Little Princess

Lautsprecher Bausätze sind das Salz in der Suppe, wenn neue Chassis das Licht der Welt erblicken. Denn erst sie bieten die praxisgerechte Anwendung dafür an. Glücklich schätzen darf man sich bei Eton, weil man einen Philipp Vavron in den eigenen Reihen hat, der für die Konstruktion von exzellenten Treibern bekannt ist. Seine vor mehr als zehn Jahren in einer Hifi Zeitung vorgestellten Bauvorschläge, haben auch einen Teil zu unseren eigenen Entwicklung beigetragen, denn sie zeigten eindrücklich, wie Eton Lautsprecher klingen müssen. Damals wurde der „Eton-Sound“ gegründet, der schon viele Leute gepackt und nicht mehr losgelassen hat.

Doch wie es bei wirklichen Könnern allzu oft der Fall ist, kann auch ein Philipp Vavron nicht an allen Ecken anpacken, wo er gebraucht wird. Auch sein Tag hat nicht mehr als 24 Stunden und nachts muss er dann noch schlafen.  So war es mir eine große Ehre, als mich der Geschäftsführer der Eton GmbH nach Neu-Ulm einlud und mir den Auftrag gab, ein paar Bauvorschläge für den internationalen Markt mit den Frischlingen zu entwerfen.

Gerade frisch aus der Produktion wurden mir so nebenher die neuen, kaum 10 cm kleinen Winzlinge mit keramischen Membranen auf den Tisch gelegt. Eton 3-400/A8/25MG stand auf dem Karton. Aluminium-Träger unter der 25 mm messenden Schwingspule, 8 Ohm und Magnesium-Membran. Den Neodymmagnet mit Polkern-Bohrung und die vielen Lüftungsöffnungen unter der hochgelegten Zentrierung konnte ich auch selbst erkennen. Ein paar weitere Features wie beidseitige Beschichtung der Membran mit Keronite bei trotzdem gerade nur 3,3 Gramm Gewicht erklärte Philipp ebenso wie die 55 mm Ringdurchmesser bei 3 mm Höhe des Magneten und die 7 mm Wickelhöhe bei 4 mm Polplattenstärke. Dieser Mitteltöner sollte die Grundlage einer neuen Box werden, in der er möglicherweise mit einem der neuen Achtzoll-Bässe gepaart werden sollte. Gesetzt war auf jeden Fall schon der 26 HD 1 als Hochtöner, jeder andere hätte einen größeren Durchmesser als der weiße „Riese“ gehabt, den wir wegen des angestrebten Pegels von grob 85 dB nach Beschaltung mit Weiche und Trennung um 200 Hz im Doppelpack zu nutzen gedachten. So ist er auch verpackt und soviel sei vorweg verraten: Dank geringer Serienstreuung kann man die beiden 3-400 auch ohne zusätzliche Selektion als Zwillinge bezeichnen. Als ich abends nach Hause fuhr, hatte ich einige neue Chassis im Auto, die zu dem Zeitpunkt die Welt noch gar nicht kannte.

Schon am nächsten Tag ließ ich die Chassis erst einmal 24 Stunden „älter“ werden, wobei sie mit einem Sinuston von 10 Hz und 5 Volt heftig in Bewegung gehalten wurden. Das ist nötig, um die mechanischen Teile der Treiber so geschmeidig zu machen, wie sie es nach einer „normalen“ Spieldauer von 100 oder mehr Stunden freiwillig werden. Nach dieser Zeit bleiben die Parameter für die Lebensdauer des Chassis in konstanten Relationen und das daraus berechnete Gehäuse passt. Nach dem Einwackeln wurde der 3-400 zunächst auf meine Messwand geschraubt, um die üblichen Diagramme zu erstellen. Aus der Impedanzmessung wurden seine Parameter errechnet.

