Es war ein eher belangloser Satz aus dem letzten Bericht, der mich die ganze Woche über nicht losließ: “Mit passiven Bauteilen hätten wir auch bei größtem Aufwand keinesfalls annähernd so glatte Schriebe hinbekommen.” Das kann ich eigentlich so nicht stehen lassen. Seit fast 40 Jahre entwerfe ich nun schon mit gewissem Erfolg passive Weichen für Hunderte von Bauvorschlägen, die Tausende von zufriedenen Nachbauern gefunden haben. Und nun attestiere ich mir selbst, einen einfachen Breitbänder nicht so beschalten zu können, dass er einen halbwegs glatten Frequenzverlauf hat und – Grundvoraussetzung, dass er überhaupt hier beworben wird – dabei auch noch anhörbar ist. Da muss ich umgehend testen, ob ich mich nicht selbst der Lüge überführen kann. Immerhin gibt es hier schon einige entsprechende Bausätze, die kein DSP für eine überzeugende Performance benötigen.
Dann denken wir mal nach: Im geschlossenen Gehäuse fällt der Pegel des BB 3 AL unterhalb von 150 Hz mit 12 dB pro Oktave ab. Das verlangt nach einem Subwoofer, den ich hier nicht haben wollte.
Also müssen wir die Membran-Rückseite zu Hilfe holen und sie per Reflexrohr an die umgebende Luft ankoppeln. Bei 3 Litern und Abstimmung auf Resonanz 77 Hz mit einem 12 cm langen HP 35 gewinnen wir fast eine Oktave nach unten, haben aber einen dicken Buckel um 120 Hz.
Auch mit mehr Volumen wird es nicht wirklich besser, nur das Rohr wird kürzer und der Buckel rutscht etwas herunter. Ja, klanglich wird das erst einmal Eindruck machen, wenn auf diese Weise Bass vorgetäuscht wird.
Was ist denn mit ACL? Die Daten und die Simulationsvorgaben sind schnell in LSPCad eingegeben.
Oh Mann, das sieht verdammt gut aus! Also schnell das Gehäuse in Freecad entworfen. Es gefällt auch optisch und erinnert stark an die Bluestone Twins, die ich einst für meinen Besuch bei Parts Express entworfen hatte.
Für den Testaufbau hatte ich noch genügend OSB im Keller und so stand das schlanke Kistchen nach knapp zwei Stunden für die ersten Messungen bereit.
Zugegeben, mit der Simulation kann man auch mit großem Wohlwollen keine Übereinstimmung finden. Mit solchem Bassverhalten ist kein Blumentopf zu gewinnen. Gescheitert bin ich somit schon vor dem Versuch, mit Bauteilen den Frequenzgang zu glätten. Aufgeben? Kommt nicht in Frage!
Denken wir noch einmal genauer nach: LSPCad hat nicht gemerkt, dass die Abstimmung für den BB 3 AL viel zu tief ist und mir hatte die tolle Kurve die Sicht auf die 56,9 Hz genommen. 77 Hz Resonanzfrequenz durch ACL auf -10 % gebracht, ergibt 69 Hz. Dafür brauchen wir nur noch grob 4 Liter, die wir auf die vier Kammern dem Bauprinzip genügend aufteilen, und ein ungekürztes HP 35.
Das sieht doch viel realistischer für ein Chassis mit 30cm² Membranfläche aus. Die Freecad-Datei wurde mit ein paar neuen Zahlen in der Tabellenkalkulation angepasst und entspricht nahezu der Version, die Michael für die MiniACL gezeichnet hatte. Der Bau der BB 3 ACL war dem Fotografen für eine Bilderserie zu einfach. So hatte er ausnahmsweise die Hände frei und konnte die Bretter diesmal etwas schneller zusammen kleben.
Als der Leim trocken war, wurde geschliffen. In das obere Fach packte ich einen Fetzen (20 x 20 cm) Dämmwatte, lötete die Chassis an und fertig war die Kiste.
Nachdem wir nun theoretisch bei der Konstruktion alle Fehler ausgemerzt hatten, waren wir natürlich auf das Messergebnis gespannt.
Sehen wir von den leichten Welligkeiten durch Raumreflexionen ab, haben wir durch den Neubau der ACL ein erfreuliches Ergebnis mit großer Ähnlichkeit zur Simulation bekommen. Mit 65 Hz @ -3dB können wir bei dem kleinen Breitbänder wirklich nicht klagen. Auch der übrige Verlauf sieht durchaus machbar aus. Den ersten Buckel herunterzuziehen, verlangt jeder Breitbänder, wenn er in einer schmalen Schallwand eingebaut ist. Ein geeigneter Sperrkreis aus parallelen Spule, Kondensator und Widerstand war schnell gefunden.
