Gehäusebau – der vergessene Zwischenschritt

Wer seinem Lautsprecher eine Behausung bauen will, braucht zuerst einmal Daten, die dessen Verhalten rund um die Resonanzfrequenz voraussagen lassen. Ihre Berechnung beschrieben Thiele und Small 1961, seither kennt sie die Welt als TS-Parameter. Aus ihnen lässt sich auf mehr oder weniger einfache Weise das benötigte Volumen für die ideale Bassabstimmung finden – weniger einfach ist es mittels Taschenrechner, leichter per Simulationsprogramm, das an jeder Ecke im Internet zur Verfügung steht. Schnell steht fest, wieviel Liter des Wohnraums für jeden Lautsprecher abgezweigt und mit Holz umgeben werden müssen, ein Malprogramm erledigt vor dem Bau den Rest.

Doch halt! Wie bekomm ich die Liter in die Kiste, welche Abmessungen sind dafür nötig? Hier ist der Kopf gefragt, vielleicht auch die Hand, das Papier und der Bleistift. Da überlegen wir mal, wie breit die Front mindestens sein muss, damit der Bass darauf Platz hat, wie hoch, damit alle Chassis samt zusätzlich nötiger Öffnungen ordentlich verteilt werden können. Hat man alle inneren Maße, fällt das Berechnen der Tiefe nicht schwer – eigentlich. Innenbretter brauchen wir manchmal zur Versteifung oder auch um dem Mitteltöner den Bassdruck vom Leib zu nehmen. Und am Ende erstellen wir aus allen ermittelten Daten die Holzliste, damit der Sägemeister im Baumarkt auch wirklich millimetergenau die richtige Menge an Brettern zuschneiden kann. Ärgerlich nur, wenn wir dann vergessen haben, an den entscheidenden Stellen zu den Außenmaße die Materialdicke zu addieren oder wenn wir uns gar entschießen, einen Werkstoff in anderer Stärke zu verwenden. Gar nicht davon zu reden, dass ein vorgegebener Kasten auch mal breiter oder höher werden muss, weil er sonst nicht unter die Fensterbank oder auf das Sideboard passt. „Nee“, sagt der Schatz und schon geht die Rechnerei von vorne los.

Gern hätte ich ein kleines Programm geschrieben, das direkt auf der Magazinseite zum Rechnen einlädt. Google kannte keins, das auch ich bedienen kann. Das geht natürlich auch viel simpler, wir haben alle einen Computer.Und dann gibt es auch noch so tolle Software, die sich Tabellenkalkulation nennt – wir nutzen „Calc“ von Open Office, als Open Source hier herunter zu laden. Damit konnten wir ein kleines Arbeitsblatt basteln, das einfach zu befüllen ist und schnell eine komplette Holzliste für eckige Kästen liefert. Die Datei muss auf dem Rechner gespeichert werden, bevor sie zum Bearbeiten geöffnet werden kann.

Obwohl es für die meisten Anwender eher selbst erklärend ist, kann eine kleine Bedienungsanleitung nicht sicher schaden.

Am Anfang stehen die Chassis, die in der Box untergebracht werden sollen. Wir haben das Blatt so ausgelegt, dass Berechnungen für zwei oder drei Wege möglich sind, auch Doppelbestückung ist vorgesehen. Nichts zu sagen gibt es zum Außendurchmesser und der Anzahl der Chassis. Beim Hochtöner wird immer vorausgesetzt, dass es nur einen gibt, weil mehr physikalisch nur funktioniert, wenn der Abstand der Membranen verschwindend gering ist. Später wichtig ist noch die Membranfläche des Basses, die in G9 aus der Messung über die halbe Sicke berechnet wird. Wie alle automatisch ausgefüllten Felder ist dieser Wert grün hinterlegt.