3-400/A8/25MG

Ausstattung:

Membran: Magnesium, Keronite beschichtet Polplattendicke 4 mm
Sicke Gummi Wickelhöhe 7 mm
Korb Druckguss Magnetdurchmesser 55 mm
Polkernbohrung ja Befestigungsbohrungen 6  
Zentrierung Topfspinne, hinterlüftet Außendurchmesser 4 mm
magnetische Schirmung ja Einbaudurchmesser 77 mm
Schwingspule 25 mm Einbautiefe 37,5 mm
Träger Aluminium Frästiefe 4 mm


Parameter:

Fs 106 Hz Mms 3,3 Gramm
Diameter 66 mm BL 5,03 Tm
ZMax 37,6 Ohm VAS 1,1 Liter
Re 6 Ohm dBSPL 86,1 dB/1w/1m
Rms 0,80 kg/s L1kHz 0,06 mH
Qms 2,74   L10kHz 0,05 mH
Qes 0,52   SD 34 cm²
Qts 0,44   MMD 3,2 Gramm
Cms 0,68 mm/N Zmin 7,0 Ohm

Messdiagramme:

     
 Frequenzgang und Phase  Impedanz  Frequenzgang unter 0/ 30/ 60°
     
 Klirr für 90 dB  Sprungantwort  Wasserfall

Natürlich habe ich das gleiche Procedere auch für den 8-502 durchgezogen, der mittlerweile den 8-800 in der BlueNote abgelöst hat und als Mitspieler geplant war. Bis dahin gab es keine Argumente, die gegen ihn sprachen. Dass seine Daten dennoch nicht hier stehen, hat seine guten Gründe. Er wollte 65 Liter, die bekam er in meinem schnell aufgebauten Testgehäuse. Die beiden 3-400 gaben sich mit gemeinsamen 3 Litern zufrieden und nahmen den einsamen Hochtöner liebevoll in ihre Mitte. Vor jeder Weichenentwicklung messe ich die Chassis in der Box, um die Trennfrequenzen und eventuelle Störungen durch die Gehäusegeometrie zu entdecken. Was mir die beiden Mitteltöner zeigten, war aller Ehren wert und schmiegte sich eng an die 90 dB-Linie, erwartet hatten wir eher 87 dB unterhalb von 1kHz. Der Bass konnte da nicht mithalten und begnügte sich im relevanten Bereich mit 84 dB. Es gab drei Wege, die Pegel beider Zweige anzugleichen. Einen Vorwiderstand wollte ich nicht nutzen und nur einen statt zwei 3-Zöller einzubauen, widersprach der gemeinsamen Planung. Also blieb nur die Verdopplung des Basses, doch oh graus, dann brauchten wir 130 Liter für jede Box. Um das Ganze vor Augen zu bekommen, malte ich die Gehäuse in Sketchup und 3D und fand das Design mit den großen Bässen und den kleinen Mitteltönern optisch so daneben, dass ich erst gar nicht weiter über diese Lösung nachdachte.

Kleinere Bässe? Zwei der neuen 17er hatten wir doch schon in der Phase/ Dusty 34 erfolgreich verbastelt. Dort überzeugten sie auch ohne Mitteltöner, was für diese Chassisgröße eine normale Pflichtaufgabe ist. Und trotzdem, wie sollten wir anders der misslichen Lage entrinnen? Hilfe fand ich zusätzlich bei Philipp Vavron, der mir von seiner kleinen Konstruktion mit 17er und 26 HD 1 erzählte, wo dem BMT nur um die 15 Liter zugestanden wurden, ein Volumen, das auch LSPCad für ausreichend hielt. Auch auf dem Bildschirm-Papier sah das Ganze sehr ansehbar aus, obwohl mit immerhin fünf Chassis und zusätzlichem Reflexrohr nicht gerade wenig Elemente auf der Front ihre Heimat fanden. Die gelungene Optik zerstreute die leichten Bauchschmerzen beim Gedanken an den Einsatz von Mitteltönern in Verbindung mit zwei 7-Zöllern. Verlieren konnte ich nichts, im Lager hatte ich noch ein paar 7-302 und 7-300, die beide für den Einsatz in der Eton-Box in Frage kamen. Und warum sollte es den Mitten nicht guttun, aus einem extra dafür vorgesehenen Spezialisten abgegeben zu werden, statt im Basstakt moduliert zu werden?