Gegen den folgenden Anstieg von fast 10 dB hilft jedoch ein herkömmlicher Sperrkreis nicht. Zwar kamen auch hier wieder Spule, Widerstand und Kondensator zum Einsatz, aber C und R brückten L in Reihe liegend.
Jetzt aber schnell mal die Ohren ran, Messen allein macht nicht glücklich. Vorsichtig begann ich mit Frau am Klavier. “Fly me to the Moon” wünschte sich Diana Krall. Dies Begehr konnten ihr die kleinen Boxen nicht erfüllen, alles andere machten sie überraschend gut. Stimme vor Schlagzeug, Gitarre und Bass, sie am Klavier, Clubatmosphäre, bei der auch das klatschende Publikum nicht fehlte. Verborgen blieb lediglich der Standort der Lautsprecher, so gut löste sich die Musik von Ihnen.
Abartig tiefe Bässe wollte ich den BB 3 ACL nicht zumuten, deshalb hatte Trentemöller heute frei. Doch ein wenig Tiefton sollte schon sein, vielleicht auch etwas mehr Dynamik als bei der swingenden Diana. “Papa was a rolling stone“, Marcus Miller live in Leverkusen ist eigentlich nicht das, was ich einem Breitbänder der 10 cm-Klasse unter normalen Umständen zumuten würde. Doch hier ging es um das Ausloten der Grenzen. Was von den Zwergen geboten wurde, hatte ich nicht erwartet. Ja, ich habe erst leise gehört. Doch dann riss mich der Drive der Musik einfach mit und automatisch wurde es lauter. Dass diese tolle Darbietung auf größeren Boxen autentischer herüber kommt, will ich nicht bestreiten. Wunder vollbringen die Breities nicht. Trotzdem war ich voll dabei und ließ den Emotionen ihren Lauf. Kopf und Füße wackelten, die Hände bearbeiteten die Oberschenkel. Hätte ich es noch gekonnt, wär ich sicher im Zimmer herum gesprungen. Das ist für mich ein untrügerisches Zeichen, dass die Lautsprecher taugen. Wenn ich mich recht erinnere, habe ich da oben geschrieben, dass dies das erklärte Ziel der Übung war. Geschafft!
Erlaubt ist selbstverständlich die Frage nach dem richtigen Antrieb für die BB 3 ACL. Auch wenn ich sie für ihren Preis und die Vielfalt an Möglichkeiten für ausgesprochen preiswert halte, fallen die Arylic Plate Amps für diese Miniboxen eher aus. Mit ihnen wär keine passive Weiche entstanden und alle Wörter, die ich oberhalb dieser Zeile geschrieben habe, müsste ich augenblicklich wieder löschen.
Gut raus bist du, wenn du noch einem alten Stereo-Verstärker besitzt. Die kleinen ACL’s erwecken ihn gern zu neuem Leben. Doch auch der kleine Nobsound, den wir für die MiniACL empfehlen, wird keine Spaßbremse sein. Sollen die Lautsprecher den Fernsehton erträglich machen, kann er sogar per Bluetooth mit dem TV verbunden werden. Am PC ist der USB-Eingang die beste Wahl. Die “gute” Anlage im Wohnzimmer wird sicher durch den Nachbau der BB 3 ACL nicht arbeitslos, aber sie muss dann nicht mehr Vollgas laufen, wenn man in einem anderen Raum halbweg vernünftig Musik hören möchte.
Udo Wohlgemuth
Zur BB 3 ACL im Online-Shop
Hallo Udo,
ich plane gerade kleine Boxen für das 20qm WG-Studi-Zimmer meiner Tochter zu bauen und bin dabei zunächst auf die Mini-ACL und jetzt die hier vorgestellte BB-3-ACL gestoßen. Welche Unterschiede würdest Du zwischen den beiden beschreiben? Beide zielen doch wahrscheinlich ins gleiche Käufersegment, oder nicht?
Viele Grüße Dieter
Hallo Dieter,
der größte Unterschied sind tatsächlich die Membranfarbe und der Chassiskorb, der Rest ist nah beisammen und eher im Segment Geschmackssache einzuordnen. Dabei ist auch klar, dass für fast jeden besser klingt, was ihm optisch besser gefällt. Allerdings würde ich beide nicht ins Studizimmer mit 20 m² stellen. Ihre 30 cm² Membranfläche sind am Schreibtisch ok, wo man im Nahfeld hört und dabei mehr oder weniger still mittig zwischen ihnen sitzt. Wenn dann aber mal die WG zu Besuch kommt, würden sich alle weit mehr über eine SB 18 freuen. Ja, die ist viel teurer, aber man bekommt mit ihr auch den entsprechenden Gegenwert.
