Seit heute weiß ich es ganz genau, wie schnell ein Rentnerjahr vergeht und wie gut die daraus resultierende Ruhe tut. Nun gut, es stimmt nicht so ganz, es war sogar recht turbulent in den vergangenen zwölf Monaten. Ich hab mich keine Minute davon dem Sitzen im Park hingegeben, wo man leidenschaftlich stundenlang anderen Rentnern beim Schachspielen zusieht. Langeweile konnte nicht entstehen, ein paar Bausätze steckten noch in meinem Kopf. Fast das gesamte Programm wurde erneuert, nur wenig Altes überstand den Wechsel zu diesem Magazin. Bei ein paar Highlights tat es mir leid und so suchte ich nach alternativen Quellen, aus denen ich die dafür nötigen Chassis schöpfen konnte. Eins der wichtigsten war der Dayton RS 100-4, mit dem ich die nicht nur bei Einsteigern beliebten Needle, Klangriesen und RS 100 PC entworfen hatte. Er ist wieder da, zur Feier des Tages kram ich daher die leicht überarbeiteten, alten Bauberichte wieder aus. Sie sind wieder aktuell und mancher Leser hat sie hier durchaus vermisst. Den Anfang macht die Needle, die den großen Erfolg des kleinen Breitbänders vor fast zehn Jahren einleitete.
Man kann es gar nicht laut genug sagen: Da hat Berndt, genannt “Cyburgs”, sich etwas ganz Besonderes ausgedacht. Seine Kreationen mit Namen “Needle” sind in der Selbstbauwelt längst Synonym für das Kunststück geworden, aus kleinen Breitbändern Großes herauszuholen. Da die Box nicht für ein bestimmtes Chassis mit eng vorgegebenen Parametern entwickelt wurde, kam sie mir sofort in den Sinn, als ich im Chassistest die kleinen Breitbänder von Dayton gemessen hatte. Ob denn auch sie darin wohl hinreichend gut funktionieren?
Bestückung
Stabiler Druckgusskorb mit sechs Schraublöchern und schmalen Stegen, Hinterlüftungen und Phase Plug aus dem Vollen gedreht sind das gemeinsam Merkmal des achtohmigen RS 100 S-8 und seines vierohmigen Pendants RS 100-4 ohne Schirm. Die Alumembran ist gegen auffällige Resonanzpeaks in der oberen Frequenzetage mit einer glänzenden, schwarzen Beschichtung versehen, die Gummisicke lässt einen großen Hub zu. Von den beiden RS 100 wählte ich die 4-Ohm-Ausgabe, da sie bei gleicher Verstärkerleistung den um drei dB höheren Wirkungsgrad hat.
Datenblatt
RS 100-4
Ausstattung:
Membran: | Aluminium, beschichtet | Luftspalthöhe: | 4 mm |
Sicke: | Gummi | Linearer Hub: | 4 mm |
Korb: | Druckguss | Magnetdurchmesser: | 70 mm |
Polkernbohrung: | ja | Befestigungsbohrungen: | 6 |
Zentrierung: | hochgelegte Topfspinne | Außendurchmesser: | 98 mm |
magnetische Schirmung: | nein | Einbauöffnung: | 78 mm |
Schwingspule: | 26 mm |
Frästiefe: | 3 mm |
Träger: | Aluminium | Einbautiefe: | 51 mm |
Parameter:
Fs | 74,3 | Hz | Mms | 3,9 | Gramm |
Diameter | 70 | mm | BL | 2,94 | Tm |
ZMax | 13,1 | Ohm | VAS | 2,43 | Liter |
Re | 3 | Ohm | dBSPL | 84 | dB/1w/1m |
Rms | 0,85 | kg/s | L1kHz | 0,08 | mH |
Qms | 2,14 | L10kHz | 0,06 | mH | |
Qes | 0,63 | SD | 38 | cm² | |
Qts | 0,49 | MMD | 3,76 | Gramm | |
Cms | 1,18 | mm/N | Zmin | 3,3 | Ohm |
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Gehäuse
Wer sich einfach am geistigen Eigentum anderer im Netz vergreift, kann sich sehr schnell eine berechtigte Klage des Rechteinhabers einhandeln. Obwohl ich mir sicher sein konnte, dass mir von Berndt eine solche nicht ins Haus flattern würde, fragte ich selbstverständlich bei ihm an, ob ich seinen Needle-Bauplan für mein Dayton-Projekt nutzen darf. “Sehr gern” war seine Antwort. Wir kennen uns seit Jahren, so war ich nicht wirklich überrascht.
