Martins MiDu – erst passiv, dann aktiv

1 Prolog

In anderen Berichten lese ich besonders gerne den Teil mit dem bisherigen Werdegang im Selbstbau-Fieber. Also lasse ich mal meinen hifikalischen Werdegang Revue passieren. Wen es nicht interessiert, der springt am besten gleich zum (kurzen und unspektakulären) Baubericht in der Mitte.

Der Beginn meiner Hi-Fi-Karriere muss wohl ein Weihnachtsfest vor vielen, vielen Jahren gewesen sein. Damals bekam ich eine Mini-Kompaktanlage von Sony geschenkt. Radio, CD und Kassette mit Stereo. Der Erinnerung nach spielte sie gut und ausreichend laut. Einige Jahre später gab es dann zum Geburtstag (vermutlich so um den 15. herum) einen richtigen Stereo-Verstärker samt CD- & MiniDisk-Player und dazu Quadral 2-Wege-Lautsprecher. Für Reisen gönnte ich mir einen mobilen Mini-Disc-Player von Teac und Sony In-Ear-Kopfhörern. Damals wie heute will ich unterwegs auf meine Musik nicht verzichten.

Mit dem Umzug ins beengte Studentenwohnheim folgte ein Rückschritt. Die Brüllwürfel (Logitech 2.1 System) waren regelmäßig überfordert. Besserung verschaffte ein Teufel Concept E Magnum. Fürs Heimkino im Wohnheim-Apartment mehr als ausreichend.

Das Wohnheim war dann auch der Ort, an dem ich mich mit dem Selbstbau-Virus infizierte. Ein Freund hatte Lautsprecher in seinem Zimmer stehen, die komisch waren. Nur ein Treiber, oben hinten ein Schlitz und trotzdem klangen die Dinger vortrefflich. Auf die Frage, wo man sowas kaufen kann, bekam ich ein „gar nicht“ zur Antwort. Ich erfuhr, dass man sowas selbst baut. Den Weg zurück in meine Zelle trat ich dann auch gleich mit einem Stapel Klang+Ton und Hobby Hi-Fi an.

Zwischendurch stand noch ein kleiner Ausflug in den Car-Hi-Fi Bereich an. Über Sinn und Unsinn von Selbstbau im Automobil kann man streiten. Es bot jedenfalls mehr Gestaltungsspielraum als das Zimmer im Wohnheim. Ich konnte lernen und basteln – Kinderherz, was willst du mehr? Am Ende fuhr der alte Minivan vollaktiv mit Vifa Hochtönern, Canton TMT und Subwoofer im Kofferraum.

Mit dem Auszug aus dem Wohnheim und der ersten eigenen Wohnung kam auch der Platz für größere Lautsprecher. Damals so im Jahr 2005/2006 spielte der WAF noch eine große Rolle, sodass die Wahl letztlich auf Pascal XT als Front und Dirac XT als Center fiel.

Die Fronten wurden damals wie heute fertig gefräst gekauft und das restliche Birkenmultiplex vom befreundeten Tischler auf Gehrung gesägt. Einige Anfängerfehler beim Zusammenbau blieben nicht aus. Zum Glück waren die nur auf der Rückseite zu sehen. Klanglich war ich zufrieden und für die Raumgröße waren sie auch völlig ausreichend. Nach einem Besuch bei Udo klemmte ich probehalber den Dirac XT Center mal ab (und nie wieder an). Die Gesichter der vielen Besucher, die ungläubig am Kabel zogen und das lose Ende dann in ihren Händen hielten – unbezahlbar. Dabei hatten sie kurz vorher alle noch die dank des Centers tolle Bühne und Sprachverständlichkeit gelobt.

Ungefähr zu selben Zeit als die Pascals entstanden, hab ich auch mal den CT 209 aus der K+T (Anmerkung der Redaktion: Wer hat den denn wohl entwickelt?) gebaut. Warum? So ganz genau kann ich das nicht mehr nachvollziehen. Vermutlich zum Vergleich mit den Teufel Concept E Satelliten am PC. Später wurden daraus zwei Needle und die spielen vermutlich heute noch zusammen mit einem 2-Watt Verstärker in irgend einem Uni-Büro.