Gruß Udo
Hallo Udo,ist eine Weile her, dass ich bei Dir im Magazin gepostet habe. Dein BB3acl-Bericht hat meine Recheninstinkte „provoziert“. Ich sah Deinen Konstruktionsschnitt und dachte, wow, mehr Holz als Luft – das ist die am besten versteifte Box der Welt!Und tatsächlich entfallen von 9,8 Litern Bruttovolumen 5,4 Liter auf das OSB, für 4,4 Liter umbaute Luft. Da dachte ich mir, vielleicht lässt sich das ja umrechnen – in die kleinste ACL der Welt!Beim Wechsel von 19mm auf 12mm sollten die Kammern 1+4 auf um die reduzierten 7mm Materialstärke von 12,1cm auf 12,8cm Tiefe geändert werden, damit hinter dem ungekürzten HP35 immer noch eine Daumenbreite Luft verbleibt. Die Frontbreite habe ich rechts und links um je 4mm auf 13cm reduziert. Die Höhen der Kammern ergeben sich dann von selbst aus den Netto-Volumen der Kammern geteilt durch deren Netto-Breite und Netto-Tiefe. Die Kammern 2+3 habe ich hinter die Kammern 1+4 verlegt, so ergibt sich ein Böxchen (HxBxT) 21,4 x 13,0 x 26,4 cm. Bruttovolumen jetzt noch 7,3 Liter und damit 2,5 Liter kleiner als mit 19mm Wandstärke. Und immerhin noch 0,5 Liter unter der Mini ACL, die auch in 12mm OSB vorgestellt wurde.Ich hab davon auch einen Plan gemacht und hier als “attached image” angehängt, hoffe das klappt. In Nordhausen darfst Du mir dann erklären, wie man gescheit Fotos einfügt 😊 Freu mich draufLG, Jo
Hallo Jo,
schön, dass du wieder einmal hier bist. Und dann auch gleich noch so kreativ konstruktiv! Natürlich reichen die 12 mm MDF oder OSB für die Box und sie sparen tatsächlich eine Menge an umbautem Raum. Diese Version der MiniACL zu bauen, überkam mich im Lauf der Woche und so habe ich einfach das erste Holz gegriffen, das noch im Keller lag. Andererseits biete ich auch die gefrästen Fronten an. Da macht es sich schlecht, wenn man dabei nicht das Material findet, das dem Bauplan entspricht. Trotzdem: Dein Plan ist den Nachbau wert. Wir brauchen dafür nur noch die Holzliste 😉
Gruß Udo
PS: Bis Nordhausen ist es nicht mehr so lang. Ich freu mich darauf, dich dort mal wieder zu treffen. Das gilt natürlich auch für jeden anderen, der das PS liest.
Hallo Udo,
die Holzliste für den Plan mit 12mm ist schnell gemacht:
Front (aufgesetzt) 21,4 x 13,0 cm
Seiten 21,4 x 25,2 cm (2x)
Boden/Deckel 10,6 x 25,2 cm (2x)
Rückwand (eingesetzt) 10,6 x 19,0 cm
Innenteiler 10,6 x 12,8 cm und 10,6 x 14,2 cm und 10,6 x 7,6 cm
Das letzte Brettchen ist unterhalb des Baumarkt-Mindestzuschnitts von 10cm, geht aber nicht anders.
Die Front könnte man auch mit 19mm aufsetzen und den Rest in 12mm lassen.
Grüße, Jo
Hey Jo,
Front mit 19 mm hätte sogar den Vorteil, dass das Reflexrohr etwas mehr Luft am Einlass hat.
Gruß Udo
Moin Udo,
in anbetracht des sehr fairen Preises weiss doch jeder wo er den Lautsprecher einzuordnen hat. Dafür von mir wieder mal 👍 hoch.
gruss Dirk
Nun Dirk,
Davon würde ich heute nicht mehr ausgehen. Leider haben zu viele den Bezug zwischen Preis und Wert verloren. Der Kunde kauft ein Kilo Schweinefleisch für 6,99 Euro und erwartet dafür beste Qualität bei artgerechter Haltung. Schmecken tut es ihn trotzdem, denn zum Glück (?) hat er auch das Wissen um Qualität verloren. Aber das ist wieder gesellschaftskritisch und gehört hier nicht hin 😉
Gruß Udo