Im 2. Abschnitt geben wir die Boxendaten ein. Das notwendige Volumen inklusive aller Zusatzkammern und Kanäle nannte uns das Simulationsprogramm oder der vorhandene Bauplan der Box, die wir auf unseren Geschmack umbasteln wollen. Unnötig ist es, die dritte Stelle hinter dem Komma zu berücksichtigen oder das Volumen von Innenbrettern abzuziehen. Was wir hier verlieren, schenkt uns das locker zusammen gerollt im gesamten Innenraum untergebrachte Dämmmaterial (nur der Bereich um die Reflexöffung bleibt frei) durch virtuelle Volumenvergrößerung. Das Minimum für die Innenhöhe und -breite wurde aus allen Chassis und der eventuell vorhandenen Reflexöffnung plus je 1 cm Abstand aufsummiert. Wenn wir nun noch die Anzahl an Versteifungen, Boxen und die Materialstärke eingeben, können wir weiterhin sitzend zur nächsten Abteilung voranschreiten.

Dreiweger brauchen eine Kammer für den Mitteltöner, damit er nicht vom Bass als viel zu kleine Passivmembran missbraucht wird. Wenn keine nötig ist, wird eine „0“ eingetragen. Was wir als Volumen angeben, errechnen wir aus dem Original-Bauplan oder befragen die Simu, die Liter sind schon im oben eingetragenen Volumen enthalten. Das hintere Brett der Kammer wird hinten auf das untere geklebt, ist daher in der Holzliste um die Brettdicke länger.

Ob man eine geschlossene oder Reflexbox bauen möchte, bestimmt man mit dem alternativen Eintrag der „0“ oder „1“, danach darf man aussuchen, ob mit Rohr oder Kanal. Dafür muss in jedem Fall der Rohrdurchmesser angegeben werden, weil er die Öffungsfläche für den Kanal vorgibt. Vorsichtshalber haben wir eine „Nebenrechnung“ in den grauen Kasten geschrieben. So kann das Rohrmaß aus einem vorhandener Kanal  hergeleitet werden. Sein Mindestmaß beträgt ein Sechstel der Membranfläche, deren Bedeutung nun auch klar ist. Die Differenz in der Kanal- zur Öffnungsfläche stammt aus der Praxis gerechten Rundung auf den Millimeter. Dieser Part der Tabelle kann auch unabhängig vom Gehäusebau dafür genutzt werden, Reflexrohre in Kanäle umzurechnen und umgekehrt. Wenn ein Rohr mit dem errechneten Durchmesser nicht erhältlich ist, muss das nächst größere verwendet werden. Zur Verfügung stehen: 3,5 cm, 5 cm, 7 cm und 10 cm. Beachte, dass sich dadurch die Länge ändert, größerer Querschnitt bedingt mehr Länge.


Drei unterschiedliche Zuschnittsarten werden aufgelistet, die Bilder zeigen die daraus resultierende Frontansicht. Berücksichtigt sind Mitteltonkammern Versteifungen und vorgesehene Reflexkanäle. Sind die nicht vorhanden, steht eine „0“ in der Liste. Optional wurde eine Sicherheitszugabe eingearbeitet, weil die Materialstärken meist von der Normangabe abweichen.

In manchen Fällen ist es ratsam, die Gehäuse auf Gehrung zu schneiden. Auf diese Weise vermeiden wir offene Schnittkanten, die beim Lackieren selbst mit dem besten Spachel und stundenlangem Schleifen niemals dauerhaft unsichtbar bleiben. Auch ein gern verwendetes Gimmik sind Seiten aus Multiplex in Kombination mit schwarzem MDF, das oben und unten ebenfalls einen 45°-Schnitt erhält. So haben wir es z.B. bei der Chorus 51 und Linie 74 gemacht. Auch die Box, die mittels dieses Blattes entstehen wird, darf sich mit dieser schlank machenden Bauweise schmücken.

Wer am Ende wissen will, wieviel m² er in sein Auto und Geld für den Zuschnitt in die Brieftasche packen muss, gibt noch den Preis für den Quadratmeter in das letzte gelbe Kästchen des Arbeitsblattes ein. Fehler im Blatt bitte melden.

