20. September 2020

Vincent’s “Coroni”-Doppel 7

Autor: scotwalks

Kurz zu mir: Ich bin Mitte dreißig, wohnhaft in Berlin und kaufe seit ca. 15 Jahren LP’s, vorrangig im Bereich Wave, Synth und Punk. Diese wurden gerade in den ersten Jahren auf eher grausigem Equipment abgespielt. Nach diversen „ungültigen’ Boxen zogen vor fünf Jahren ein Paar Naim Ariva in mein Wohnzimmer, mit denen ich wirklich zufrieden war. Doch als nach und nach verschiedene Plattenspieler, Systeme und PhonoPre’s durch die Kette wanderten, waren das gefühlt schwächste Glied irgendwann die Boxen.

Hier stolperte ich eher durch Zufall über das Thema Boxen Selbstbau. Da ich gerade ein paar schöne Rahmen für große Absorber gebaut hatte und auch sonst großes Interesse an der Arbeit mit Holz habe, sprach mich die Möglichkeit, das Aussehen der Boxen selbst zu gestalten, sehr an.

Ich habe mich ehrlich gesagt nicht besonders viel umgesehen, sondern bin recht schnell bei ADW gelandet. Forum und Bauberichte machen einen sehr sympathischen Eindruck, auch der Verzicht auf das Konzept „High-End-Weiche“ mit Aufpreis finde ich gut. Nachdem ich viele Bauberichte gelesen hatte, war klar, dass es etwas in der Blues-Klasse sein sollte. Wenn selber bauen, dann auch gleich richtig.

Die Karte zum Probehören ist ein tolles Konzept und ich saß drei freundliche Nachrichten später bei Monti auf der Couch und konnte mich von den Qualitäten der Duetta überzeugen. Mir sagten besonders die Auflösung, Bühnenabbildung und entspannte Spielweise zu.

Ein paar Zweifel blieben dennoch, primär wegen der Größe. Die Karre würde ich in meinem Altbau-Mietshaus-Wohnzimmer mit knapp 24qm nie ausfahren können, ohne mich mit den Nachbarn anzulegen. Gedanken machte ich mir auch übers Volumen und der damit einhergehenden Gehäusegröße. Also eine Stufe kleiner – genau was Udo in der Vorstellung der Doppel 7 geschrieben hat.

Dann kam Corona und beglückte mich mit Home Office und sehr viel Zeit. Die nicht zu unterschätzende finanzielle Investition hatte mich bis dato davon abgehalten, die Idee weiter zu verfolgen. Jetzt war aber zumindest die Zeit für das Projekt da und ich machte mich an die Planung. Da ich keinerlei Erfahrung mit MDF hatte und die Ambitionen sich nicht ganz mit der vorhandenen Expertise glichen, sollte es etwas Simples sein, ohne dass am Ende nur der Kindersarg im Wohnzimmer steht.

Nach ein paar Nachrichten und Bleistiftskizzen entschied ich, den ursprünglichen Bauvorschlag nur dahingehend zu verändern, dass der Deckel kürzer und der Boden länger wird. Das bedeutet, dass Nettovolumen und Größe der Schallwand gleich bleiben, also die Abstimmung grundsätzlich stimmt, ich aber trotzdem schöne Kisten mit schrägen Seitenwänden habe. Geplant war, erstmal zu schauen, ob ich ein vorzeigbares Gehäuse gebaut bekomme und dann den Bausatz zu ordern.

Also Mundschutz auf und ab zum örtlichen Holzbaumarkt um 22mm MDF zu erwerben. Berliner kennen den Großmarkt „Holz P. Ich kann den Zuschnitt tatsächlich empfehlen. Ich hatte zwei Versteifungen, die einen halben Millimeter zu kurz waren, ansonsten passte alles.

Die große Herausforderung war, mit der Tauchsäge vier gleiche, schräge Schnitte an den Seitenwänden zu machen und die Rückwand jeweils im richtigen Winkel anzuschrägen. Viel messen, einspannen und probieren, schwitzen und kontrollieren kostete es, dann war das in meinem „Werkstattzimmer“ in meiner Wohnung erledigt. Die Nachbarn werden sich gefreut haben, wenn immer wieder erst der Staubsauger anging und dann die Tauchsäge ihr Lied sang.

Von hier aus folgten die altbekannten und nicht besonders aufregenden Schritte des Verleimens, wofür ich wie empfohlen Ponal Fugenleim benutzt habe. Da ich so viel Zeit und nur zwei Zwingen hatte, habe ich das mit sehr viel Ruhe gemacht. In der Regel wurden nicht mehr als zwei Bretter am Tag verleimt. Diese Ruhe charakterisiert das komplette Projekt und sorgte maßgeblich für das für mich ausgesprochen zufriedenstellende Ergebnis. Es macht einfach Sinn, sich für alle Arbeitsschritte die nötige Zeit zu nehmen und nicht zu hetzen.

