Home Foren Offtopic (allgemeines Geplapper…) Plattenspielerjustage für Nicht-Raketenwissenschaftler

  • Dieses Thema hat 19 Antworten und 10 Teilnehmer, und wurde zuletzt aktualisiert vor 6 Jahren von Sparky.
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    • #26340
      Sparky

        Vinyl erlebt ja gerade, bzw. schon länger, eine Renaissance. Das „schwarze Gold“ wird von Neueinsteigern als alternative Wiedergabequelle entdeckt, wo es alte Hasen nie vergaßen. Dementsprechend ist der Markt gewachsen, plötzlich gibt es neben den „Altmetall“-Drehern, deren Preis momentan durch die Decke gehyped wird, auch neue Fabrikate. Auch der Markt an Tonabnehmern erlebt eine Revolution, plötzlich steht er einer großen Käuferschaft gegenüber und kokettiert mit Rabatten um den werten Kunden. Schnell kommt dabei die Lust auf, es einmal mit einem alternativen Tonabnehmer zu probieren, den er im Optimalfall zuvor Probe gehört hat und dessen Klangbild ihm gefällt.

        Doch steht besagter Kunde am Ende stets vor dem gleichen Dilemma: Der neu erworbene Tonabnehmer (im Folgenden TA) muss an der Rillenfräse montiert werden. Guckt er dann in‘s Datenblatt und liest etwas vom Spurfehlwinkel mit drei Nachkommastellen, ist es um ihn geschehen und die Aufgabe mutet an wie ein Lehrgang in Raketenwissenschaft mit Wernher von Braun. Er schwingt sich also ratsuchend in entsprechende Foren und…. Es wird nicht besser. Zitternd sitzt er vor seinem Dreher und betrachtet ehrfürchtig die Misere, zu deren Beseitigung er doch besser einen schweizer Uhrmacher zu Rate ziehen sollte – oder?

        Meine Meinung: Nein.

        Wie immer gilt die subjektive Frage: Ist hörbar denn gleich messbar, oder, Plattenspieler einrichten mit Sparky 😉

        Folgend sollen ein paar Grundlagen der Rillenfräse und deren Handhabung behandelt werden.
        Zuerst einmal die Frage: Warum muss ein TA überhaupt justiert werden? Nun – wenn eine Schallplatte, bzw. deren „Mutter“ im Presswerk geschnitten wird, geschieht dies mit einem so genannten Schneidstichel. Dieser bewegt sich „tangential“ zur Platte, also von deren Rand zur Mitte hin, geradlinig auf der Radiallinie der Schallplatte. Abgesehen von technisch aufwändigen „Tangential-Plattenspielern“ bewegt sich aber der TA beim „herkömmlichen“ Modell radial zur Tonarmachse, da sich diese auf einem Drehpunkt befindet, der TA steht also nicht wie der Schneidstichel permanent 90° zur Rille. Das ist der so genannte „Spurfehlwinkel“, welcher zu Verzerrungen in der Abtastung der Schallplatte führt.
        Um dieses Dilemma zu umgehen und nicht auf aufwändigere Tangentialabtastung angewiesen zu sein, haben sich die Herren Ingenieure auf eine Toleranz geeinigt, in der „herkömmliche“ Rillenfräsen bei der Abtastung der Tonrille vom Schneidstichel abweichen dürfen, ohne hörbare Verzerrungen zu erzeugen. Um den eigenen Tonabnehmer dementsprechend zu justieren, gibt es diverse Ausrichteschablonen, Tonarmwaagen und anderes Zubehör, bis hin zur besagten „Raketenwissenschaft“ mit Messschallplatten.

        Aber von Anfang an.

