MiDu 3

 

Vielfältig ist das Leben als Lautsprecherbauer und -Verkäufer, oft ist es schwer, beide Tätigkeiten unter einen Hut zu bekommen. Jeden Morgen muss ich nach dem Frühstück neu entscheiden, welcher Teil meiner Persönlichkeit in den kommenden Stunden die Überhand gewinnen muss und was denn mit gutem Grund noch warten darf. Die einfachen Dinge sind da noch das Paketepacken, Testboxen bauen, Weichen entwickeln oder die unverzichtbaren, wöchentlich fünfzehn Stunden Bausätze vorführen.

Meine Eltern hätten nicht für möglich gehalten, wie vielen Menschen das Sofa, das sie vor gut 15 Jahren als nicht mehr wohnzimmergerecht an mich weitergaben, zum Kultobjekt werden sollte. Liebend gern nimmt die Selbstbauwelt dort Platz, um den Klängen unserer  Bauvorschläge zu lauschen. Wenn ich dann Texte wie diesen schreiben muss, sind leider kaum mehr die dafür nötigen, zusammenhängenden Zeitspannen zu finden und dieser Teil meiner Aufgaben leidet bittere (Zeit-)Not. Ich beklag mich nicht, Erfolg hat seinen Preis, den ich gern zu zahlen bereit bin. So ist bereits seit Längerem das Update der MiDu fertig, den Bericht darüber zu verfassen, schaffe ich erst jetzt, erzwungene Pausen sind fest eingeplant.

Als uns Eton vor zwei Monaten verkündete, dass einer unserer Lieblings-Achtzöller nicht weiter produziert werden kann, traf es uns hart. Minuetta, MiDu und auch die in meiner Schublade schlummernde Abhöre konnten von heut auf morgen nicht mehr geliefert werden. Es war wohl abzusehen, dass dieser Tag kommen würde, vorher traf es schon den 7-360 und den 5-880, die sicher unsere wichtigsten Basis-Chassis darstellen. Um sie weiterhin für unsere Bauvorschläge zu erhalten, werden sie nun in für beide Seiten passender Mengen ausschließlich für uns produziert, darüber mussten wir nicht lange grübeln. Möglich wäre das auch beim 8-800 gewesen, doch der war im Gegensatz zu den Bassmitteltönern leichter zu ersetzen. Auch wenn sie so nicht angekündigt war, kann die BlueNote legitim „Nachfolger der Minuetta“ genannt werden, die Abhöre ist nahezu baugleich mit der Symphony 285. Bedeutsamer als beide ist die MiDu, die sich als druckvoller, aber nicht so tief reichender Gegenpart zur Duetta nach seiner Veröffentlichung vor fünf Jahren schnell am Markt etabliert hat. Sie zu erhalten, war eine nahezu heilige Pflicht, dies zeigten auch die Leserreaktionen auf die Bekanntgabe der Abkündigung im Forum. Aufgeben musste ich dafür eine – nennt es ruhig Marotte, nämlich das Ungehagen beim Mischen alter und neuer Eton-Serien. Eingedenk des ewig gültigen Satzes: „Nichts währt ewig!“ wehrte ich mich gegen alle derartigen Vorschläge. Doch nach der Weiterführung des 7-360 und der berechtigten Hoffnung auf langen Erhalt des nicht ersetzbaren ER4 ist dem Bauchweh jede Grundlage entzogen. Konsequent blieb ich nur bei der Wahl des Namens für das Update, MiDu2. Revolutionär daran ist bestenfalls das Weglassens des Leerfeldes zwischen den Buchstaben und der Zahl.

Nach der langen Vorrede kann ich mich beim Sinn recht kurz fassen: Wir suchten nur noch passende Bässe. Lang war die Liste der Kandidaten nicht, es traten nur der 8-200/A8/37 Hex mit Aluträger oder der 8/202/C8/ 37 Hex mit Kaptonträger zur Auswahl an. Da sich beide im geforderten Frequenzbereich nicht unterscheiden, hätten wir sie sogar gemischt verbauen können. Wir entschieden dagegen und auch wider jedes Kaufmannsdenken für den mehr als 2 Euro billigeren 8/202, der sich auch vom endgültig dahin geschiedenen 8-800 nur wesentlich im Korbmaß unterscheidet. Er benötigt eine Fräsung von 223 mm, mit Lackzugabe 224 mm außen und 196 mm innen und passt ohne Änderung der Reflexabstimmung in das gleiche Gehäuse. Und schon sind wir mitten im Geschehen, denn rechts steht schon der geänderte Bauplan, aber diesmal nicht als Sketchup-Datei. Die zu malen hätte den Bericht wohl noch einmal um Wochen verzögert, Nachbauer dürfen uns aber gern ihre Zeichnungen überlassen. Die stellen wir dann hier zum Downlod aus und alles ist wieder im gewohnten Bild. Eine kleine Anmerkung zum Volumen für den 7-360 passt hier gleich mit hinein: Er braucht geschlossen nur 12 Liter, die grob 20 Liter der Duetta Top sind deren Reflexabsstimmung geschuldet, die als Basis für die Queen, aber auch die MiDu(2) oder Doppel 7 dient, wenn sie nicht ihr Leben lang allein durch das Wohnzimmer geistern soll.