Glücklich war ich, als ich feststellte, dass alles soweit rechtwinklig war und zusammen passte. Lediglich der schwarz angelackte Basskanal war 2mm zu schmal, was laut Udo aber nicht zu hören sein würde. Als die beiden Kisten dann das erste Mal im Wohnzimmer standen, wähnte ich mich schon auf dem richtigen Weg und packte innerlich schon mal das Geld für den Bausatz zur Seite. Die Schleifarbeiten waren mittels Schleifmaschine im Keller dann auch in zwei Stunden erledigt.

Auch ohne Kinder im Haushalt wollte ich Abdeckungen für die Chassis bauen, einfach weil ich es mag, den Look der Boxen auch mal ändern zu können. Dafür habe ich in der Bucht Neodym Magnete (3 x 8 mm) bestellt, die ich anschließend in vorgebohrte Löcher geklebt habe, jeweils sechs Stück pro Box. Diese habe ich dann mit dem Fugenleim schließen wollen, was nicht bei allen Löchern optimal funktioniert hat, weil sich der Leim beim abschließenden Schleifen teilweise löste. Naja, da sollte ja noch Furnier rüber, das würde sich schon verwachsen.

Die Abdeckungen selbst habe ich aus einer Restplatte Multiplex gesägt, Magnete versenkt, schwarz angesprüht, und anschließend mit Akustikstoff bespannt.

Nächster Schritt war dann das Furnieren, wofür ich im Netz SaRaiFo Maser Wurzelholz Nussbaum bestellte. Das ist aus verleimten Stäben, also nicht aus Vollholz geschnitten und hat ein Vlies hinterklebt, was die Verarbeitung erleichtern soll. Mittels der Bügeleisenmethode habe ich das Furnier aufgebracht, welches ich so ausgesucht hatte, dass ich nur an den Seiten stoßen muss. Das sind tatsächlich auch die Stellen, die man von Nahem ein wenig sieht. Ansonsten war ich ziemlich zufrieden fürs erste Mal. Auch der Hund war ganz zufrieden, die Dämmung sorgte für Gemütlichkeit.

Auch das Fräsen der Fronten wollte ich selber machen und habe dafür eine halbwegs vernünftige Oberfräse erworben. Nach ein paar Probefräsungen machte ich mir Gedanken bezüglich der Schablonen. Einen Fräszirkel zu kaufen erschien mir ein bisschen zu simpel und ich war nicht sicher, wann ich den wieder benutzen würde. Statt dessen habe ich mir ein Brett genommen und ein Loch in der Größe der Kopierhülse gebohrt. Darin wurde die Fräse fixiert, ließ sich im Loch aber drehen, was das Fräsen komfortabler macht, weil das Kabel nicht im Weg ist. Der gewünschte Radius wird abgemessen und an entsprechender Stelle eine Schraube eingesteckt, die in der Box versenkt wird. Das erscheint erst einmal ein wenig hemdsärmlich, funktioniert aber erstaunlich gut. Wenn man die Schraube tief genug versenkt, kann man auch sehr kleine Radien fräsen, was später bei den Terminals nötig wurde.

Für den ER4 habe ich aus einem Brett mit vier rechten Winkeln einfach eine Schablone zusammengeschraubt. Als sehr praktisch stellte sich dabei ein Anschlag unter der Schablone heraus. Dieser liegt auf dem Deckel der Box auf und fixiert die Schablone in der Höhe. Die Zwingen werden nur noch für das seitliche Ausrichten und Befestigen benötigt. So kann man das Fräsen auch ohne ein zweites Paar Hände vornehmen. Voraussetzung ist natürlich genaues Messen und Anbringen des Anschlags. Ein weitere Vorteil ist, dass der Hochtöner auch bei beiden Boxen genau auf der gleichen Höhe sitzt.

Nachdem ich also erfolgreich gefräst hatte, wurde es Zeit für die Oberflächenbehandlung. Dafür habe ich, wie so viele andere auch, auf Osmo Hartwachsöl zurück gegriffen und mir erstmal über deren Webpage fünf Proben schicken lassen. Nachdem die Wahl getroffen war, habe ich fünf oder sechs Runden immer feiner geschliffen und mit Schaumstoffrolle geölt. In der Verarbeitung ist das Zeug wirklich großartig. Es spritzt nicht, bildet kaum hässlichen Nasen und trocknet gleichmäßig durch. Ohne eine staubfreie Umgebung wird man allerdings nie ein perfektes Ergebnis erzielen. Auch sollte man, wenn man eine sehr gleichmäßige Oberfläche wünscht, das Furnier fein und sehr glatt abschleifen. Ich wollte eher, dass die Struktur des Furniers ein wenig erhalten bleibt. Das Hartwachsöl sorgt für eine gleichmäßige Versiegelung, gleicht aber keine Unebenheiten aus.