        Boardie Hesse hat mir den Erwerb eines generalüberholten Dual 731q zu fairen Konditionen ermöglicht, an dieser Stelle noch einmal vielen Dank dafür. Derzeit höre ich, je nach Platte, Lust und Laune mit einem Goldring 2300 (Nagaoka) oder AudioTechnica 440 MLb. Diese beiden möchte ich nun gerne mit dem neuen Dreher nutzen und da setzt dieser Beitrag an. Wie bekomme ich die TAs auf den neuen Dreher?

        https://www.acoustic-design-magazin.de/wp-content/uploads/2018/01/731_1.jpg
        Dual 731Q

        Zuerst stellt sich mir die Frage: Was brauche ich dazu an Hilfsmitteln?
        Nun, zuerst natürlich einmal den TA selber. Kauft man diesen neu, so erhält man ihn meist in einer hübschen Verpackung mit dem benötigten Zubehör wie Montageschrauben. Teilweise sind auch nützliche Beigaben dabei wie ein kleiner Pinsel zur Reinigung der Nadel oder eine einfache analoge Tonarmwaage.
        Besagte Tonarmwaage ist ebenfalls ein hilfreiches Zubehör, mit ihr kann man später die empfohlene Auflagekraft der Diamantnadel auf der Schallplatte genau einstellen. Einfache Modelle sind analoger Natur und funktionieren wie die klassische Waagschale nach einem Balanceprinzip mit Wippe. Für ein paar Euro mehr erhält man auch digitale Modelle und darf sich dann bei der Ausrichtung über einen Zahlenwert statt der Wägebrücke im Äquilibrium freuen.
        Unerlässlich zum Justieren ist eine Ausrichteschablone, diese kann man fertig kaufen oder auch eine Vorlage aus dem Internetz herunter laden und diese selber ausdrucken. In jedem Fall sollte die Maßhaltigkeit kontrolliert und beim selber Herstellen der Druck entsprechend skaliert werden. Die Maßhaltigkeit der Schablone ist wichtig und sollte genau sein, „Pi mal Daumen“ führt zu entsprechend ungenauen Ausrichtungen.
        Ferner benötigt man als Hilfsmittel noch eine Bleistiftmine, wie sie in technischen Zeichenbleistiften verwendet wird. Diese Minen sind sehr gerade und eignen sich daher gut zur optischen TA-Justage, da mit ihrer Hilfe die entsprechende Bezugskante des TAs verlängert werden kann.
        Zuletzt kann ein metrisches Messinstrument nicht schaden, wer aus Schulzeiten oder beruflich noch ein Geodreieck vorrätig hat, darf sich an dieser Stelle über eine praxisnahe Anwendung freuen.

        Worauf muss ich achten?
        Bei der Justage des TA gibt es fünf mehr oder weniger wesentliche Parameter:
        1) Die Einhaltung des zulässigen Spurfehlwinkels (Ausrichteschablone / Bleistiftmine)
        2) Die Auflagekraft des TA (Tonarmwaage)
        3) Die „Antiskating“-Kraft
        4) Die Parallelität des Tonarms zur Schallplattenoberfläche (Geodreieck)
        5) Die Orthogonalität des TA zur Schallplattenoberfläche / Azimut (Geodreieck)

        Wie gehe ich vor?
        Zuerst wird der TA mit den Befestigungsschrauben am Tonarmkopf montiert. Die Schrauben nur leicht anziehen, so dass der TA nicht „herumbommelt“, aber dennoch ohne Gewalt von Hand verschoben werden kann. Danach montiert man die Bleistiftmine mit einem Stück Klebeband oder einer Photoecke am TA, an einer Bezugskante parallel zur Schallplattenoberfläche und neunzig Grad zur Tonarmachse bzw. zu deren Kröpfungswinkel bei gekröpftem Tonarm. Wer das „Glück“ hat, dass sich ein Designer am TA „ausgetobt“ hat wie beim Goldring 2300, beißt da auch schon mal in die Tischkante.
        Danach legt man die Ausrichtschablone auf den Plattenteller. Bei Schablonen zur Schnellausrichtung gibt es wie im Folgenden gezeigt die zwei Auflagepunkte der TA Nadel, bei Präzisionsschablonen wie der Schön-Schablone ist deren Anleitung zu beachten. Wir bleiben aber bei der Schnellausrichtung: Hier gibt es die Auflagepunkte A und B, auf die man die Diamantnadel des TA exakt ablegen muss. Danach peilt man von oben auf die Bleistiftmine und prüft, ob diese parallel zu den tangentialen Linien steht. Den TA dann so lange „nachfummeln“, bis die Mine sowohl an Punkt A, als auch an Punkt B parallel zu diesen steht. Dann ist der TA auf den zulässigen Spurfehlwinkel ausgerichtet und kann angezogen werden (ohne Gewalt / nach „fest“ kommt „ab“). Die folgende Bildstrecke dokumentiert diesen Vorgang.