Seine Bauanleitung steht im Hifi-Forum als rudimentäre Zeichnung zur Verfügung und dort bediente ich mich auch.
Aus wettbewerbsrechtlichen Gründen habe ich die Hinweise auf Fremdprodukte aus dem Text entfernt.
Die Gehäuseart nennt sich TQWT, was ausgeschrieben Tapered Quarter Wave Tube heißt. Eine gewisse Ähnlichkeit des Aufbaus mit Transmissionlines ist nicht zu leugnen, in ihre Berechnung fließen nahezu die gleichen Faktoren ein, wenn auch in anderer Weise. Generell ist die TQWT eine sich öffnende Schallführung, deren geschlossenes Ende einen Querschnitt nahe der Membranfläche aufweist. Zum offenen Ende vergrößert sich der Querschnitt um den Faktor zwei bis drei. Die Kanallänge entspricht einem Viertel der Wellenlänge der gewünschten Resonanzfrequenz der TQWT. Anders als bei TL’s endet der Kanal in einem Auslass, der etwa die halbe Fläche der Membran hat. Die Laufleitung kann als hohe Säule oder mit Abknick in der Mitte aufgebaut werden. Das Chassis sitzt zwischen einem Drittel und der Hälfte der Linelänge vom geschlossenen Ende entfernt. Die Konstruktion der TQWT geht auf ein Design des Lowther-Erfinders Paul Voigt aus dem Jahre 1934 zurück, das als Voigt-Pipe in die Geschichte des Lautsprecherbaus einging.
Bauplan
Needle als Sketchup-Datei
Weiche
Über die Weiche eines Breitbänders zu berichten, ist keine abendfüllende Veranstaltung, Sie besteht in der Regel aus drei Bauteilen, die parallel geschaltet in den Signalweg gelegt werden. Ihre Funktion beschränkt sich darauf, den Pegelanstieg durch Reflexionen auf der Schallwand mittels kontrollierter Erhöhung des Widerstandes zu begradigen. Auch der RS 100-4 bedurfte einer solchen Korrektur, da sein Frequenzgang ab 400 bis 5000 Hz eine langgetreckte Beule zeigt. Hier galt es moderat einzugreifen und besonders den Bereich um 3 kHz in die Absenkung mit einzubeziehen. In dieser Region ist das Ohr empfindlich gegen jede Überhöhung, die es als nervig und lästig wahrnimmt. Die Spitze bei 18 kHz hätte ich auch noch bearbeiten können, da sie aber nicht einmal im Klirrschrieb Niederschlag findet und unter kleinem Winkel verschwunden ist, sparte ich mir die Bauteile.
Klang
Auf den Geschmack gekommen, machte ich gleich weiter mit der Versuchung meiner Kunden. Dabei nahm ich bewusst und mit voller Absicht nicht den Vorteil in Anspruch, dass man kleinen Boxen nicht viel zutraut und dann vom Ergebnis geblendet ist. Meine Besucher waren überzeugt, große Boxen zu hören und waren keineswegs geneigt, irgendeinen Bassmangel zu bemängeln. Natürlich hielt ich dabei den Pegel soweit im Zaum, dass der kleine Breitbänder nicht anschlug, doch mit vier Millimeter Hub ist schon eine ordentlich mehr als gehobene Zimmerlautstärke möglich. Stimmen, Raum und Ortbarkeit, die Darstellung leiser Töne selbst bei großem Orchestereinsatz faszinierten alle Zuhörer gleichermaßen. Am Ende hat dann Charly, ohne vorher seinen Vater zu fragen, gesagt: “Unverschämt, wie groß das Ding aufspielt!”