Da wir weniger ein über Theorien streitendes Magazin sind und die praktische Arbeit beim Heranführen an den Selbstbau auf unsere Fahnen geschrieben haben, ließen wir wieder ein paar Bretter von der neuen CNC-Fräse zerspanen. Dabei haben wir ein paar Dinge ausprobiert, die die Arbeit beim Zusammenleimen der Bretter erleichtern, ein paar andere wurden zwischenzeitlich wieder verworfen, auch wenn sie hier noch bebildert sind. Ein wesentlicher Faktor beim genauen Fräsen ist die Präzision des Setzen der ersten drei Bretter. Systeme wie die Anschlag-Gehrung verzeihen hierbei keine Fehler, also mussten wir toleranter werden. Dabei halfen uns Nuten für die inneren Versteifungen, die nunmehr für die rechten Winkel verantwortlich sind. Dafür konnten wir im Nachhinein auf den Anschlag verzichten und sägen nun nur noch eine Gehrung. Als die Midu2 gebaut wurde, wussten wir das noch nicht, das spielt beim Baubericht jedoch auch keine große Rolle.

Auf dem Arbeitstisch, der mit einem hübschen Papierdeckchen abgedeckt wurde, liegt die Seitenplatte, auf der die Vertiefungen für die Innenbretter mit 5 mm eingelassen wurden. Wir beginnen den Bau mit der Rückwand der MHT-Kammer. Leim in die Nut, Brett draufgestellt und Leim für die untere Kammerplatte aufgetragen.

Ein Anschlag weist den rechten Winkel, der Zollsstock misst den Überstand, in den sich später die Nut auf der Front fügen soll. So geht es auch mit den weiteren Innenbrettern weiter.

Nach dem Deckel darf auch die Abdeckung für den Hochtöner Platz nehmen. Da die Schallwand aus 19 mm durchgefärbtem MDF besteht, wurde in die Platte eine 3 mm Vertiefung gefäst, damit dem ER4 seine 22 mm Kammertiefe erhalten bleiben.

Wer an Leim spart, wird nicht reich, gefährdet aber die Festigkeit seines Gehäuses. Fugenleim kostet pro Liter etwa 12 Euro, das reicht für zehn große Boxen, wenn nicht die Ehefrau auch noch einen neuen Schuhschrank braucht. Dann sind es entsprechend weniger Boxen, die mit einer Flasche geleimt werden können.

Wenn alles durchgetrocknet ist, also nach gut einer Stunde, kann die Rückwand aufgeleimt werden. Die Front beschließt die Klebearbeit. Alle Nuten sind ein wenig größer gefräst als die Versteifungen. So haben wir ein wenig Spielraum, um das letzte Brett passend auszurichten. Der ausgetretene Kleber muss später natürlich per Hand oder Schleifer entfernt werden. Wie wir durch den Hochzeitsboxenbau wissen, hat Mathias (DA) jetzt einen Kellerraum, in dem Schleifstaub nicht mehr beim Duschen stört. Der Küchentisch steht nach dem Entfernen der Boxen und des Deckchens dem eigentlichen Zweck schnell wieder zur Verfügung..

Wer seine Boxen rundum lackieren oder furnieren mag, hätte sich das besser vor dem Aufkleben von Rückwand und Front überlegt, im Nachhinein ist nur noch Öl, Wachs oder Klarlack sinnvoll. Dass auch so ansehnliche Oberflächen erstellt werden können, haben schon viele Leserboxen eindrucksvoll bewiesen. Für meine Arbeit war ein schöner Anzug nicht wirklich nötig, wichtiger war mir das „Klang“ vor Möbel. Daher machte ich mich, ohne auf das Trocknen des nicht aufgebrachten Lacks zu warten, an die Weichenentwicklung. Vorweg hatte ich einen Beutel Sonofil in die MHT-Kammer und sechs locker zusammengerollt in das Bassabteil gepackt. Eine gute Vorgabe hatte ich durch die Schaltung der dahingangenen MiDu, die Mittelhochton-Einheit war identisch und im gleichen Umfeld eingebaut. Nur um zu sehen, wie die neuen Bässe, mir hinlänglich aus der Symphony 285 vertraut, auf das damals konzipierte Netzwerk reagieren, packte ich die passenden Bauteile testweise vor die einzig neuen Komponenten des Bauvorschlags. Natürlich mussten sie bei der Messung nicht allein ein paar Töne in den Raum blasen, Weichen regeln bekanntlich das Zusammenspiel. Ein paar Kleinigkeiten gab es zu bemängeln, also suchte ich mir aus meinem Bauteilregal einige andere Werte raus, die am Ende nicht nur die Schaltung für die Bässe änderten. Erhalten blieb der prinzipielle Aufbau mit 12 dB-Filterung für die Bässe, 6 db mit Saugkreis auf eine schwache Resonanz bei knapp 4 kHz für den Mitteltöner, sowie wiederum 12 dB für den Hochtöner, der aber zusätzlich mittels kleinem Widerstand etwas leiser gemacht wurde. heraus kam ein Frequenzschrieb, der in der Achsmessung reinen Theoretikern wieder einmal die Haare zu Berge treibt, unter zunehmendem Winkel jedoch meine typische Handschrift des geraden Verlaufs trägt. Nicht nötig war eine Impedanzkorrektur für Röhrennutzer, die maximale Schwankung zwischen 5 und 8 Ohm braucht keine Glättung.