        https://www.acoustic-design-magazin.de/wp-content/uploads/2018/01/731_2.jpg
        TA sauber auf den Auflagepunkt setzen…

        https://www.acoustic-design-magazin.de/wp-content/uploads/2018/01/731_3.jpg
        …und die Ausrichtung kontrollieren, in diesem Fall noch nicht optimal.

        https://www.acoustic-design-magazin.de/wp-content/uploads/2018/01/731_4.jpg
        Erst wenn der TA an Punkt B….

        https://www.acoustic-design-magazin.de/wp-content/uploads/2018/01/731_5.jpg
        …und A Fluchtet, ist die Ausrichtung in Ordnung.

        Ist der TA ausgerichtet, kann die Auflagekraft eingestellt werden („Trackingforce“).
        Wer keine Tonarmwaage besitzt, freut sich über einen anständig konstruierten Dreher, denn hier bietet der Tonarm selbst alle Hilfsmittel zur Einstellung. Zu erkennen ist dies an einem Skalenrad an der Tonarmseite. Ist dieses gegeben, so stellt man den Tonarm bei vom Stromnetz getrenntem Plattenspieler zwischen Tonarmablage und Plattenteller, so dass er sich frei bewegen kann. Das Skalenrad zur Auflagekraft und die „Anti-Skating“-Vorrichtung stellt man zuvor auf „Null“. Bzgl. „Antiskating“ gibt es diverse Systeme, hier dann bitte die Betriebsanleitung des eigenen Drehers zu Rate ziehen. Folgend verstellt man dann das Ausgleichsgewicht am hinteren Tonarmende so weit, dass er sich in der Waage einpendelt, sprich Tonarmkopf und Ausgleichsgewicht im Äquilibrium stehen. Dann kann über das Skalenrad direkt die Auflagekraft eingestellt werden. Die „Antiskating“ Einstellung richtet sich nach dem Nadelschliff, hier wieder die Betriebsanleitung des Drehers beachten. Wer eine Tonarmwaage besitzt, kann die Einstellung abschließend kontrollieren und ggf. nachjustieren. Anhand der nachstehenden Bilder ist der Vorgang zu ersehen:

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        Auflagekraft und Antiskating auf Null

        https://www.acoustic-design-magazin.de/wp-content/uploads/2018/01/731_7.jpg
        … und den Tonarm über das Gegengewicht in ein Gleichgewicht bringen (frei schwebend). Dann mittels Skala die Auflagekraft wählen….

        https://www.acoustic-design-magazin.de/wp-content/uploads/2018/01/731_8.jpg
        …und, sofern vorhanden, mit Tonarmwaage kontrollieren.

        Nicht ganz so kritisch, aber dennoch im besten Falle parallel, ist die Ausrichtung der Tonarmachse horizontal zur Schallplattenoberfläche. Dieses kann mit einem Geodreieck kontrolliert und bei einigen Plattenspielern über die Tonarmhöhenverstellung nachjustiert werden. Besitzt der Dreher keinen höhenverstellbaren Tonarm und die besagte Ausrichtung ist allzu sehr aus dem Winkel, kann auch mit verschieden dicken Plattentellerauflagen („Slipmats“) nachgestellt werden. Diese gibt es aus verschiedensten Materialien wie Filz, Kork oder Gummi, so dass der Experimentierfreude keine Grenzen gesetzt sind.
        Ähnlich verhält es sich mit dem Azimut bzw. der orthogonalen Ausrichtung des TA, was ebenfalls mit einem Geodreieck und montierter Bleistiftmine kontrolliert werden kann. Das setzt natürlich voraus, der der Hersteller des TA die Abtastnadel sauber montiert hat. Bei einem Dreher, der gut „in Schuss“ ist, sollte der Azimut stimmen. Ggf. kann er durch (leichtes!) anziehen der entsprechenden Befestigungsschraube am TA noch leicht nachjustiert werden.
        Nach diesen Schritten und mit etwas Geduld und Fingerspitzengefühl kann auch der Hobbyenthusiast eine TA-Justage erzielen, die einer Ausrichtung durch den „Profi“ in nichts nachstehen muss. Das Ganze liest sich vielleicht zu Anfang etwas fummelig, ist aber bei etwas Übung und Einhaltung der Reihenfolge schnell kinderleicht und sicher zu bewerkstelligen und ermöglicht ungetrübten Musikgenuss mit dem neu erworbenen, oder gar mehreren TA im Wechsel.