2006 hab ich für einen Freund den Mivoc SB 25 Jubiläumsbausatz im OSB-Chic aufgebaut.

Vor allem, weil ich neugierig war, wie gut eine so günstige Box klingen kann. Die wurden dann auch im direkten Vergleich zu den Pascal XT gehört und ich bin bis heute beeindruckt.

Mitten im Selbstbaufieber wurde 2006/2007 noch der CT 227 fürs Büro gebaut. Mit OA 2.1 Verstärker und Subwoofer – die Kollegen sollten ja auch was davon haben. Dank guter Freunde bekam der OA-Amp damals eine sehr schöne Macrolon-Behausung.

Nach einer Schaffenspause ging es dann 2010 wieder richtig rund. Für den Bruder von einem Kollegen (der, bei dem die Needle standen) wurde die Needle RS100-4 ADW aufgebaut. Sein Budget war knapp und er war vom Klang der Büro-Needles beeindruckt. Die Schwiegermutter wurde mit RS 100 PC + DTA Verstärker versorgt. Allerdings geht von diesen Boxen auch ein böses Omen aus. Bis zum heutigen Tage ist das Finish nicht über die MDF Grundierung hinaus gekommen. Der Klang dieser Breitbänder fasziniert mich immer wieder aufs Neue – ich wüsste nichts Besseres, um einen Arbeitsplatz angemessen zu beschallen. Und wo ich schon dabei war, bekam der Schwager noch eine blueSBox 15 PC samt TA-215.

Ihr merkt, ich war an einem Punkt angekommen, wo Lautsprecher-Selbstbau für mich mit Udo und ADW gleichbedeutend wurden. Vom Wunsch beseelt, irgendwann auch mal was Größeres zu bauen, ergab sich im März 2011 die Gelegenheit auf der berühmten Couch Platz zu nehmen und ein paar meiner Lieblingstitel auf Duetta und Co. zu hören. Bis heute beeindruckt hat mich damals der Anfang von Honey Bee von Madrugada – auf der Duetta „fühlte“ ich das erste Mal, wie ganz am Anfang die Gitarren-Saiten angezupft werden – Gänsehaut. Und dann noch Fiddler on the Green von Demons & Wizards – monumental. Gut in Erinnerung blieb mir auch, dass wir uns trotz der gehobenen Lautstärke entspannt unterhalten konnten und die Musik nie nervte. Damals war die Entscheidung gefallen, dass ich was Größeres brauche und da ich schnelle Bässe im Zweifel tiefen Bässen vorziehe, riet Udo, der MiDu den Vorzug vor der Duetta zu geben. Bis ich dann aber zu meinen neuen Lautsprechern kommen sollte, floss noch viel Wasser die Pegnitz runter.

2016 stand mal wieder ein Umzug an, größere Wohnung, meine Chance. Die Pascal XT schnell meiner Schwester vermacht und damit war der Weg zur MiDu frei. WAF war kein Problem mehr, nach einem onkologischen Zwischenfall kann mir meine Frau echte Herzenswünsche nicht mehr abschlagen (dennoch nicht zur Nachahmung empfohlen!). Ich hab mir natürlich trotzdem noch mal das ADW-Sortiment angeschaut und mit mir gerungen. Am Ende wurde es dennoch die MiDu3. Wenn man auch Jahre nach dem Probehören immer noch das Bauchgefühl hat, es sei die richtige Entscheidung, dann kann es so falsch nicht sein. Also los, bei Udo alles bestellt, gleich inklusive der gefrästen Fronten. Oberfräse hab ich nämlich (immer noch) keine.

2 Hauptteil

Der Aufbau verlief unspektakulär. Die Fronten kamen fertig gefräst von Udo. Die restlichen Rechtecke aus dem Baumarkt.  Leim auftragen, Teile an der richtigen Stelle zusammenstellen, fertig.

Lustig war der Aufbau trotzdem, denn ich hatte immer wieder Unterstützung von unserem Junior.