 

Ein paar kleine Änderungen sind mittlerweile in das Blatt eingeflossen, doch sicherlich gibt es weiterhin einiges an Verbesserungspotential in der Rechentabelle. Es wird in unserer Community viele Leute geben, die bessere Wege zum perfekteren Ergebnis kennen. Deshalb freuen wir uns über jede Überarbeitung, die uns per Mail erreicht.

Udo Wohlgemuth

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Hallo
Mein letztes Projekt liegt schon einige Zeit zurück, das war „Die Grünanlage“ von Udo. Auf der Suche nach etwas Neuen bin ich auf den Holzlistenrechner gestoßen.
Ich habe versucht die Datei mit Excel zu öffnen, leider übernimmt Excel die Formeln nicht.
Meine Alternative ist Portable-Apps dies ist kostenlos und kann auf einem USB Stick installiert werden. OpenOffice kann dort als Anwendung/Programm hinzugefügt werden. In den Links findet man alles was nötig ist.
https://portableapps.com/de
https://www.openoffice.de/openoffice_download_portable.php
Bei mir läuft der Holzlistenrechner super. Jetzt muss ich mir Gedanken machen welche Box von Udo es werden soll.

Gruß Jörg

Hallo.
Es fehlt bei den Zuschnittarten noch „Zuschnitt auf Gehrung mit aufgesetzer Front“ oder? Sieht mit MPX ganz schick aus.

Gruß

Hallo Leute,
ich hab eine Bitte, da ich zur Zeit nicht zu Hause bin und mein Dienstrechner sehr restriktiv komplett geschlossen ist.
Kann jemand die Datei für Excel oder besser noch Numbers bereitstellen? Ich bekomme mit dem iPhone die Datei nicht auf. Die iOS Excel Version übernimmt leider die Formeln nicht. Ich möchte ein wenig herumspielen mit den Maßen für die Udo14.
Wäre schön, wenn es aber nicht gewollt ist, muss das eben warten.
Gruß Enrico

PS: mit online umwandeln klappt das gut, nun kann ich mobil schauen….

Gruß Enrico

Hallo Udo und alle Interessierten,

Wie gesagt, hab ich ein Apfeltelefon und nutze die App Documents. Mit dieser lade ich deine Ods-Datei herunter. Stationäre Vorgehensweise ist jedem klar. Dann besucht ihr folgende Webseite
https://online-umwandeln.de/
Dort wird die Ods hochgeladen und in ein Format eurer Wahl konvertiert. Sodann wird ein Download-Link erscheinen. Der Rest ist dann wieder selbsterklärend.

Mit Wochenend-Grüßen
Enrico

Vermutlich ne blöde Frage, aber woher entnehme ich die Abstimmfrequenz beim Reflexrohr? Da das Feld ja Gelb ist, soll hier wohl etwas eingegeben werden. Ist das Bausatzabhängig, oder dem jeweiligen Datensatz des Maßgeblichen Chassi zu entnehmen?

Hallo,
ausführliche, gute Tabelle.

Nur zu Info Open Office Calc kann Excel Dateien öffnen und umgekehrt ist das auch kein Problem…..

LG
Bärchen/Volker

Man muss einschränken das dies nur unter Windows gilt… (warum auch immer).

Guten Abend Udo.
Das ist eine gute Sache die Du hier vorstellst. Alle Erfordernisse sind berücksichtigt.
Für mich könnte es eine kleine Bibel werden.
Gruß Martin

Hallo Udo. Die Ideen für zusätzliche Funktionen werden bestimmt noch kommen. Könnte ich es, wäre ich der erste der die Weitere Entwicklung anbietet.
Gruß Martin

Hui Udo,
Das nenn ich mal ne gepimpte Version von meinem alten Duetta sheet 🙂

Gut wäre noch eine Funktion wo man ankreuzen kann welche Bretter 2mm Schnittreserve bekommen sollen. Genauer Zuschnitt im Baumarkt ist ja eher selten…
Liebe Grüße
Matthias

Hallo Udo, ich bin sicher, die Unterstützung wird kommen. Kann es leider auch nicht. Demnächst ‚missbrauche‘ ich dich dann als letze Instanz vor dem Zuschnitt. 😉 Gruß,

Kai