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Der Prozess, welcher sich von der ersten thematischen Auseinandersetzung bis hin zum fertigen Produkt bei mir vollzogen hat, ist mit Sicherheit bei vielen Neulingen wie auch bei den alten Hasen recht ähnlich verlaufen. Bei allem Interesse und der stetigen Aufnahme weiterer Informationen zum Thema schwingt im Hintergrund doch häufig die Frage, ob man sich das überhaupt zutrauen kann, oder anders formuliert, bin ich nicht viel zu unbegabt, um so etwas Komplexes wie einen Lautsprecher zu realisieren.
Um die Antwort vorweg zu nehmen – nein ist man nicht – und ich hoffe, dass dieser Baubericht das dem Leser näher bringen kann. Ich versichere, dass ich keinerlei handwerkliche Tätigkeit erlernt habe, zwar ein IKEA Regal zusammen bauen kann, aber kein Abgesandter des Heimwerkergottes bin. Ich denke in dieser Beschreibung werden sich vielleicht viele wiederfinden und, wenn sie ganz ehrlich sind, auch der ein oder andere mittlerweile erfahrene Boxenbauer.
Ergo, meine handwerklichen Fähigkeiten siedeln sich eindeutig, meine Frau kann das traurig nickend bestätigen, am unteren Rand der Mittelmäßigkeit an. Daher habe ich mich wie der ein oder andere circa vier bis sechs Monate mit dem Thema DIY immer wieder beschäftigt, wenn es konkreter wurde, es wieder auf sich beruhen lassen. Der Mut fehlte. Ich habe zu den unterschiedlichsten Boxentypen alles gelesen, was ich finden konnte und als ich mich für meine Favoriten entschieden hatte, jedes Wort, vor allem die jeweiligen Klangbeschreibungen zwei oder dreimal. Als ich dann den Bestell – Button betätigen wollte, schossen mir zwei Fragen durch den Kopf:
Wie viel Zeit werde ich wohl mit dem Bau verbringen? 3 Wochen, 4 Wochen oder gar 6 oder 7 Wochen?
Wie viel Geld investiere ich in dieses Projekt? Sollte da nicht noch ein „fuffi“ Spritkosten drin sein, um mich von meinem Vorhaben selbst zu überzeugen?
Kurz gesagt, ich habe die 220 km einfache Strecke und den besagten „fuffi“ Sprit auf mich genommen und bin mit zwei klaren Favoriten ( die Little Princess zählte eindeutig nicht dazu, da ich ein HK haben wollte ) zu Udo gefahren. Und nun kommen wir zu dem Punkt, der alles veränderte.
Die eigene Hörerfahrung
Als ich von Udo weg fuhr, soviel sei gesagt, waren alle Planungen und jedes eindeutige Vorgehen komplett über den Haufen geworfen. Die eigenen Höreindrücke der Boxen, die ich durch die Klangberichte anderer vorweg ausgewählt hatte, waren ganz sicher nicht, was ich mir auf Grund der Beschreibungen im Kopf ausgemalt hatte. Was ich tatsächlich wollte, hatte ich nicht im Ansatz auf meiner Liste. Also musste ich erst in mich gehen und alles neu überdenken. Eines ist mir dabei klar geworden. Die Gedanken mit dem Mauszeiger über dem Bestellbutton haben mich „gerettet“. Nicht, dass das vorgewählte System schlecht gewesen wäre – Gott bewahre – aber eben überhaupt nicht das, was ich mir vorgestellt hatte. Hätte ich für dieses Ziel zwei Monate im Bastelkeller verbracht, nicht auszudenken. Somit lege ich jedem dringend ans Herz, in Anbetracht des zeitlichen und finanziellen Aufwands und der Tatsache, dass man nicht so oft in seinem Leben seine eigenen Boxen baut, fahrt hin und hört euch eure Favoriten an. Ihr werdet es garantiert nicht bereuen. Doch genug der einleitenden Worte, starten wir lieber mit den Details.
