Nachdem ich in eine größere Wohnung umgezogen bin, kam ich auf die Idee, meine alte Anlage wieder zu entstauben und aufzustellen. Leider hatte der Plattenspieler nach 8 Jahren Speicher eine Überholung nötig. Beim Versuch den Riemen zu tauschen, brach ein Plastikmitnehmer ab. Leicht gefrustet hielt ich nach was Gebrauchtem Ausschau. Damit nahm der Wahnsinn seinen Lauf. Erst einen schönen alten Transrotor Murano – immerhin kommt der auch aus Bergisch Gladbach – geschnappt, dann noch einen AVM Verstärker.
Bei seiner Abholung kam ich in den Genuss zweier B&W 801, und nichts war mehr wie zuvor. Meine 30 Jahre alten Stereoplay Selbstbauboxen konnten mich nicht mehr begeistern. Also das Internet besucht, was es auf dem Selbstbausektor so gibt. Und damit hatte ich quasi die Wegbeschreibung nach Bochum gegoogelt.
Bevor ich mich auf die Reise machte, hab ich mir die tollen Berichte im Magazin zu Gemüte geführt. Ich wollte nicht so einen Trümmer wie die Duetta, die little Princess gefiel mir schon da und natürlich die wunderschöne Form von Jo’s Linie 44. Aber am Ende muss mich der Sound einfangen, also ab auf das Sofa in Bochum.
Nach einer recht ätzenden Fahrt – Berufsverkehr im Ruhrgebiet ist im Sommer noch schlimmer – traf ich auf Udo. Ich mag Menschen, die nicht nur wissen, was sie tun, sondern einem das Gefühl geben, sie leben in und für ihren Beruf. Und dafür ist Udo ein Paradebeispiel. Ehrlicher kann ein Auftreten und ein ‚Showroom‘ kaum sein.
Nach einem super netten Begrüssungsgespräch, auf die Couch gefläzt und The Cure auf den Plattenteller. Es fing an mit was kleinem, weil ich nicht so riesig bauen wollte. Schon nett. Dann die Linie 54 und ich kam aus dem Grinsen bei „Killing an Arab“ nicht mehr raus. Aber der Preis holte mich wieder runter. Dann die Duetta. Noch geilerer Bass aber halt nen Trümmer. Zum Schluss die Linie 74 und ich wusste sofort, das sind sie. Knochentrockener Bass und die Höhen so lebhaft, ich war hin und weg. Im Vergleich zum ER4 nicht so seidig, sondern etwas dreckiger, mehr Rock’n’Roll denn Ballett. Also beschlossene Sache. Die werden es.
In den nächsten Wochen versuchte ich nun, die benötigten Volumen und mein Bild von Jo’s Linie 44 mit meinem Wohnzimmer zu vereinen. Damit konnte ich auch noch schön mit unserem neuen Zeichenprogramm üben, hätte ich mir fast als Arbeitszeit aufschreiben können. Die Grundformen immer mal wieder 1:1 ausgedruckt und probegelegt. Am Ende kam das heraus:
Den Entwurf Udo gemailt, die Freigabe bekommen, und los ging es. Als Material hatte ich mir 12mm Mineralwerkstoff ausgesucht. Fast 3mal so dicht wie MDF, ich kann es thermisch bearbeiten, also die Rundungen biegen, und fugenlos verkleben. Darüber hinaus erspare ich mir das von mir nicht so geliebte Lackieren, da ich den Glanzgrad des Materials am Ende über die Schleifkörnung bestimme. Von Supermatt bis Hochglanz.
Da ich das Material zum Biegen auf 180° erwärmen muss, wollte ich nicht am Schablonenbau sparen. Also ab in die Werkstatt, Restplatten rausgesucht und eine Menge Holzstaub gemacht.
Die einzelnen Scheiben aufeinandergeschraubt und für die äußere Gegenschablone das Spielchen wiederholt. Dann die Werkstatt gefegt!
