21. Juni 2020

Aktiv goes on – Linie 43, 71, 74, Granduetta und bumms

Autor: Udo Wohlgemuth

Die Zeiten bringen es mit sich, wir haben viel Zeit. Also machten wir ein paar Wochen Urlaub auf den Malediven, genossen das Leben und hatten auch sonst unsere Freude weitab vom gewohnten Zwang des Alltags. Es war herrlich, geradezu eine Simulation des zukünftigen Rentnerlebens, das schon vier Jahre auf mich wartet. “Wach auf!” rief meine Frau mitfühlend, “und schwätz nicht von Dingen, die du eh nicht machst!”

Also trottete ich weiterhin täglich die Treppe hinunter, um mich in Werkstatt, Messraum und Laden mit all den Dingen zu beschäftigen, die ich doch so gern tu: Basteln, entwickeln, krämern, Kundenwünsche erfüllen. Letztere drehten sich in der Mehrzahl um die Aktivierungen schon bestehender Bauvorschläge. Also krempelte ich die Ärmel hoch und machte mich an die Arbeit.

Erst einmal machte ich mir ein paar Gedanken um die Unterbringung der Fusion Amps in schon fertigen Boxen. Meine Lösung heißt externes Gehäuse, das hinten auf die Rückwand gesetzt wird. Für den Chassisanschluss werden darunter Löcher gebohrt, die nach Kabeldurchzug mit Heißkleber wieder verschlossen werden.  So ragt das Modul kaum weiter aus der Rückwand heraus als ein Paar Polklemmen.

ChorusSub 11 BRFA und SB29Sub BRFA

Für die ersten Fingerübungen klebte ich mir aus 22 mm MDF eine 75 Liter Reflex-Behausung mit ungekürztem HP 100 für den Chorus11Sub zusammen. Die Chassis-Fräsung machte ich gleich etwas größer, so passt auch der SB 29 NRX75-6 nicht nur in das Volumen, sondern auch in die Öffnung.

Mit Sketchup malten wir uns die Baupläne, hier und hier können sie herunter geladen werden. Für einen schnellen Blick gibt es auch die Zeichnungen.

Das Gehäuse wurde locker mit Dämmstoff gefüllt, bevor ich als erstes Chassis den Eton 11-612 eingeschraubt habe. Das FA 251 wurde mit Hypex Filter Design in Gang gesetzt und der “nackte” Frequenzgang mit Clio pocket gemessen.

Die drei Presets mit Trennung bei 80/ 70 und 60 Hz waren recht schnell erstellt.

Das Procedere wiederholte ich nun mit dem SB 29 NRX75-6.

Entäuschen muss ich an dieser Stelle alle Leser, die einen Klangvergleich der beiden Subwoofer erwarten. Beide bewegen tieffrequent genug Luft, um beim Film die Möbel zittern zu lassen. Doch auch leise Töne bleiben nicht ungehört in der Membranmasse stecken. Um sortenrein zu bleiben, empfehle ich Eton für Eton und SB für SB. Dass es klanglich zwingend nötig ist, will ich nicht behaupten.

Linie 71 aktiv

Um eine Alternative zur Duetta Topaktiv anzubieten, bietet sich ganz von selbst die Linie 71 an. Auch sie braucht das Hypex FA 122 als Zweikanal-Antrieb.

Mit ihrem 17er aus der Symphony2-Reihe und dem Keramik-Hochtöner 26 HD 3 steht sie auch passiv in natürlicher Konkurrenz zur Top. Etwas frischer vom Charakter ist sie besonders bei den Hörern von knackigem Rock beliebt und diese Spielweise darf sie aktiv nicht verlieren.  Vorweg der Sketchup-Plan und die Zeichnung.


Nach Einladen der ChassisinBox-Messungen begann ich mit der Filterung des Basses. Zum Hochpass 4. Ordnung und 12 dB-Tiefpass gesellten sich drei Boostcuts, die kleine Unregelmäßigkeiten glätteten. Der Hochtöner begnügte sich mit einem Hochpass 2. Ordnung und einem Boostcut.