Dieses große Kompliment kann ich natürlich nicht auf mir sitzen lassen, von mir kam nur der geringste Teil des Erfolgs der Boxen. Berndt “Cyburgs” hat ein grandioses Gehäuse ausgerechnet, ohne das die gute Entwicklungsarbeit der Chassis-Entwickler von Dayton nur zu einem Regallautsprecher herkömmlicher Art gereicht hätte. Verkümmert wäre er in einer kleinen Kiste, die wieder einmal als das Ende der Brüllwürfel gefeiert worden wäre. Zusammen ergab das Aufeinandertreffen glücklicher Umstände eine schier unglaubliche Box für kleines Geld. Sicher darf sie als “Dosenöffner” für größere Projekte auch gern im Wohnzimmer heimisch werden, frag doch mal deine Frau.
Udo Wohlgemuth
Zur Needle im Online-Shop
Hallo Udo,
was muss ich am Gehäuse ändern, wenn die innere Breite nur 10cm betragen kann? Habe platzprobleme..
Danke und Grüße
Johannes
Das war vielleicht etwas zu wortkarg.. Ich habe Platzprobleme im Homeoffice und maximal 13cm in der Breite zur Verfügung.
Damit die dünneren Seitenwände nicht anfangen zu Schwingen würde ich kleine Versteifungen im Kanal verbauen. Aber ich mag nicht unter 15mm Seitenwandstärke gehen, also bleiben nur 10cm für den Kanal innen.
Kann sein, dass es total vertheoretisiert ist, aber ich hätte so gerne wieder Musik im Homeoffice und die kleine RS100 BR ist inzwischen in einer umgewandelten Soundbar und die anderen Lautsprecher, die ich von Dir habe sind alle zu groß..
Grüße
Johannes
Hallo Johannes,
wenn du die Front aufsetzt, reichen auch 10 cm Innenbreite. Bei eingesetzter Front wär nach der Fräsung seitlich neben dem RS100-4 nicht genug „Fleisch“.
Gruß Udo
Super Sache! Dann fange ich mal an mein Holzlager zu durchkämmen 🙂
Man sieht sich bei dir im Onlineshop 🙂
Heute, endlich die Needle nach gebaut, Unglaubich wie gut die kleine und preisgunstige rs-100 sind.
Hallo Udo,
auch ich habe immer noch grosse Freude an der Needle. Habe mittlerweile auch Fertiglautsprecher und Aktiv Monitore hier stehen aber die Needle verteidigt ihren Platz hier tapfer. Habe auch schon verschiedene Verstärker daran gehabt, mit dem
Dynavox esa 18 gefallen sie mir am besten.
Gruß Tom
Hallo Udo,
was, schon wieder ein Jahr rum!? Nochmals Respekt vor deiner Leistung im letzten Jahr!!! Viele neue Bausätze, Internetseite, Monacor hinzugenommen, …
Grüße Achim
Hallo Achim,
die Alternative wär das Rentnerleben gewesen, das wär mir aber zu langleilig 😉
Gruß Udo
Supi, dann kann ich ja endlich bald wieder ein Paar RS100PC über dich beziehen 🙂
Guten Abend Udo,
was lesen meine von Dir verwöhnten Augen?????????
Eine Minuetta!!!
Schön, dass es diesen außerordentlich guten Lautsprecher bald wieder gibt.
Eine gute Entscheidung.