Abschließend musste noch das Problem mit den Füßen gelöst werden. Ich habe Dielenboden in meiner Altbauwohnung, der manchmal sogar schwingt, wenn die Nachbarn von unten durch die Wohnung poltern. Entkoppeln wäre also eigentlich angebracht, dennoch wollte ich für die Optik ein paar Spikes. Das benötigte Gewinde sollten ein paar Einschlagmuttern liefern. Dass das Einschlagen in MDF ohne Risse nicht so einfach wäre, wusste ich zu dem Zeitpunkt noch nicht. Auch das Ausbrechen der Spikes muss verhindert werden.

Letztendlich habe ich dann eine weitere Frässchablone gebaut, um eine kleine Vertiefung zu fräsen, darin dann ein Loch für die Einschlagmutter gebohrt und diese bündig versenkt. Anschließend habe ich darüber ein Lochblech verschraubt, um der Konstruktion mehr Stabilität zu geben. Das funktioniert so ganz gut, schwarz angelackt ist es auch nicht zu sehen.

 

Stehen sollten die Boxen auf einer möglichst bündigen Steinplatte. Nachfragen bei Steinmetzen riefen Preise von EUR 200-300 auf, was mir def. zu viel war. Glücklicherweise gibt es Granitfensterbänke in 25 cm Breite, welche nur ein Bruchteil dessen kosten und in einem trivialen Baumarkt auch exakt auf Maß zugeschnitten werden. Diese habe ich besorgt und anschließend mittels einer zerschnittenen Waschmaschinenmatte entkoppelt. Darauf stehen die Boxen auf den Spikes, was mir optisch ziemlich gut gefällt. Die nicht polierten Schnittkanten der Fensterbank lassen sich mittels Öl ein wenig nachdunkeln, das fällt dann quasi nicht mehr auf.

Was nun folgte war die Vermählung der Chassis mit den Holzkisten. Ich hatte Udo nicht nur um den Aufbau der Weiche gebeten, er war auch so freundlich, die Kabel mit Flachsteckern zu versehen, so dass ich mir den sonst benötigten Grundkurs im Löten sparen konnte. Die Weiche habe ich mittels Holzleim und eines Kabelbinders fest auf die zweite Versteifung im Inneren angebracht, der Rest ist aufregend unspektakulär: Zusammenstecken, auflegen, vorbohren, verschrauben.

Und dann ins Wohnzimmer rüber tragen, anschließen und Iggy Pop’s „Free“ auflegen. Die Freude, einen zum großen Teil selbst gebauten Lautsprecher zum ersten Mal zu hören, ist groß. Auch wenn man weiß, dass die Chassis sich noch einspielen müssen und alles „runder“ wird. Aber die Richtung stimmte bereits.

Heute, nach ca. vier Wochen Einspielzeit bemerkt man schon eine deutliche Veränderung, alles klingt harmonischer und passt noch besser zusammen. Eine ausführliche Klangbeschreibung spare ich mir, das können andere besser. Mir gefällt der volle Grundton, der knackige Bass und die tiefe Bühne. Der Sound ist im Raum und kommt nicht aus den Lautsprechern. Einige LP’s werden deutlich entzaubert, andere gewinnen ungemein. Ich bin ausgesprochen zufrieden und kann nur jedem empfehlen, sich mit dem Thema DIY-Gehäuse plus Bausatz zu beschäftigen, der über neue Lautsprecher nachdenkt.

Vincent

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Hallo Vincent,

absolut genialer Bericht, habe mich sehr darauf gefreut (hatten ja schon PN Kontakt).
Das mit Fräszirkel finde ich absolut genial!
Viel Spaß mit den D7!

LG Michael

Hallo Vincent,

da ist dir etwas Schönes gelungen. Form & Furnierwahl gefallen ausgesprochen gut.

Viel Spaß mit den beiden…

@ Udo.. der Link zum Webshop ist nicht aktiv! 😉

cheers
Shamanic

Hi Vincent,

ja, wirklich sehr schön sind sie geworden und es freut mich, dass ich mit der kurzen Session bei mir zur Entscheidungsfindung beitragen konnte.

Deine Entkopplung finde ich auch sehr gut und pragmatisch gelöst.

Viel Spaß mit den beiden!

Und wenn Corona wieder ein Beisammensein gestattet können wir ja mal wieder über ein kleines Event im Berliner Raum nachdenken, die Gemeinschaft wächst… 🙂

Ciao
Chris

Richtig stark. Hab schon wieder Bock, Neue zu bauen…obwohl meine C73 erst seit 2 Wochen fertig sind 😀

Wow, sehr gelungener Lautsprecher! Doppel7 ist eh geil, aber das Funier ist echt klasse, und zum ersten mal gefällt mir das auch in Kombi mit ner Abdeckung gut! Zum Schluss nur noch eine Frage: welche Punksongs hört man auf ner Bluesklasse ohne reißaus vor der Qualität nehmen zu müssen? 😀

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