Also schnell neues Holz gekauft. Damit ich nicht lang über die Oberflächengestaltung nachdenken musste, nahm ich schon wieder schwarzes MDF für die eingerahmten und Buchenleimholz für die Seitenwände. Wie schon bei der Excel 22 DXT ließ ich die MDF-Platten um 8 mm breiter zuschneiden und zog rund um die Leimholzplatten eine Falz mit 4 mm Tiefe. Vor dem Zusammenbau fräste ich die Schallwand und dabei bediente einer die Foto-Kamera. Heraus kamen am Ende zwei schöne Gehäuse und ein paar Bilder, die das Kleben zeigen. Damit diesmal niemand etwas verpasst, wenn er die Fotos nicht anklickt, haben wir auf die üblichen, untergelegten Texte verzichtet.

Der Bauplan ist für kreative selbstgestalter als Sketchup-Datei hier hinterlegt, alle anderen müssen mit der einfachen Zeichnung auskommen. In der Holzliste sind 22 mm MDF als Baumaterial angegeben. Für die durchgefärbten MDF-Platten und das Buchenleimholz muss sie auf 19 mm Stärke umgerechnet werden.

Die Holzplatten durften sich über Nacht aneinander gewöhnen und als sie sich dann gegenseitig innig festhielten, konnten die Schleif- und Lackierarbeiten ausgeführt werden. Drei Beutel Sonofil müssen gleichmäßig in jeder Box verteilt werden. Das Bassreflexrohr HP 70 kommt in das unterste Loch und dann können die die Chassis anschraubet werden. Natürlich vorher die Kabel anlöteten, und diese durch die Reflexröhre nach außen führen. Als Bässe wählten wir erst einmal die 7-302/C8-32Hex.

Endlich ging es an die Weichenentwicklung, die  gewohnheitsmäßig mit dem Bass beginnt. Dessen Pegel fällt wegen fehlenden Bodenkontaktes unterhalb von 200 Hz leicht ab. Steht er auf dem Grund, füllt sich dieser Bereich auf. Wer darauf keine Rücksicht nimmt, wird mit viel zu kräftigem Bassfundament bestraft. Eine große Ferrobar-Spule und ein MKT lassen die Bässe oberhalb von 180 Hz stetig an Pegel verlieren, den Mitteltönern werden fünf Bauteile vorgeschaltet, von denen je zwei einen Hoch- und Tiefpass bilden. Der Widerstand senkt den Pegel um die 2 dB, um die die beiden Keramik-Chassis die Bässe übertrumpfen. Der Hochtöner wird ebenfalls mit einem Filter 2. Ordnung und einem Spannungsteiler in seine Schranken gewiesen. Die beiden 17er werden phasengedreht zum Rest angeschlossen. Eine Impedanzkorrektur, die nur für Röhren-Amps nötig ist, komplettiert die Weiche. Die Trennfrequenzen liegen bei 400 und 3600 Hz.

BassweicheMitteltonweicheHochtonweicheZweige/ Summe

Zum Abschluss aller Messarbeiten schraubte ich aus Neugier auch die 7-300/C8-32HEX bei unveränderter Weiche in die Boxen und erhielt wie erwartet identische Ergebnisse. Nach einer ersten Hörprobe unter Ausschluss der Öffentlichkeit konnte ich die Boxen dann auch den Etonern vorstellen. Man war mit dem Ergebnis meiner Arbeit einverstanden und die Boxen durften in Neu-Ulm bleiben.

