch. Um den maximalen Pegel aus dem System herauszuholen, sind natürlich fünf Wallstreet 4 geeigneter, doch auch die Kombination 3 x WS 4 vorn und 2 x WS 3 hinten steht dem nicht weit nach. Damit jede denkbare Kombination auch möglich ist, wurde die Phasenlage bei der Weichenentwicklung berücksichtigt. Der Vergleich von WS 3 (rot) und 4 (blau) ist im Diagramm dargestellt. Die Abweichungen der Verläufe sind minimal und klanglich nicht wahrnehmbar.
Messungen Wallstreet 3:
![]() Amplitude |
![]() ![]() ![]() Impendanz |
![]() ![]() ![]() Klirr mit 90 dB |
![]() ![]() ![]() Winkel 0/30/60° |
![]() ![]() ![]() Sprungantwort |
![]() ![]() ![]() Wasserfall |
Messungen Wallstreet 4:
![]() ![]() ![]() Amplitude |
![]() ![]() ![]() Impendanz |
![]() ![]() ![]() Klirr mit 90 dB |
![]() ![]() ![]() Winkel 0/30/60° |
![]() ![]() ![]() Sprungantwort |
![]() ![]() ![]() Wasserfall |
Da es diesmal keine der üblichen Klebefotos gibt, haben wir uns schnell die ungenutzte Kamera geschnappt und den bisher recht selten dokumentierten Weichenaufbau ausführlich fotografiert. Damit für die Bilder nicht zu viel Platz verschwendet wird, haben wir sie hier im Kleinformat eingestellt. Man darf aber mit der Maus draufklicken.
![]() ![]() |
![]() ![]() |
![]() ![]() |
![]() ![]() |
![]() ![]() |
![]() ![]() |
![]() ![]() |
![]() ![]() |
![]() ![]() |
![]() ![]() |
![]() ![]() |
![]() ![]() |
Klang
Udo Wohlgemuth
Zu den Nachfolge-Bausätzen im Shop
muss der BR Kanal nach unten stehen oder auch nach oben? bzw. ist die wallstreet 3 einmal mit HT oben, einmal mit HT unten dargestellt….
Hallo Harald,
nach hinten oder vorn kannst du den Reflexkanal nicht verlegen. Ansonsten stehen dir alle Seiten offen 🙂
Gruß Udo
ok, Frage war zu unpräzise… HT auf Kopfhöhe, ob der TT weiter oben oder unten ist, ist egal, bin ich damit richtig?
Hallo Harald,
wenn du die Chassis-Abstände auf der Front nicht groß veränderst, kannst du sie auch um 180 Grad drehen.
Gruß Udo
Hallo, wenn ich das auf den Bilder richtig sehe, ist oben ein Bassreflexöffnung? Könnte man diese auch an die Front verlagern, um die Wallstreets bündig in eine Wand einzubauen?
Hallo snowtiger,
dafür haben wir die Inwall-Versionen erfunden. Sie haben keinen Reflexkanal, weil der Bass durch Wandeinbau schon völlig ausreicht.
Gruß Udo
Hallo, ich hätte mal eine Frage. Kann man die Terminals auch in die Rückwand einbauen um die Kabel direkt so in die Wand zu führen, anstatt oben, unten oder seitlich?
Hallo Tim,
das kannst du machen.
Gruß Udo
Danke für die Antwort 👍