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        Tonarm parallel zur Schallplatte

        Wer sich dieses dennoch nicht zutraut, der kann den TA natürlich auch beim Einzelhändler seines Vertrauens kaufen, sofern dieser den Einbau und Ausrichtung des TA als Dienstleistung mit anbietet.
        Eine solche Ausrichtung erfolgt dann abschließend nicht mit den beschriebenen „archaischen“ Methoden, sondern einer Messschallplatte, entsprechender Software und dem Rechner. Das Ergebnis ist dementsprechend präziser (ob auch hörbar, kommt darauf an, wie genau man halt optisch auszurichten in der Lage ist) und man erhält ein hübsches Messprotokoll. Wer das selbst probieren möchte, kann solche Messschallplatten auch im freien Handel kaufen. Doch hier ist Vorsicht geboten: Getreu dem Motto „Wer viel misst, misst Mist“ kann eine solche Messung im Ausgang nur so gut sein wie die Messschallplatte selbst, diese muss daher absolut präzise gefertigt sein! Leider sind einige dieser als Messsplatten angepriesenen Tonträger was das angeht nicht immer einwandfrei (schlechte Pressqualität, Zentrierloch aus der Mitte etc.) weshalb sie sich dann höchstens zur akustischen Prüfung eignen und eine Ausrichtung damit gar schlechter geraten kann als mit den beschriebenen optischen Methoden. In dem Fall ist dar monetäre Gegenwert dann besser in eine Schallplatte mit Musik darauf investiert, außer man sucht ein teures Frisbee zum Spielen mit dem Köter.

        Für die 150%igen, die ihren Augen und Ohren nicht vertrauen wollen, beschreibe ich hier dennoch einmal der Vollständigkeit halber das Verfahren; zwar habe ich keine Software, jedoch meinen guten alten Oscar vom Bund, welcher ebenfalls verwertbare Ergebnisse liefern kann.

        Eine solche Messplatte bietet oft die folgenden Testsignale:
        -Testton Links / Rechts zur Kontrolle des Anschlusses des TA und Übersprechung
        -Testton Mono zum Gleichlauftest des linken und rechten Kanals
        -Abtasttestsignale verschiedener Spurbreite zur Kontrolle der Auflagekraft / Antiskating / Ausrichtung
        -evtl. weitere Testsignale zur Überprüfung von Azimut und Co.

        Nach der optischen Ausrichtung kann die Kontrolle mittels einer solchen Messschallplatte auch nur nach Gehör durchgeführt werden, schließlich ist dieses ja auch das ausschlaggebende Organ, mit dem später die Musik gehört werden soll. Hier spielt man dann die Test Töne der Platte auf seiner Stereoanlage ab und bewertet sie rein akustisch.

        Kanaltest Links / Rechts: Selbsterklärend. Kommt aus der entsprechenden Richtung ein Ton, so hat man seinen TA korrekt bedrahtet. Je weniger, bzw. im besten Falle überhaupt kein, Ton aus der gegenüberliegenden Box erklingt, desto weniger überspricht der TA, bzw. desto besser ist die Kanaltrennung.

        Monotestton: Klingt der Testton aus beiden Boxen gleich „laut“, so haben beide Kanäle den anzustrebenden Gleichlauf

        Abtasttest: Diese Testtöne spielt man ab, bis der TA hörbar verzerrt („zwitschert“). Gibt er eine Spurbreite von 80µm noch verzerrungsfrei wieder, ist dies bereits ein sehr guter Wert. Mit diesen Testtönen kann man auch die Auflagekraft (in den Toleranzgrenzen des TA Herstellers) und Antiskating nachjustieren, um das beste Ergebnis zu erzielen.

