30. Juli 2023

Olivers Ceram 34

Autor: monteolivio

Vorgeschichte
Leben heißt aussuchen, wie schon Kurt Tucholsky wusste. Genau der Prozess scheint insbesondere bei Hifi,- und Musikliebhabern ausgeprägt zu sein. Ich gehöre da ganz klar zu den Typen, die nicht aufgrund technischer Daten und Diagrammen wählen, sondern sich von ihrem Bauchgefühl leiten lassen. Wobei das jetzt auch wieder nicht ganz stimmt, denn nachdem ich aus purer Lust am Basteln letzten November eine Mini ACL für die Küche gebaut habe, war klar, dass dahinter jemand steckt, der genau weiß was er tut. Begeistert waren auch meine Kinder, die sich vom Weihnachtsmann auch ein paar Minis für ihre Studentenbude bestellt haben. Insgesamt habe ich dann 4 Sets gebaut und verschenkt.

Die Strategie vom Udo ging also voll auf. Logischerweise musste ich weitermachen. Es sollte erstmal die „Mittelklasse“ sein. Und eine Standbox. Die Ceram-Serie stach mir da ins Auge, dazu ein Bericht von der ACL 52 Ceram von Udo. Und hier traf es mich wie der Schlag, da er im Test Jean Pierre von Marcus Miller auflegte. Genau den Punsch, den es für die Wiedergabe des E-Bass von Miller benötigt, konnten mir meine aktuellen Kompaktboxen nie vermitteln. Bestellt habe ich dann ohne länger nachzudenken aus Versehen die Ceram 34. Udo meinte dann aber nur, dass es mit der etwas grösseren 34- iger eben noch etwas souveräner werde, den Klangcharacter aber beibehalte. Super! Das wollte ich hören.

Bauphase
Also schnell überlegt, wie sie aussehen sollen. Auf die Lackiererei, wie ich sie bei den Mini-ACL gemacht hatte, wollte ich verzichten. Also, einfach das bewährte Konzept vom Meister übernommen. Auf den Seiten Multiplex Birke und den Rest aus eingefärbtem MDF grau, anstatt schwarz. Bezogen habe ich im Holzladen-Shop am Bodensee, super netter Kontakt und sehr gute Qualität nach meinem Empfinden.

Deckel, Front und Rückwand habe ich auf Gehrung gesägt. Die Gehrungsteile wurden etwas länger bestellt, um Spielraum für die Gehrungen zu haben. Erst nachdem diese passten, wurde die Länge angepasst.

Dann der größte Spaß, die Aussparungen für Chassis und Terminal mit der Oberfräse. Dank Corona hatte ich die entsprechende Schutzmaske zur Hand. Die Ohrenschützer brachten den Nachbarn leider nichts. Hier machte ich eine Probeaussparung, um die Maßhaltigkeit zu prüfen. Die Fräsungen habe ich schrittweise in 5 mm Stufungen durchgeführt, um den Fräser zu schonen.

Weiter ging es mit der Flachdübelfräse. Dadurch erhoffte ich mir weniger Stress beim Leimen, was nur teilweise zutraf. Das Problem war die Lufttemperatur von 28 °C und genauso warmer Leim. Irgendwie kam kurz Hektik auf. Die zweite Box habe ich dann morgens geleimt und den Leim hatte ich eine Nacht im Kühlschrank. So konnte man mit den Flachdübeln alles gut hinschieben. Den überschüssigen Leim gleich mit einem nassen Lappen abwischen erspart später Schleifarbeit. Zum Einsatz kamen die guten alten Schraubzwingen (schwäbisch: Knechte) von Opa Gerhard.

Dann mit dem Bündigfräser die kleinen Überstände bearbeitet und mit dem Abrundfräser die Seiten verschönert. Zum Schluss wurden die Gehäuse mit Leinöl Firniss und einem Lappen behandelt. Schon sind die Gehäuse fertig. Für mich schon ein sehr befriedigendes Gefühl.

Die Frequenzweiche hatte ich bereits vor der Holzlieferung zusammen gelötet. Da habe ich schon ein oder zweimal überlegt, ob das auch stimmt. Das Anlöten der Kabel war dann noch etwas kniffelig, weil ich dummerweise davor die Drähte der Spulen und Kondensatoren gekürzt hatte. Ein weiterer Fehler unterlief mir beim Kabel kürzen. Die für den Hochtöner waren so kurz, dass das Anlöten gerade noch funktionierte. Mehr wäre hier mehr gewesen.