Danach musste ich bei nem Schreinerkollegen betteln, dass ich seinen Ofen benutzen darf. Der ist auf Mineralwerkstoff spezialisiert und hat einen 3 mal 1,5m großen Ofen. Da ich einen Geheimhaltungsvertrag mit Blut unterzeichnen musste, gibt es vom nächsten Arbeitsschritt keine Photos. Nur so viel sei gesagt, Lappen von 1,2 mal 0,6m sind bei 180° kein Vergnügen. Heraus kamen vier identische Rohlinge. Diese musste ich dann erstmal schön parallel besäumen. Auch da ist eine gute Schablone Gold wert.
Das Bassreflexrohr wollte ich nicht einfach in schwarz aussen aufsetzen. Also 5 Lagen aufgedoppelt und dann ausgefräst. Das Rohr entsprechend gekürzt und von innen in einen entsprechenden Falz eingeklebt. Bei der Gelegenheit die Chassis in der Frontplatte eingelassen und die Löcher für die Verschraubungen vorgebohrt. In das Material kann ich dann einfach ein Gewinde schneiden und die Chassis später mit metrischen Schrauben verschrauben. Die Seiten mal probeweise hingestellt und überprüft ob alles schön parallel geworden ist. 1 mm auf 1,15 m schien mir in Ordnung.
Nun Front und Rücken mit dem entsprechenden Kleber eingeklebt. Gar nicht so einfach, wenn das Klebeband, mit dem ich solche runden Sachen normalerweise verleime, keinen Kontakt mit dem Kleber haben darf und Schraubzwingen auf den Rundungen nicht wirklich halten. Ausserdem sollte man mit dem Kleber nicht sparen, sonst sieht man die Fugen. Zum Glück lässt sich so etwas reparieren. Die Fuge mit einem V-Fugen Fräser nochmal 1mm aufgefräst und mit dem Kleber gefüllt. Dann noch Boden und Deckel drauf. Alle Kanten und das Bassreflexrohr mit einem Rundungsfräser mit 9mm Radius abgerundet. Dann ging es ans schleifen. Mit 150, 180, 240, 320 Korn. Dann waren sie schön seidenmatt und glatt genug, um keinen Dreck anzunehmen. Supermatt wäre mir lieber gewesen, aber da war mir die Oberfläche zu Schmutz empfindlich. Nach einem arbeitsreichen Wochenende und müden Armen vom Schleifen standen die beiden Schönheiten vor mir.
Nun stand der DIY Teil vor mir. Löten. Eine Lötstation und Zinn vom Kumpel geborgt. Die Weiche hatte Udo schon vorher für mich gelötet. Gott sei Dank. Nach zwei Abenden, in denen ich mit jeder Lötstelle sicherer wurde, war das schlimmste geschafft. Nur noch die Dämmwolle rein und die Chassis eingeschraubt. Ach ja, da war doch noch was, die Schrauben aus dem Internet kamen ja aus China, weil ich Depp mal wieder nicht auf die Adresse des Anbieters geguckt hatte, und waren noch auf Reise. Also erstmal andere Schrauben aus der Werkstatt genommen. Als Füsse hab ich mir noch Spikes in die Bodenplatte eingebohrt.
Dann kam der ersehnte Moment. Wieder „The Cure“ aufgelegt, war schliesslich meine Referenz vom Probehören, und den Verstärker langsam aufgedreht. Und dieser Moment, in dem aus jedem Chassis was rauskommt und nichts brummt, war unbeschreiblich und pures Glücksgefühl. Meine Motivation nach kalten Lötstellen zu suchen, ging nämlich gegen Null.
Der Sound war sensationell. Der Bass gefühlt noch knackiger und tiefer als im Laden. Die Höhen haben so viel Charme und Charakter. Bei der danach aufgelegten Norah Jones hätt ich heulen können. Alles so klar und differenziert. Bei Calexico hab ich völlig neue Details entdeckt. Das Ganze aber so harmonisch und rund. Nie analytisch und trotzdem immer ehrlich. Die Musiker standen so deutlich vor mir, ich war im musikalischen Himmel angekommen.
Leider entlarvten diese Lautsprecher auch die Schwächen in meiner Musikkette. Also kamen noch ein Phonoverstärker und ein neuer CD Spieler hinzu. Am Ende begann ich sogar mit Handarbeit. Lautsprecherkabel flechten. Sehr meditativ, aber nach 10 m hatte ich mir echt ne Blase geflochten.