Das Ergebnis sah dann in den üblichen Diagrammen so aus:

Die üblichen Presets sind linear, Hochton abgesenkt und Bass betont.

Für die Klangbeschreibung zitiere ich einfach zwei Sätze aus dem Linie 71-Bericht: Alles erklang aus einem Guss, kein “Hör mal, der Bass! Die Mitten! Der Hochton!” Statt dessen Instrumente und Gesang. Gut, bei Bassdrum bebte nicht das Sofa, aber vor uns stand auch nur eine kleine Kompaktbox frei auf einem Ständer in 42 m².

Linie 74 aktiv

Halten wir uns nicht auf, weiter geht es im Galopp. Die Little Princess-Nachfolgerin beraubten wir ihrer Weiche, legten drei Kabelpaare nach draußen und schon konnten wir das FA 123 anschließen. “Leere” Weiche geladen, Messungen “ChassisinBox” retour und die drei Wege-Weiche konzipiert. Wir haben nicht alle Hügel und Täler platt gemacht, einen Charakter muss auch eine Lautsprecherbox haben. Mit dieser Vorgabe arbeiten wir auch aktiv, selbst wenn es mit 15 Biquods ein Leichtes wäre, völlig gerade Linien zu generieren.


Auch für die Linie 74 aktiv liefern wir drei Preset mit den üblichen Einstellungen.

Um das Ganze vollständig zu machen, fehlt noch die Sketchup-Datei und die Zeichnung.

Der Klangeindruck? Klingt wie Linie 74, nur durch das Fehlen der passiven Bauteile noch etwas präziser.  Die Bühne rückt insgesamt etwas mehr nach vorn, die Verstärker gefallen mir sehr in Auflösung, Dynamik und Tonalität.

Linie 43 aktiv

Ein weiterer Lautsprecher mit Keramik-Kalotte steht im Laden herum, die Linie 43.  Bei ihrer Vorstellung im Magazin war sie zweiteilig aufgebaut, mittlerweile haben wir sie auch in einteilig gemalt. So steht sie mittlerweile häufiger in Wohnzimmern.

Wieder wurden die Innereien bis auf Dämmstoff und Kabel ausgeräumt, das FA 123 auf Anfang gestellt und die Zweige per DSP in Form gebracht.


Auch hier gebe ich mich spärlich bei der Klangbeschreibung. Charakter erhalten, detailliert, aber nicht vorlaut. Spielt jede Musik richtig, hat keine Vorlieben zum Nachteil anderer Genres, aber rockt besonders mit Preset 3 richtig ab.

Granduetta aktiv

Neben der MiDu, von der wir nur die erste Version aktiviert haben, fehlt aus der Duetta-Reihe natürlich noch die Granduetta. Doch da gab es ein paar Probleme zu lösen, die mehr Zeit brauchten. Zum einen hatten wir nur eine Handzeichnung des Flaggschiffs, die Werner vor vielen Jahren aufgemalt hatte. Sein Oberteil war der Form gehorchend größer als nötig. Erst Schülzken brachte die Oberqueen in die heutigen Ausmaße, hatte aber auch keine Zeichnung. Von da an wurde die Grandame häufig gebaut, aber jede war anders. Mal waren beide Bässe unten, ein anderes Mal wurde Doppel-D’Appolito aufgebaut. Die Höhe variierte zwischen 140 und 180 cm, ein einfach eckiger Klotz, der leicht nachbaubar ist, war es selten.

Also packten wir die erforderlichen Liter für die Große in Sketchup, zwei Versionen kamen heraus: TTMHM und TMHMT

Nun hätten wir wenigstens ein Paar der Boxen bauen können, um die Filter zu entwerfen. Pustekuchen! Im Keller zuschneiden, im Messraum verkleben war keine übergroße Herausforderung. Sechs Quadratmeter MDF leimt man zusammen, um es nach den Messungen als Vorführboxen zu verwenden. Doch wer schleppt die Kisten mit ihren fast 80 kg Stückgewicht dann für die optische Aufbereitung in die Werkstatt herunter, wo der Schliff für “Schön” erfolgen müsste?  Nee, das tu ich mir nicht mehr an, das Alter setzt Grenzen.  Geholfen hätte vielleicht noch ein zweiteiliger Aufbau. Doch was lehrte uns die Linie 43? Einteilig ist beliebter. Also was tun?