Das Anschrauben der Chassis ist dann reiner Genuss, man möchte eigentlich gar nicht, dass es bald schon wieder vorbei ist. Die Erste wurde dann gleich ausprobiert. In dem Moment des ersten Drehens am Lautstärkeregler war ich darauf gefasst, dass nichts passiert. Aber es passierte was und zwar ganz viel. Und noch mehr, als am nächsten Tag die zweite Box fertig war.

Soundcheck
Der Griff ins CD Regal ging erst zu Till Brönner- Oceana, den ich ewig nicht aufgelegt hatte. Brönner bläst mit viel Luft in sein Instrument, aber noch mehr Luft kam mir entgegen. Wow, das hätte ich nicht erwartet. Da hockt man mittendrin, die Trompete wird greifbar, die Luft vibriert. Noch besser wurde es, als die ehemalige Präsidentengattin Carla Bruni „In my secret life“ zum Besten gab. Keine Spur von harsch, wie ich es von Keramik erwartet hätte, sondern warm, voll und irgendwie lebensecht. Ich muss zugeben, dass meine Augen feucht wurden. Intuitiv habe ich dann Gregory Porter aufgelegt, wohl wissend, dass diese Boxen auch hier ein bisher nicht bekanntes Musikerleben hervorrufen werden. Die Dinger haben einfach ein riesen Bassfundament und Prägnanz. So ging es dann weiter. Es ist ein gutes Zeichen, wenn man seine alte Sammlung neu erfahren möchte. Einziger Nachteil: Das Projekt ist beendet. Aber ich hab schon gesehen, dass es eine Party Box gibt. Mal überlegen… Ich denke, die wird lackiert.

Oliver

Zur Ceram 34 im Online-Shop

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Schön geworden die Lautsprecher.

Interessant, mich törnt die weisse Membran schon lange an und geistig sehe ich schon vor mir was ich optisch damit anstellen könnte.

Deine Klangbeschreibung stimmt schonmal positiv. Ich hatte bisher nur einmal Keramik und die erzeugten einfach nur nervigste Höhen, daher habe ich bisher von der Ceram Serie abgesehen.

Hallo aggerflash,

soll das etwa heißen, dass du meinen Klangbeschreibungen nicht glaubst? 😉

Dabei verzichtete sie auf den Effekt, alle kleinen Details als wichtig nach vorn zu stellen, wie ich es oft von Metallmembranen serviert bekam.

Gruß Udo

Sehr schön, endlich einmal ein Baugericht über die Ceram 34, die ich auch seit Monaten im Auge habe. Vorher müssen zwar noch diverse Diffusoren, Absorber, Regale und ein Tisch gebaut werden aber so steigt die Vorfreude ins Unermessliche.
Darf ich fragen welche Zuspieler du hast? Besonders der Plattenspieler sieht fein aus.
Ich plane die Ceram mit 50 Watt zu betreiben und bin nicht sicher ob das reicht

Moin, den Diagrammen lässt sich ein Wirkungsgrad von grob 85dB entnehmen. Das ist ein guter, mittlerer Wert. Der amp sollte kein Weichei sein, es braucht aber auch kein Dickschiff. Bleibt die Frage was für 50W es sind. Bei einer Röhre, altem Harman Kardon oder Edelschmiede mit ehrlichen Angaben hätte ich keine Bedenken, bei einem Ei steiger AVR schon. Aber auch aus anderen Gründen.
Fazit: sollte dein Verstärker mit der ceram nicht klar kommen, dürfte es sich auch für alle anderen guten Lautsprecher lohnen, ihn zu ersetzen.
Wenn Du aber auch Absorber und Diffusoren auf dem Schirm hast, gehe ich eher von was Edlem aus.
So oder so: kannst loslegen mit der Ceram, nur Mut 😉
Matthias

Last edited 8 Monate her by Matthias (da->MZ)

Hallo Matthias, danke dir für die Details. Ich liebäugele mit einem Marantz Cinema 70S. Also kein völliger Schrott aber sicher auch nicht im HighEnd Bereich fürs Filme schauen.

Für Stereo habe ich einen Vincent der zwei Vroemen‘s betreibt. Das Heimkino wird da weit drunter spielen, was aber auch OK ist. Das Budget ist ja auch endlich 😩

VG Alex

Moin Alex, könntest auch noch mal nach gebrauchten Boliden schauen. Bin mit dem X7200 sehr zufrieden. Hat halt nicht den neuesten Schnickschnack, aber das ändert sich ja eh alle 3 Jahre…

Da du liebäugeln schreibst, hast du ja den Vorteil erst Mal die Lautsprecher bauen zu können, und dann den Verstärker passend zu suchen 👍🏻
Viel Freude!
Matthias

Last edited 8 Monate her by Matthias (da->MZ)
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