In baldiger Erwartung den Bericht bald lesen zu können
Yoga
Udo, freudscher verschreiber/verkopierer ? 🙂
Hallo Steve,
hab den Text noch einmal gelesen und jetzt versteh ich auch die Freude von Joga. Geschrieben wurde er vor fast zehn Jahren und damals hatte ich tatsächlich der Minuetta aus Not gerade eine neue Weiche verpasst. Den BlueNote-Bass konnte der Vertrieb nicht liefern und ich brauchte Ersatz für den Bausatz. So lebte kurzzeitig die Minuetta wieder auf und anschließend hatte ich zwei Bausätze, die sich klanglich kaum unterschieden.
Gruß Udo
Moin moin,
Miniduetta –> Minuetta, oder vielleicht doch Micruetta könnt ja auch der Spitzname der Needle werden wo der Name wieder frei ist, ist sie doch oft genug die Einstiegsdroge die dann über mehr oder weniger Zwischenschritte irgendwann zur Duetta wird.
Und, ich erinner mich immer noch an die Hörsession bei der sich ein begeisterter Hörer auf dem Sofa niederlässt, völlig geflasht ob der Bühnendarstellung meint er gleich: „ich brauch auch ne Duetta“
Ich hatte dann ganz dezent darauf hingewiesen, dass gerade die Needles liefen….
Gut gut, es war Stimme mit Gitarre, braucht keinen Subbass, aber die Kleine wird immer wieder unterschätzt.
Needle, welcome back!
Matthias
Hallo Yoga,
zuerst das Wichtige: Der Rat für deutsche Rechtschreibung hat soeben beschlossen, dass Yoga nur noch mit „J“ geschrieben werden darf. Wird es in Diktaten mit „Y“ geschrieben, muss das als Fehler bewertet werden. (Quelle: http://www.rechtschreibrat.com/regeln-und-woerterverzeichnis/)
Die Minuetta-Nachfolge trat schon vor einiger Zeit die Linie 53 an. Sie hat zwar das größere Gehäuse der BlueNote übernommen, aber nur wegen 25 Liter weniger erfinde ich keine neue Box 😉
Gruß Udo
Hallo Udo,
nichts für ungut, da Yoga mein nickname ist, kann mich die deutsche Rechtschreibung aber so was von……
Da die 53 als Nachfolger der BlueNote vorgestellt wurde, dachte ich Du hast Deiner Fantasie (kommt vom Getränk: Fanta) freien Lauf gelassen. Der Grund warum das jetzt nicht der Fall ist, sind 25 L.
Yoga (der nicht von der deutschen Rechtschreibung tangierte)
Hallo Yoga,
naja, die 25 Liter sind nur der eine Grund, der andere heißt 8-212/C8 Hex. Er ist dem 8-412 recht ähnlich, hat etwas weniger Hub und kostet dafür mehr. Der 412 könnte aber mit längerem Reflexrohr auch in 40 Liter gepackt werden (siehe Linie 54), schon hätten wir die Minuetta wieder am Start 🙂
Gruß Udo
Hallo Udo,
das ist das schöne an Dir.
Man bekommt immer eine fundierte Antwort.
Zu jeder Tages- und Nachtzeit.
Gute Nacht.
Ich hör jetzt mit meiner Minuetta weiter Musik.
Yoga
Hallo Udo.
Angeregt durch diesen Bericht hab‘ ich gerade die Needles im Schlafzimmer angeschmissen.
Die Klangbeschreibung kann ich nur bestätigen.
Schön dass der Klassiker wieder kommt. Im Büro höre ich die Bluestone Twins.
Betrachtet man den Größenunterschied, sind sie genau so gut.
Gruß Martin
Hallo Martin,
stimmt schon, die Bluestone Twins hatten auch ihren Reiz. Aber die Needle war weitaus beliebter, weil bekannter. Deshalb haben wir sie auch wieder ins Sortiment genommen.
Gruß Udo
Das war auf jeden Fall eine gute Entscheidung!
Gruß Martin