Ein Blick auf die Messungen schließt die Entstehungsgeschichte der MiDu2 ab.

Messdiagramme MiDu2:

     
 Frequenzgang und Phase  Impedanz  Frequenzgang unter 0/ 30/ 60°
     
 Klirr für 90 dB  Sprungantwort  Wasserfall

Die Weichen werden in Bass-und MHT-Teil getrennt auf zwei MDF-Brettchen geklebt und von oben sichtbar verlötet. Der beste Ort für die Befestigung ist die Rückwand hinter dem Bass. Im Bedarfsfall kommt man dort leicht heran und kann wegen der oben liegenden Anschlüsse den Aufbau ohne Ausbau und Umdrehen einer Platine mit unten verlöteten Drähten kontrollieren.

Kommen wir nun zu dem Teil, um den ich mich doch nicht drücken kann, der aber tatsächlich am wenigsten Aufschluss über das Klangvermögen von Lautsprechern gibt, die Klangbeschreibung. Wie subjektiv sie ist, zeigen immer wieder die Hörsitzungen in meinem Bochumer „Studio“. Verwunderte Blicke und späteres Grinsen verraten immer viel über die Erwartungen meiner Besucher, die meist viel niedriger lagen, als das Gehörte bot. Da Midu und ihre Nachfolgerin sich klanglich nicht deutlich unterscheiden – das war ja auch nicht das Ziel – könnte ich an diesen Platz Toms Klangbeschreibung von 2007 kopieren. Sie ist so wahr wie: „Der Bass war trocken, konturiert und durchhörbar. Die Läufe des Bassisten waren klar zu verfolgen, die Tuba und die Bassdrum versanken nicht in einem undefinierten Tonbrei. Die räumliche Abbildung zeigte eine Bühne, die in Breite und Tiefe sehr glaubwürdig den Aufnahmeort darstellte. Bei den Beckenanschlägen hörte man deutlich, ob der Teller in der Mitte, am Rand oder gar nicht getroffen wurde. Sänger hatten genug Platz und eine realistische Größe, der Schlagzeuger drängte sich nicht an ihnen vorbei in den Vordergrund. Kleine Geräusche, die beim Greifen am Instrument oder im Saal entstanden, waren sofort erkennbar. Das Hirn musste sie nicht erst analysieren, bevor es begriff, wodurch sie verursacht wurden.“ Doch wie soll man nur durch diese Worthülsen erahnen, wie die Boxen denn nun Musik in Wahrheit wiedergeben. Natürlich kann ich diese Klangbeschreibung von nun an unter jeden Bericht schreiben, sie ist für meine Konstrukte so wahr wie nichts sagend. Trotzdem ist eine derart emotionslose Beschreibung, wie richtig sie am Ende sogar sein mag, auch nicht das, was der Leser lesen mag. Er will die Freude spüren, die der Hörer mit der Musik und seinen Boxen hatte, Überzeugung durch Suggestion. Nun, ich hatte diese Freude, als wieder einmal Heerscharen von Musikern in meinen Räumlichkeiten ein Gastsspiel gaben. Ein Telefonat mit einem zufälligen Besucher tat es kund: „Du hast da gestern eine Schallplatte von Stevie Ray Vaughn gehört, als ich reinkam. Welches Live-Album war das?“ „Ich habe kein Live-Album von ihm.“ „Doch, ganz bestimmt, wir haben es ja zusammen gehört!“ „Hast du da auch Händeklatschen gehört?“ „Wo du jetzt fragst, eigentlich erinnere ich mich nicht daran, aber das war ganz sicher live. Stevie stand mit seinen Musikern gut einen Meter hinter der Boxenlinie und spielte nur für uns sein „Tin pan Alley“. So live war ich noch nie dabei!“  Was kann ich da noch sagen?

Udo Wohlgemuth


Nicht mehr lieferbar

 

 

Permanentlink zu diesem Beitrag: https://www.acoustic-design-magazin.de/2012/12/22/midu-3/

0 Comments
Inline Feedbacks
View all comments
0
Kommentar schreibenx