Zwei Duetta-Unterteile um 90 Grad gedreht ergeben den Unterbau, darauf das erste Oberteil auf die Seite gelegt und das zweite kopfüber oben drauf.  Nun noch zwei Bretter zugesägt, die dem Messmicro eine einheitlich breite Front und eine Seite für die MTM-Abteilung vortäuschen – das war’s. Und die zweite Box? Sparen wir uns und hören am Ende in Mono. Das ist aber doch nicht wissenschaftlich! tönt es aus den Foren. Stimmt, steht auch so im 3. Satz der Grundlagen.

Mit dem Konstrukt auf der Messbank hatten wir nun alles bereit, um mit der DSP-Filterung loszulegen. Alle Chassis-Gruppen wurden in der Box gemessen, die Kurven in Hypex Filter Design geladen und dort so weit wie nötig gerade gebogen.

Gemeinsam transportierten die Chassis via Mikrophon die Signale zu meinem Monitor, der mir daraus ordentliche Diagramme für Amplitude, Summenbildung der Zweige, unter Winkel 0, 30 und 60 Grad, sowie die drei Presets erstellte.


Nun haben wir für sechs neue Aktivboxen viele bunte Kurven präsentiert, doch die zeigen nur, dass wir bei deren Erstellung handwerklich keine groben Fehler gemacht haben. In einer euphorischen Klangbeschreibung würde jetzt folgen, dass wir nie zuvor Musik so realistisch, ja fast besser als im modernsten Konzertsaal gehört haben. Auflösung, Bühne, Ortbarkeit, Tonalität und alle anderen objektiven Kriterien wurden über jedes Maß erfüllt und es war uns seit zwei Jahren nicht möglich, den Hörraum auch nur für eine Minute zu verlassen, weil uns die wiedergegebenen Töne so sehr in ihren Bann zogen, dass uns alles andere im Leben völlig egal wurde. Naja, das wär ein klein wenig übertrieben und keiner würde uns für wahrheitsliebende Realisten halten. Eigentlich klangen alle Boxen so, wie wir es von ihnen gewohnt waren, nur – man las es schon weiter oben – durch das Fehlen der passiven Bauteile noch etwas präziser.

Udo Wohlgemuth

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Hallo Udo, da ist sie ja, die Große in aktiv.
Sehr schön, dann kann’s ja losgehen. Mehrteilig macht glaube ich Sinn, müssen in den zweiten Stock und zum Treffen wollen die ja bestimmt auch mal. Am Besten, ohne daß ich Möbelpacker engagieren muss.
Ich freu mich drauf!
Gruß Dino

Moin,
die Zuschnitte sind fertig. Baubuche wird es werden mit Buche-MPX als Front. Ist auch von der Frau so abgesegnet.
Jetzt muss nur noch Leim ans Holz.
So viel zu tun und so wenig Zeit.
Ich freu mich aber schon so auf die ersten Töne 😁

Grüße Enrico

so…fertig

mit Bild

Guten Abend,

jetzt isses passiert und selbst die Königin Mutter ist aktiv geworden.
Wieder ein Argument weniger, sie nicht bauen zu wollen….
“SCHATZ, ich will DIE!”
“Nein, vieeel zu groß!”
“Ja aaaber: Da braucht man keinen 30 kg Verstärker bei, kannst Du Nippes im Hifirack verteilen!”
“Hmmm, ja wenn das soooo ist….” 😀

Zwei Duetta-Unterteile um 90 Grad gedreht ergeben den Unterbau, darauf das erste Oberteil auf die Seite gelegt und das zweite kopfüber oben drauf. Nun noch zwei Bretter zugesägt, die dem Messmicro eine einheitlich breite Front und eine Seite für die MTM-Abteilung vortäuschen – das war’s. 

