19. August 2018

Mal was anderes – Sickenreparatur

Autor: Yoga

Es gibt so viele interessante Fachbeiträge unterschiedlicher Teilnehmer, da kann ich manchmal nur mit den Ohren wackeln. Verstehen tu ich da nur Bahnhof, insbesondere wenn es um Elektronik geht. Bei meinem letzten Projekt stellte sich mir ein Thema, welches ich mal in die Runde werfen möchte.

Vor ein paar Wochen hat sich ein Sangeskollege mit mir in Verbindung gesetzt und sagte:

„Jochen, Du baust doch Lautsprecher?“
Ich: „Ja“
Er: „Kannst Du Dir mal meine anschauen, der Bass funktioniert nicht“
Ich: „OK“

Jetzt stellt Euch vor, Ihr habt vor vielen Jahren einen Lautsprecher gekauft und seid total glücklich mit diesem. Durch Sonneneinstrahlung haben sich aber im Laufe der Jahre die Lautsprechersicken verabschiedet und das Resultat sieht so aus:

Was tun? Entsorgen? – NEIN, bei mir hat sich auch der Ehrgeiz geregt. Bekomm ich das hin? Hab mir die Kisten angeschaut und musste feststellen, der Entwickler hat die Chassis von hinten an die Front geschraubt. Da man nicht an die Schrauben ran kam, blieb nur aufsägen und Chassis rausholen. Also hab ich mir ein komplettes Projekt an Land gezogen. Mit Neubau!

Ich wusste nicht, ob das Ding überhaupt noch spielt, war schließlich 40 Jahre alt. Also die Überbleibsel an einen Verstärker und Lala dran. Die Hörner taten es noch, der Bass aus bekannten Gründen nicht. Also muss man aktiv werden.

Ich habe im Internet nach Sickenlieferanten gesucht und einen gefunden, der mir passende Schaumstoffsicken zuschicken konnte. Auf was ist zu achten? Ihr müsst das Basschassis ausmessen und festlegen, welche Größe der Sicken passen könnte.

Ich hatte mir 305 mm und 258 mm Sicken kommen lassen. Warum zwei unterschiedliche? Der Entwickler hat zwei unterschiedliche Basschassis eingebaut. Muss man das verstehen?

Gleichzeitig habe ich bei Youtube ein paar Videos angeschaut, wie man Lautsprechersicken tauscht. Wichtig dabei ist, alles schön fettfrei und sauber machen. Also ran an die Buletten.

Ein schönes scharfes Cuttermesser und los geht’s. Anfangs noch etwas zögerlich, habe ich bald Routine entwickelt und es ging gut von der Hand. Das Ergebnis kann sich sehen lassen. Vorher – nachher Vergleich.

Die Ränder des Klebers habe ich dann noch mit Isopropanol fettfrei und sauber gemacht.

Jetzt ging es ans kleben. Was zuerst? Ich habe mir Gedanken gemacht und bin zu dem Schluss gekommen, zuerst die Sicke an den Korb, dann die Sicke an die Membran. Gesagt, getan. Wie bekommt man einen gleichmäßigen Druck auf die Oberflächen? Ich habe mir kleine Holzleisten ausgesägt und mit Klammern befestigt. Funktioniert astrein.

Nachdem dies erledigt war, habe ich mir Gedanken gemacht, wie ich die Sicke an die Membran geklebt bekomme, ohne dass die Membran im Luftspalt kratzt. Dazu ein paar Übungen gemacht und entschlossen die Membran mit Kleber zu versehen. dann ein passendes Gegenstück – bei mir war es ein Topfdeckel und im anderen Fall ein Teller – von oben auf die Sicke und das Ganze umgedreht auf den Tisch legen. Durch den Gegendruck wird die Sicke gegen die Membran gedrückt und die Membran wird gleichmäßig mit der Sicke verklebt.

Danach kam der Funktionstest. Was glaubt Ihr, mit welcher Musik: Genau: Andre lässt grüßen: “Hey now” von London Grammer. Was soll ich sagen, ich bin erfreut, die Bässe geben Töne von sich und das Endergebnis lässt sich sehen.

Ach ja einen Rahmen hab ich auch noch gebastelt und mit Bespannstoff überzogen.

Mit Neodym Magnete habe ich die Befestigung bewerkstelligt. Dazu 6 Stück in die Front und die passenden Gegenstücke im Rahmen eingelassen. Um festzustellen, ob das funktioniert, habe ich im Vorfeld die Magnete mit Furnier und 2 lagigem Bespannstoff abgedeckt und ein Magnet darüber gelegt. Passt!


Mein Sangeskollege hat die Teile am Samstag zurück bekommen. Projekt beendet. Vielleicht kommt ja im Urlaub auch noch ein neues Projekt. Chorus 52 ACL hat mich immer noch in seinen Fängen.