Ich musste schon sehr früh einsehen, dass meine begrenzte Zeit und fehlende Geduld kein perfektes Finish der Gehäuse erlauben. Zum Glück hab ich mich ans Pareto-Prinzip erinnert und darauf besonnen, eine dichte und halbwegs ansehnliche Kiste zur Klangwiedergabe zu bauen. Das musste reichen bis ich irgendwann Zeit und Muße finde, die perfekten Gehäuse zu erschaffen.

Als es ans Schleifen ging, gab Schleifer Nr. 1 nach kurzer Zeit auf. Ersatz wurde im Baumarkt um die Ecke beschafft. Ein höhenwertiges Modell aus dem Angebot hielt bis zum Ende durch. Glücklicherweise lag ein langer Absaugschlauch bei, denn geschliffen wurde im Keller. Der betagte Staubsauger gab sein Bestes. Doch konnte auch er eine feine Staubschicht auf Allem nicht verhindern.

Für das Finish war Weiß Hochglanz geplant. Am liebsten so, dass man sich drin spiegeln kann und die Kisten weniger wuchtig wirken. Da ich schon viele Berichte gelesen hatte, war mir klar, dass das ohne Lackierer nichts wird. Versuchen wollte ich es dennoch und was soll ich sagen, es hat nicht geklappt. Am Ende wollte ich sie einfach nur noch in der Wohnung haben und Musik hören. Nun stehen sie als funktionierende Provisorien an ihrem Platz und irgendwann will ich ja sowieso mal noch richtig schöne Gehäuse bauen…

Mehr Mühe hab ich mir bei den Kabeln und Anschlüssen gegeben. Den groben Plastik-Terminals konnte ich noch nie etwas abgewinnen. Funktionalität hin oder her, ich finde sie hässlich. Also hab ich mir Neutrik Terminal als Bi-Amping Ausführung geholt. Dann Kabel geflochten und am Ende noch gesleevt. Mit dem Ergebnis bin ich sehr zufrieden. Nicht bedacht hatte ich allerdings, dass es so komplizierter wird, wenn man die MiDus mal ohne Bi-Amping oder mit mehr Abstand zum Verstärker betreiben will. Beim nächsten Mal würde ich wohl den Boden aufdoppeln und die Anschlüsse als normale Bananas hinter einer Blende ausführen.

Als dann endlich alles verleimt, verlötet und verschraubt war, hab ich die Teile ins heimische Wohnzimmer geschleppt und mich aufs erste Probehören gefreut.

Und was soll ich sagen, ich wurde nicht enttäuscht. Das Anzupfen der Saiten bei Honey Bee war genauso zu spüren wie damals bei Udo und Fiddler on the Green hat mir Gänsehaut beschert. Seven Nation Army oder Heavy Cross von Gossip rocken mächtig. Und es geht verdammt laut, ohne das es nervt. Ach ja, Filme ohne Center können sie auch. Sogar die Couch wackelt schön mit, wenn auf dem Bildschirm was explodiert…

3 Epilog

Wer bis hier hin gelesen hat, weiß natürlich, dass es für das Selbstbau-Virus weder Impfung noch Heilung gibt. Und irgendwie bin auch ich noch nicht am Ende. Da wäre noch die Sache mit dem Sound bei Motörhead, den schöneren Gehäusen, der Aktivierung und die Frage, ob es nicht auch noch eine Nummer größer ginge. Doch der Reihe nach.

Manchmal hab ich das Gefühl, dass mit den Lautsprechern irgendetwas noch nicht stimmt. Dann wünsch ich mir, dass es noch lauter ginge, aber der Verstärker ist schon auf Anschlag. Dabei sollte der Marantz SR6012 eigentlich potent genug sein. Und auch etwas mehr Bass wäre mir manchmal recht. Besonders wenn ich Motörhead höre. Auf den Konzerten wurde immer das Zwerchfell massiert und man musste im Takt der Bassdrum atmen. Wenn ich dann aber Filme schaue, wackelt ja die Couch. Technisch gesehen mangelt es also nicht an Bass-Potential. Hab ich vielleicht nur die falschen Aufnahmen/Master? Sachdienliche Hinweise zur besten Motörhead-Live-Aufnahme sind herzliche willkommen. Vielleicht muss ich aber auch einsehen, dass sich Motörhead-Live-Erfahrungen nicht in Konserve pressen lassen.