Zunächst habe ich einige User im Forum nach Ihren „Rundbauten“ befragt, da ich keine rechteckigen Lautsprecher bauen wollte. Jedoch kamen mehr und mehr Gedanken zum Finish der Gehäuse hinzu, die mich schlussendlich wieder auf die rechteckige Form zurückbrachten. Ich wollte dennoch etwas „Neues“ ausprobieren. Da ich wie viele hier im Forum auf ein sehr glänzendes Finish in Richtung „Klavierlack“ stehe, habe ich unzähligen Stunden im Internet verbracht. Dabei wurde mir immer klarer, die Genauigkeit und der Arbeitsaufwand, der erforderlich ist, um dieses Ziel in ansprechender Form zu erreichen, ist immens und bedarf großer handwerklicher Fähigkeiten. Aha, da haben wir es wieder. Da war doch was, was ich nicht hatte…
Wie der Zufall es wollte, stand ich eines Tages in einem öffentlichen Gebäude vor einem Aufzug und wartete. Dabei sah ich auf die Verkleidung, welche aus weißem lackiertem Glas bestand. Das war es, etwas das pflegeleichter ist als Lack ( Microfasertuch und Glasreiniger), das nicht so schnell Kratzer bekommt und genauso gut aussieht. Ich war Feuer und Flamme. Genau das ist es, was ich schon so lange suchte. Noch während der Fahrt nach unten nutze ich mein Smartphone, um Infos über das Netz zu bekommen. Bevor ich zu Hause ankam, hatte ich den berühmten Bestell–Button bereits betätigt.
Somit stand das Konzept in Form von verblendeten Front- und Seitenteilen. Das Holz wurde in der örtlichen Schreinerei bestellt und die Fräsungen für die Chassis gleich mit.
Jedoch stellte sich die Zeitersparnis, die Ausfräsungen nicht selbst zu machen, als Fehler heraus. In der Schreinerei hatte man es dann doch nicht so genau genommen, wie von mir gewünscht, und ich verbrachte die ersten beiden Nachmittage damit, die vorgefertigten Löcher mittels Cuttermesser auf die „richtige“ Größe für die Lautsprecherchassis zu bringen. Dies erwies sich als sehr komplexe Angelegenheit, da meine Planung des Finishs vorsah, die heiß geliebten Glasplatten nicht bündig mit der Front abzuschließen, sondern diese rundum einen Millimeter „überstehen“ zu lassen. Das Vergrößern der Löcher musste also immer im Hinblick auf eine genau Zentrierung zur vorhanden Edelstahlplatte erfolgen. Von diesem Arbeitsschritt habe ich leider keine Fotos, da ich mich schweißtriefend und laut fluchend auf dieses Vorhaben konzentrieren musste. Meine Frau besuchte den sonst nie betretenen Bastelkeller, um sich nach meinem Wohlbefinden zu erkundigen.
Erst jetzt begann ich mit dem Zusammenbau der Gehäuse. Zum bloßen Aufeinanderleimen der Bretter muss man keine großen Worte verlieren. Dem Umstand, dass in der Schreinerei parallele Versenkungen für Holzdübel in die Einzelteile gebohrt wurden, ist es zu verdanken, dass ein unabsichtliches Verschieben kaum möglich ist und der Zusammenbau somit definitiv kinderleicht ist. Anbei sei jedoch erwähnt, dass nicht der hier zu recht hoch gelobte Fugenleim zum Einsatz kam, sondern ein spezieller Leim aus dem Schreinereibedarf. Dies hat zwei Gründe, zum einen ist dieser extrem flüssig und lässt sich noch einfacher auftragen, zum andern quillt der Leim leicht auf und bindet luftdicht ab.
Links kann man schön die Konsistenz des Leimes direkt nach dem Auftragen und die eingebrachten Holzdübel sehen. Rechts sieht man, dass auch Zwingen ganz hilfreich sein können.
Kommen wir also in der Trocknungsphase auf die Weichenproblematik zu sprechen. Da ich auch am Lötkolben nicht gerade den Virtuosenstatus erreicht habe, habe ich bereits während der Gehäuseplanung mit dem Aufbau begonnen. Ich habe zwar schon einmal gelötet, jedoch nie nach einem „Schaltplan“. Daher habe ich mir sehr viel Zeit gelassen und innerhalb einer Woche, nach der Arbeit, Stück für Stück vier Weichen für einen Bi-Amping-Anschluss zusammengelötet.
Der mitgelieferte „Schaltplan“ ist leicht zu verstehen und wenn man sich Zeit lässt, bekommt man auch als Ungeübter ein recht passables Ergebnis zu Stande. Hätte mich nicht der Ergeiz gepackt, der mich dazu zwang, auch eine optisch ansprechende Ordnung auf das Weichenbrett zu bekommen, wäre es wohl wesentlich schneller und auch einfacher gegangen. Aber desto mehr man sich mit dem Projekt beschäftigt, umso mehr wächst man mit der Aufgabe. Es kommen Ergebnis zustande, die man vorher so nicht unbedingt erwartet hätte.
Somit konnten die bereits im Regal schlummernden Weichen nach Aushärtung des Leimes ( ist nach einem Tag trocken, nach 5 Tagen komplett ausgehärtet) gleich in die Gehäuse verbaut werden.