Auch der Gewebeschlauch nervt ab einer gewissen Länge. Aber der Klang war danach noch differenzierter und ich am Ende angekommen. Fast zumindestens. Für mein Heimkino hab ich noch eine Linie 42 als Center da liegen. Die muss ich noch in mein altes Gesellenstück einarbeiten. Hier ist er schon mal zu sehen, also ein Baubericht kommt dann wohl noch.
Thomas
Nicht mehr lieferbar
Hallo Thomas,
wunderschöne Arbeit! Echt gelungene Optik! Dieser Mineralwerkstoff, ich kenne ihn gar nicht, lässt sich vermutlich nur mit einem entsprechenden Ofen so in Form bringen?
Das mit den Schwachpunkten in der Kette kenne ich auch zur genüge, kaum merzt man den einen aus wird schon der Nächste offenbart. Und so schaukelt man sich langsam in immer höhere (Klang-)Sphären hoch!
Glückwunsch und noch viel Freude mit Deinen Schmuckstücken.
Dieter
Sehr sehr schick.
Warum flechtet man den Lautsprecher Kabel?
Nur aus Platzgründen und Optik?
Hammer! Wow!
Und Klasse Bericht. Stell dein Licht nicht unter den Scheffel, wäre gespannt was da noch alles kommt bei dir!
Sehr süß fand ich den Satz „nun stand der DIY Teil vor mir“, nachdem die riesigen Teile alle heroisch fertig gestellt waren.
Thomas – ich bin beeindruckt! Saubere Arbeit & schöner Bericht!
Grüße,
Köter
Hi Thomas. Ein bisschen neidisch bin ich schon auf Deine Künste. Was könnte man da noch alles mit machen. Für einen Workshop würde ich mich sofort anmelden.
Gruß Martin
Ja, das sind echte Schmuckstücke geworden. Erstklassige Arbeit und tolles Design-
Herzlichen Glückwunsch dazu und viel Freude beim hören.
Sapperlot!- Da juckt es mich nach meinen Duettas doch nochmal was zu machen.
Vielleicht die kleinen Prinzessinnen?
Glückwunsch, seh gelungenes Design, tolle Lautsprecher und mal ein anderer Werkstoff als sonst!
Augen- und Ohrenschmaus perfekt kombiniert! Das Detail BR-Rohr gefällt mir besonders. Monolitisch mit großen Verrundungen sowieso 🙂 Ich vermute, jetzt gilt es noch, die endgültige Aufstellung zu finden?
Grüße, Jo
SEHR GEIL!!! Was für ein Gehäuse, daran habe ich gar nicht gedacht…. ;0) Danke für das Vorstellen !
Volltreffer!
Ja das sind mal wieder Prachtstücke, die mir gefallen. Edel, matt und weiß!
Mich würde auch interessieren welches Material Du genommen hast, würde da gern mal mit experimentieren.
Viel Spass mit den Schönen!
Gruß Jörg
Hallo Thomas, Sehr schön, gefallen die Monoliten.
Sind 12 mm Wandstärke nicht etwas wenig? Ich kenne mich da nicht aus, wie ist Dein Eindruck. Stabilität auf die Länge?
Viel Spaß bei der Neuentdeckung Deiner Musiksammlung!
Gruß Dino
Hallo Thomas.
Deine 74er sehen ja sensationell aus. Respekt. (die nehm ich)
Welches Material hast du verwendet? Corian, Varicor, oder was anderes?
Gruss Adi
Ja genial,
Immer wieder fein zu sehen was manche so an innovativem Zeugs irgendwoher bekommen!
Ganz viel Freude damit! Und wer weiß, vielleicht lässt sich bei der nächsten Aktion das Zimmer noch so umgestalten das die Box aus der Ecke rauskommt 😉 vielleicht Drehung um 90° oder so
Enjoy
Matthias
Hi Thomas,
Sehr geil… Und auch mal was anderes wie holz… Wenn ich fragen darf… Was hat dich das material gekostet? Und wie konntest du die Platten „fugenlos“ verbinden? Auf den Bildern sieht es aus, als wäre alles aus einem guss.
Auch sehr schick is deine Verkabelung 😂 hier kann ich dir aus eigener Erfahrung ein eckkabelkanal empfehlen… Damit kannst du die sehr gut verstecken, wenn der waf erhöht werden soll/muss