Sobald mich die Muße packt, sollen die Etons noch in eine schönere Behausung umziehen. Inspiration gibt es hier ja mehr als genug. Ich möchte gerne Holz, Alcantara und Metall kombinieren. In die Rückseite muss ein LED Streifen für indirekte Beleuchtung. Und dann frage ich mich, ob nicht eine Aktivierung meiner MiDus sinnvoll wäre. Den Surround-Verstärker brauche ich für Stereo nicht. Xbox und Apple TV hängen direkt am TV und der kann den Ton auch in Stereo ausgeben. Fehlt nur noch irgendwo Bluetooth/Airplay für die mobile Zuspielung in der Kette.

Und wenn ich dann Musik auf meinen MiDus genieße und die Gedanken abschweifen, dann schwindet der Verstand und das Virus breitet sich aus. Es träumt dann von Granduettas.

3 PS

Zwischen dem Verfassen des Bauberichts und diesen Zeilen ist nun schon wieder einige Zeit ins Land gegangen. Das Selbstbau-Virus hat sich genauso schnell verbreitet wie so manch anderer Erreger. Und so wurden kurzerhand zwei Hypex-Module in Bochum geordert. Die lagen dann mangels Zeit ein paar Wochen im Keller. Danach ging alles ganz schnell. Aus MDF-Resten wurden zwei Behelfsgehäuse gezimmert und bemalt.

Neben dem Einbau der Module in ihr neues Zuhause wurden auch noch schnell ein paar Kabel konfektioniert.

In einer Nacht- und Nebelaktion erfolgte dann der Umbau. Mit Blut, Schweiß und Tränen versuchte ich die analogen Weichen aus den Gehäusen zu bekommen. Das ist mir teils fiesen Schnittwunden auch gelungen. Nur bei einer musste ich mich dem Heißkleber geschlagen geben.

Anschließend musste der Kabelsalat neu geordnet werden.

Das Apple TV und Verteilersteckdose verschwanden hinterm TV und von dort kommen die Signale jetzt optisch zum Hypex-Master. Die Hypex-Gehäuse wurden mit Heisskleber an die Midus geflanscht.

Danach schnell alle Kabel verbinden und Windows in einer virtuellen Maschine laden.

Ein paar Einstellungen in den Modulen anpassen, neueste Firmware drauf und schon konnten die digital gefilterten Klänge ertönen.

Ich bin mir sehr wohl bewusst, dass mein Gehör nicht das Beste ist und man sich viele Dinge auch gerne einbildet. Dennoch, der Wechsel von passiv auf aktiv ist eine echte Offenbarung. Die Bühne steht, der Klang losgelöst von den weißen Kästen mitten im Raum, glasklare Höhne und kontrollierter Bass. Hätte ich den Umbau nur schon früher gewagt. Die üblichen Titel zum Testen liefen rauf und runter und es war (ist) eine Freude.

Im Keller hab ich auch noch die Stage Fright Live-DVD wiedergefunden und das Mikkey Dee Schlagzeugsolo laufen lassen. Der Nachbar war (in seiner Wohnung) beeindruckt und ich dem Live-Erlebnis so nah wie schon lange nicht mehr.

Jetzt muss das Sparschwein wieder etwas gefüttert werden und dann gehe ich die letzten Schritte des Stairway zum Musik-Olymp – Granduetta, wir hören uns.

Martin

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Hallo Martin,
schöner Werdegang und durchaus nachvollziehbar. Vom hohen (GD)-Ross herunter kann ich sagen, der Weg lohnt sich. Deine Musterstücke werde ich die Tage auch mal anhören. Viel Spaß noch mit deinen Trümmern.

Grüße Enrico

Sehr schön geschriebener Bericht, mal wieder eine gute Inspiration den eigenen endlich fertig zu stellen 😅
floss noch viel Wasser die Pegnitz runter
Der regionale Sprachgebrauch hats mir besonders angetan 😁
Die MiDu wäre rein optisch auch so mein Traumlautsprecher, ich steh auf klassisch weiß.

Grüße derFlo