Messdiagramme:

 

     
 Frequenzgang und Phase  Impedanz  Frequenzgang unter 0/ 30/ 60°
     
 Klirr für 90 dB  Sprungantwort  Wasserfall

Für die Vorführung im Laden musste ich mir nun natürlich umgehend neue Gehäuse bauen. Das gab mir die Gelegenheit, auch noch die beiden anderen Siebenzöller im gleichem Aufbau zu testen, bei denen an Stelle des Carbons Aluminium die Schwingspule trägt. Unterschiede gibt es bei allen Varianten nur im oberen Mittenbereich, den sie jedoch anders als in den Zweiwege-Versionen nicht mehr wiedergeben.  Dieser Box gab ich einen eigenen Namen, der angesichts ihres Klangs in unserer Boxenhierarchie sehr angebracht erschien: Little Princess. Anfangs fiel es sehr schwer, das zu glauben, was die Ohren unverkennbar wahrnahmen. Die kleine Prinzessin legte egal bei welcher Musik die gleiche Mühelosigkeit an den Tag, die von unserer Duetta so vertraut ist. Laut oder leise, Klassik oder Jazz, Rock oder Elektronisch, souverän stellte die zierliche Kiste alles, was ihr auferlegt wurde, auf eine in Tiefe und Breite glaubwürdige Bühne, die völlig von den Boxen losgelöst erscheint. Nichts deutet dabei auf den Keramik-Hochtöner hin, der in anderen Kombinationen als mehr nach vorn rückend beschrieben wird. Die gebotene Basstiefe und klare Durchzeichnung war mir auch von der Phase und Dusty bekannt, hier setzte sich das in den Mitten fort, wodurch die etwas spektakulärere Gangart der Zweiweger zu homogen mutiert. Duetta kann noch tiefer, vielleicht sogar lauter, aber dafür braucht sie ein dreimal größeres Gehäuse, was dem WAF nicht gerade förderlich ist. „Kann man die nicht irgendwie durch geschickte Optik verstecken?“ ist eine häufige Frage, wenn die Partnerin zur Hörprobe mitgekommen ist. Little Princess muss man nicht verstecken, dafür gibt es trotzdem nicht wirklich viel, auf das man im Vergleich mit der Queen verzichten muss.

Mehr als jede Klangbeschreibung, die wir ich mir mühevoll aus den Finger saugen muss, zeigen ein paar Mails, wie die Boxen, auf Besucher wirken:

„Den Namen finde ich gut. ich hätte aber das Little weggelassen. Sie spielen groß.“ schrieb Carlo, der der erste, freiwillige Besitzer der Little Princess ist.

„Wo die Duetta noch relaxed, bietet die Neue eine ebenso detailreiche und klangfarbenstarke Bühne, ohne zu entspannt zu wirken.

Herzlichen Glückwunsch“ verbreitete Holga im Forum: „..du zeigest uns auch deine neue Little Princess, die mir und den anderen Besuchern besonders gut gefallen hat. Besonders der Eindruck von frischer, klarer Luft (wie nach einem Gewitter), den diese Box hinterlassen hat, hat sich mir nachhaltig eingeprägt.“ fasste Jochen sein Hörerlebnis zusammen.

Mit der Mail von Joachim will ich das eigene Schulterklopfen beenden: „Ich bin immer noch leicht fassungslos, was die kleine Princess für einen Wahnsinnsklang hatte. Echt unglaublich, was da aus diesem doch im Vergleich zu den anderen LS relativ kleinem Gehäuse an Klang rauskam. Zuerst war ich der Meinung, dass du wegen dem später eingetroffenen Ehepaar auch mal einen von Ihnen gewünschten, „günstigeren“ LS anschließen wolltest. Dachte da noch: „Muss das denn sein nach der hervorragenden Blue Note?“, dann wurde ich aber schnell eines Besseren belehrt. Unsere staunenden Gesichter sprachen ja auch wohl Bände, wie beeindruckt wir alle waren…“

Ja, es hat mich gefreut, dass ich mit meiner großen Überraschung über die kleinen Boxen nicht alleine dastanden. Doch dabei wollen wir es nun auch belassen. Klang verständlich mit Worten zu beschreiben ist vergebliche Liebesmüh und ersetzt nie und nimmer das eigene Hören. Und verhehlen kann ich auch nicht, dass es fast noch mehr freut, wenn Besucher mit großen Erwartungen das Studio betreten und nachher freimütig gestehen, dass die sogar noch übertroffen wurden.

Udo Wohlgemuth


Nicht mehr lieferbar

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