        Im Folgenden sind diese Messungen elektrisch auf dem Oszilloskop dargestellt:

        https://www.acoustic-design-magazin.de/wp-content/uploads/2018/01/731_10.jpg
        Signal des linken Kanals. Kaum Übersprechen zum rechten Kanal

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        Monosignal

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        Monosignal L/R übereinander geschoben, die Kanäle haben einen sehr guten Gleichlauf.

        https://www.acoustic-design-magazin.de/wp-content/uploads/2018/01/731_13.jpg
        “Trackability”-Test bei 80µm, keine Verzerrungen

        https://www.acoustic-design-magazin.de/wp-content/uploads/2018/01/731_14.jpg
        “Trackability”-Test bei 100µm, hörbare Verzerrungen, kurz bevor die Nadel “aus der Rille” springt

        https://www.acoustic-design-magazin.de/wp-content/uploads/2018/01/731_15.jpg
        Kontrolle von Azimut und Gleichlauf

        Merke:
        Diese Messungen wurden mittels der zuvor durchgeführten optischen Justage durchgeführt, es erfolgte kein Nachjustieren. Das zum Thema “drei Nachkommastellen” 🙂

        Nun sind wir aber wirklich am Ende dieses Beitrages. Ich hoffe, damit einigen Vinylinteressierten die „Angst“ vor der Handhabung ihrer Rillenfräse genommen oder einfach nur einen Einblick in die Technik dahinter gewährt zu haben.

        Gruß,
        -Sparky

      • #26343
        Matthias (da->MZ)

          Heya, ein typischer Sparky wieder mal,
          Ab in die Grundlagen damit!
          Sehr fein das,
          Matthias

          PS: wann kommt Teil 2 für den Lesekopf im NAS?

        • #26344
          HaZu

            Wow Sparky, das ist eine echte Bereicherung! Sehr interessant zu lesen.

            PS: der Typ mit den Raketen hieß übrigens Wernher.

            VG
            HaZu

            • #26346
              Sparky

                Moin HaZu,

                Danke für die Blumen.
                Name ist korrigiert 🙂

                Gruß,
                – Sparky

            • #26347
              Karl-Heinz

                Hallo zusammen,

                wieder ein toller Bericht von Sparky und sehr hilfreich. Ich möchte gerne ein paar ergänzende Punkte zu diesem Thema beitragen. Ob die nun wichtig sind oder nicht, das könnt ihr selber entscheiden. Das was geschrieben wurde ist völlig ausreichend. Aber man kann sich ja mal ein paar Gedanken machen und ausprobieren. Nun denn.

                Es gibt 3 Mathematiker nach denen die meisten Drehtonarme bzw. die Geometrie eingestellt werden. Baerwald, Löfgren und Stevenson. Wie es so üblich ist haben alle 3 auch eine andere Vorstellung was die Nulldurchgänge angeht.

                Was sind Nullduchgänge? Es gibt einen äußeren und einen inneren Nulldurchgang. Dort ist die Wiedergabe einer Schallplatte absolut verzerrungsfrei. Dazu hier die Daten:

                Baerwald: 66,0 und 120,89 mm
                Löfgren: 70,29 und 116,6 mm
                Stevenson: 60,325 und 117,42 mm

                Diese Werte sind je nach Schablone, die man für die Einstellung benutzt vorgegeben und eingezeichnet. Soweit so gut.

                Jetzt könnte man meinen, OK, ist probiere mal die verschiedenen Werte aus und sehe bzw. höre was passiert. Zu erwähnen ist, das dann der Überhang und Kröpfungswinkel ebenfalls angeglichen werden muß. Diese stehen im direkten Zusammenhang mit den vorgegebenen Nulldurchgängen. Also etwas mehr Arbeit. Lohnt sich das ?

                Naja, die Abtastpunkte vor und nach den Nulldurchgängen verändert den Klirrfaktor. Allerdings sind diese Abweichungen nur meßbar und nicht hörbar. Voraussetzung ist natürlich eine genaue Einstellung des Tonabnehmers bzw. des Tonarms.

                Was noch zu erwähnen ist. Die Einstellung des Überhangs, Kröpfungswinkel und Azimuth ist vorzunehmen wenn Antiskating auf 0 steht.