Auf dem oberen Bild kann man in den Ecken den aufgequollenen und steinharten Leim erkennen. Die weißen Bretter im Gehäuseinneren dienten zur „Verdickung“ der Gehäuserückwand. In diese habe ich einen „Kanal“ gefräst. Dieser ist 10mm tief, 8mm breit und 600 mm lang.
In diesen „Kanal“ habe ich dann mittels Silikon eine LED Leiste eingeklebt und anschließend die Rückseite und den Gehäuseboden mittels Carbonfolie und Rakel beklebt.
Nun ging es an die mit Hochspannung erwartete Front. Zunächst habe ich alle Chassisbohrungen mit einer schwarzen Sprühdose grob eingefärbt, damit später in eventuell auftretenden Spalten kein MDF zu erkennen ist. Danach habe ich die Lautsprecher final in die dafür vorgesehenen Lochbohrungen eingesetzt. Dazu habe ich alle Chassieschrauben vorgebohrt, damit das MDF nicht reißt. Dann wurde die Edelstahlplatte mittels Spezialkleber aus dem Baumarkt auf die Front aufgebracht. Danach durfte das Ganze einen Tag aushärten.
Nachdem die Frontblende ausgehärtet war, habe ich mit den Glasseiten begonnen. Da ich nun ein Maß hatte ( die Frontblende mit beidseitigem Überstand ) konnte ich die Glasplatten daran auszurichten und mittels Spiegelsilikon aufzubringen. Auf Nachfrage wurde mir vom Lieferanten des Glases dringend empfohlen, einen speziellen Kleber zu verwenden, der später nicht durch die Beschichtung kommt. Auch der von mir geplante „Überstand“ der Glasplatten konnte durch leichte Korrekturen mittels Unterlegmaterial realisiert werden. Die weiter oben zu sehende Polklemmenplatte für die Bi–Amping–Schaltung, auf der sich auch die Anschlüsse für die integrierte Beleuchtung befindet, sowie eine Plastikabdeckung für die LED-Leiste wurden montiert. Und ja, spiegeln tun die Seitenwände auch…
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Und fertig ist die Little Princess. Tja und nun zum Klang. Dass ich nach meinen eigenen Erfahrungen nicht so viel von Klangberichten halte, dürfte klar sein. Da dies jedoch zu einem Baubericht dazu gehört, komme ich nun nicht daran vorbei. Leider fehlt mir neben den göttlich eingegebenen, handwerklichen Fähigkeiten auch die dafür sonst herangezogene blumige und wortschwere Formulierungsfähigkeit. Dennoch versuche ich mich daran, um den Leser nicht zu enttäuschen.
Was soll ich als persönlichen Eindruck noch schreiben. Ich bin froh „so weit oben“ eingestiegen zu sein, denn wenn man schon alle Bedenken über Bord wirft und sich an dieses Projekt wagt, dann sollte es am Ende auch genau dem gewünschten Ziel entsprechen. Und das tut es, und wie, Musik ist eine ganz neue Erfahrung, ein neues Erlebnis. Eigentlich war das Thema Musik ein wenig hinter der Heimkino Dolby Digital trallala Welle in den Hintergrund gerückt. Nun ist Musik wieder viel mehr als nur eine „Begleiterscheinung“, nun höre ich wieder im reinen Stereo und wehe jemand fasst den Dolby Digital Programmschalter auch nur an. Einfach Klang, Kraft, Reinheit und pure Freude.
Ihr denkt über den Selbstbau nach, ihr zweifelt? Tut es, es lohnt sich. Ich denke, dass man ein ordentliches Ergebnis erzielen kann und dass meine flammende Begeisterung kaum zu verbergen ist. Nun muss ich Musik hören, und ich werde nichts anderes zwischendurch erledigen, nur hören.
Bedanken möchte mich an dieser Stelle bei Maren und Dieter, die mich durch hilfreiche Beratung auf den richtigen Weg gebracht haben, auch wenn das Ergebnis am Ende ein anderes geworden ist. Bei Udo für die unerschütterliche Geduld und Schnelligkeit, auf die er auf alle Fragen reagiert hat. Schlussendlich noch bei meiner Frau, die einen boxenbauenden Mann ertragen hat, der sogar im Schlaf über Abmessungen und Schalldruck gesprochen hat.
Stonewall
Nicht mehr lieferbar
Hi! Wie jetzt, kein Kommentar bisher? Da müssten sich doch etlliche Selbstbauer wiederfinden.. oder liegt es am Neustart des Forums? Egal, ich gratuliere zum Mut, dieses Projekt durchgezogen zu haben, klasse! Jedenfalls finde ich mich wieder in deinem Bestreben, deiner Erkenntnis, dass man eben doch mehr auf die Beide stellen kann als gedacht. Klasse Ergebnis!