Liebe Grüße aus dem Auenland
Yoga

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Hallo, schön sind Sie geworden! Viel besser als vorher!

Mir hat mal ein alter audio Fuchs erklärt, dass es am leichtesten ist wenn man auch die mittlere Kappe ablöst, dann ist das mit dem zentrieren recht einfach. Einfach aus Papier Ringe basteln und reinstecken. Dann lässt sich die Sicke auch vorher an die Membran kleben und das zentrieren ist ein Kinderspiel.

Kleber hab ich bei meinen Reparaturen immer von Pattex genommen. Ich hatte aber auch eine Kunststoff Membran.

lg
Markus

Ich wollte damit in keinster Weise Kritik üben (ich schaff das nämlich immer wieder, dass ich so verstanden werde 🙁 ) viel mehr wollte ich wie du geschrieben hast Information weiter geben!

Viele Grüße

Etwas, das den Abstand im Luftspalt konstant hält, reinzufummeln, macht Sinn. Aber wäre das nicht zuviel des Guten, auch noch die Kappe in der Mitte (die meinst Du doch, oder?) abzulösen?

Hallo, natürlich ist es mehr Aufwand, und eventuell bei manchen Fabrikaten garnicht möglich. Ich habe aber bis jetzt (bis jetzt aber nur 1x normale Lautsprecher, ansonsten nur Subwoofer) immer die Erfahrung gemacht, dass die Kappe meist schon locker bzw sehr leicht zu entfernen war. Als Werkzeug eignet sich da ein Skalpell das vorne gebogen ist bzw wird 🙂

Ob es wirklich nötig kann ich nicht beantworten, da es ja anhand des Beitrags auch anders möglich.

Cheers

Guten Abend,

müsste ich selbst mal so etwas machen, fände ich die Möglichkeit, die Staubschutzkappe zu entfernen um die Schwingspule mit Füllmaterial am Polkern auszurichten, nicht verkehrt. Meine größte Sorge wäre in der Tat, beim Kleben der Sicke die Membran leicht zu verspannen, was dann in unsauberem Schwingungsverhalten, im schlimmsten Fall einer kratzenden Schwingspule resultiert….

Aber ich kenne ja jetzt jemanden, der das schon kann *zwinker*

Gruß,
-Spyrky

Sickendoktor Yoga in den OP! 🙂

Sehr schön geworden, die halten jetzt ein weiteres Lautsprecherleben.
Und es zeigt, man muss nicht alles wegwerfen, nur weil es kaputt gegangen ist,
manchmal lohnt auch ein Reparaturversuch.
Wie MartinK schreibt: Kaputter wird es ja nicht davon 😉

Gelungen ist auch die Abdeckung, diese Boxen wurden offenbar mal irgendwann mit dem Gedanken Pegel entwickelt, die Schönheit der Basschassis war da zweitrangig 😀

Eine Frage noch dazu: Welchen Kleber hat Du genutzt? Müsste ja etwas sein, das gut haftet, aber die neuen Sicken nicht gleich wieder auffrisst…

Gruß,
-Sparky

Feine Arbeit Yoga. Respekt, sind wirklich wieder schön geworden und dein Freund wird es Dir wohl für immer danken. Schöner Beitrag, ach watt sach ich, klasse!

Hallo, Yoga. Das scheint mir so ein Projekt zu sein, bei dem man sich sagt : kaputt und unbrauchbar ist es ja schon. Mit einem Reparaturversuch wird es kaum kaputter werden. Ich liebe solche Projekte. Immer spannend und oft erfolgreich. Gruß Martin

Hallo Yoga,

Chapeau!
Das ist eine ganz saubere Restauration. Viel Arbeit, sehr hoher Zeitaufwand. Kommerziell wäre so etwas nicht bezahlbar, da würde jeder zu einer Neuanschaffung raten. Das solch ein Bericht hier veröffentlicht wird ist ja an anderen Stellen auch nicht alltäglich.
Da hat der Sangeskollege richtig Glück gehabt.
Jaja, die ACL’s sind wohl momentan ein Dauerbrenner geworden. (ganz leise fragend ‘ob die Linie 41 dafür auch geeignet wäre’)
Es grüßt freundlich
Rundmacher

Moin Yoga, alter Restaurator.
Respekt, Respekt.
Toll geworden.
Und die 52Acl im Hinterkopf zu haben find auch gut
Da gibts Unterstützung 💪🏻
Gruß aus Meenz
Rodscher

Hallo Yoga
schöner Bericht. Da sieht man mal wieder das man doch nicht gleich alles wegwerfen muss.
Mit etwas Arbeit und Geduld lassen sich alte Schätze wieder in neuem Glanz erwecken.

Daumen hoch.
Gruß Michael

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