Also den Jenga-Turm hätte ich ja gerne gesehen! Jetzt hast Du schon so viel entwickelst und kommst noch immer mit Innovationen, denn von Lautsprecher-Tetris las ich hier zum ersten Mal 😉

Und was das Anders angeht – in der Tat. Aber das ist das Schöne am DIY und wer die Dicke baut, der hat auch viel Fläche an ihr, seine Ideen zu verwirklichen. Ich baue Boxen immer einfach-eckig-klotzförmig, weil es praktisch ist und die genau so gut spielen wie ein Avantgarde-Konstrukt.

Doch verstehe ich “normale” Menschen, die sich einen solchen Lautsprecher hinstellen und dann schon etwas präsentieren möchten. Wenn je ein bekloppter Künstler ein GD-Gehäuse in Massivgold gießen will (Toiletten gibt es ja schon in dem Stil, also durchaus noch eine Verbesserung auf dem Gebiet möglich) – verdient hätte sie es. Auch wenn mir sowas dann nicht in´s Haus käme. Zu schwer und zu kitschig 😉

Gruß,
-Sparky

Moin,

bei einer Wandstärke von 5mm komme ich auf eine Goldvolumen von 14l. Das entspricht einem Gewicht von 270kg.
Preis pro Stück dann bei heutigem Goldpreis 13,9 Mio€.
Sollte jemand nen Rechenfehler entdecken, her damit.

Ich bleibe da bei MDF und gut.

Nabend Udo,

Symphony 285, wat, das ist laut Messung schon 11 Jahre her, unglaublich, damals toller Lautsprecher. Der Zappel-Philipp war aber der 26HD1

Gruß Schülzken

Nabend,

dann kommt ja das gehypexte mit aller Gewalt ins Wohnzimmer. Viel Spaß beim aktiven Hören.

Udo, eine Zeichnung als PDF solltest du aber mittlerweile von mir bekommen haben. Habe ich nachträglich mit Inventor machen lassen.

Wenn ich mir so das über 5 Jahre alte Bild anschaue, hmm, da ist nicht mehr viel übrig geblieben von der Anlage in der Form. Der TV wird nur noch als PC Bildschirm genutzt mit dem noch vorhandenen PC und den AVR gibt es noch.
GranDuetta hat sich auch verändert und gibt es in der Variante nicht mehr. Dieser Lautsprecher hat es in sich, für viele ist er sensationell, für mich ist er Fluch und Segen gleichzeitig.

Von da an wurde die Grandame häufig gebaut, aber jede war anders.
Bis auf den Tag ist es so, unterschiedlicher denn je.

Gruß Schülzken

Hallo zusammen, da bestell ich doch glatt 2 Bausätze bei Udo und nun kommt er mit der aktiven Granduetta um die Ecke. Ich werde wohl für Monate im Bastelkeller verschwinden.
Den Vorschlag mit dem Aufbau fürs Aktivmodul finde ich super, hatte mir schon Gedanken gemacht, ob ich so ein großes Loch in meine 2 hinten rein sägen sollte oder lieber ein externes Gehäuse verwende.
Danke für den spannenden Bericht und weiter so.

Gruß Kai

Moin Udo, hervorragend, es fehlt aber eindeutig das Foto der improvisierten GranDame 😉
Bin gespannt auf die ersten nachbauten und Klangbeschreibungen
Matthias

Na, dafür würd ich Dir doch glatt nen Diffusor drucken, soll ja nix den Jenga Turm erschüttern 😉
Liebe Grüße

Hallo Udo,

sitze gerade im Garten und lese wie immer die Sonntäglichen Berichte…mit Freude las ich die Überschrift. Schön das Ihr so ziemlich alles aktiviert und trotzdem man immer noch die Wahl auf passiv hat.

Meine aktive Duetta hat mir inzwischen schon soviele schöne Stunden geschenkt.

Macht weiter so 👍

Guten Morgen Udo,

Gratulation zur Fleißarbeit.

Grüße Achim

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