                Antiskating entspricht in etwa der Einstellung, die man für das entsprechende Tonabnehmersystem verwenden. Ich meine damit die Auflagegewicht. Ein Tipp um die Antiskatingeinstellung zu überprüfen ist folgender:

                Nach den ganzen Einstellungen legt man zentriert eine normale CD falsch herum mittig auf den Plattenteller. Man startet den Plattenspieler und führt den Tonarm zur Mitte der CD und senkt diesen langsam ab. Dabei ist die Hand unbedingt am Tonarmlift zu belassen um schnell reagieren zu können. Warum zeigt sich relativ schnell. Bleibt die Nadel nach dem absenken ruhig auf der CD stehen und der Tonarm bleibt in seiner Stellung, dann ist Antiskating richtig eingestellt. Ist es zuviel oder zuwenig, dann rutsch die Nadel entweder nach innen oder nach aussen. Dann heißt es reagieren. Passieren kann nichts.

                Warum das ganze? Antiskating ist die Kraft, die den Tonarm nach innen zieht. Vereinfacht ausgedrückt. Ist diese Krafte zu groß, dann kann eine einseitige Abnutzung des Diamanten erfolgen, was unter dem Mikroskope sichtbar wird. Deshalb sollte die Nadel immer senkrecht auf der Schallplatte stehen. Siehe dazu: Azimuth. Eine einseitige Abnutzung muß ja nicht sein. Vom Schaden abgesehen ist die Wiedergabe auch nicht die Richtige und hörbar.

                Gruß Karl-Heinz

              • #26355
                Audicz

                  Genial! …mal wieder, da erkennt man den Ausbilder. Geodreieck, Bleistiftmine hab ich, jetzt steht nur noch die Schablone und die Waage vor einer Umsetzung.
                  Deine Beiträge gehen in den internet Olymp auf! Die Nachwelt wird Dich preisen, selbst wenn schon Musik direkt in den Kopf übertragen wird. Es wird Menschen geben die die Restposten von TA aufgekauft haben und immer wieder nachschauen können. Allerdings wird kein Geodreieck mehr erhältlich sein…
                  Danke, Dino.

                  • #26362
                    Sparky

                      Guten Abend Dino,

                      na, lass es uns mal nicht übertreiben, wer mich privat kennt, überlegt sich das mit der Lobpreisung besser dreimal. Beruflich auch viermal 😛
                      Bei der Ausbildung lasse ich mich von Kindheitserinnerungen an Formate wie die Sendung mit der Maus oder Löwenzahn (mit Peter Lustig) inspirieren. Da wurde (wird?) auch nicht alles bis ins letzte Detail zu Tode granuliert, sondern mundgerecht und verdaulich serviert. Und was für Blagen gut ist, kann auch bei “Erwachsenen” nicht schaden. Ich zumindest döse bei Fortbildungen immer ein, bei denen der Dozent mit monotoner Stimme über die Ewigkeit des Maikäfers referiert…
                      Es ist eine Stärke dieses Forums, ohne viel Gewese und Trara recht schnell zum Punkt zu kommen. Halt einfache Praxistipps aus dem Alltag, so wie Karl-Heinz Rat mit der CD.

                      Es muss eben nicht immer Raketenwissenschaft sein 😉

                      Gruß,
                      -Sparky

                  • #26360
                    geloescht

                      Moin.

                      vono.ch/akustik/ersteHilfe/plattenspieler/

                      Ganz brauchbar. Nach dem Ding stelle ich seit 34 Jahren Plattenspieler ein. Ich habe einen Tonabnehmer AT 150 MLX Microline-Schliff und einer zusätzlichen Shibata-Nadel. Besonders die Shibata verzeiht keinen Einbaufehler. Geht ganz gut, je nach System ein wenig Fummeln.

                      Sparky, ganz großes Kino.

                      H.

                      PS. Wenn man sich die Schablone herunterlädt, unbedingt auf einem Kopierer auf genaues Maß kopieren.

                    • #26366
                      Audicz

                        Jetzt ma im Ernst, kein Wort übertrieben. Auch ich bin mit blauem Elefant und Bauwagen aufgewachsen.
                        Ich gebe Dir Recht Sparky das Forum hier gibt die Info ˋa point. Jedoch nur durch Beiträge wie Deine unter Anderem. Lass Dich einfach mal feiern. Das ist keine Lobhudelei sondern eine realistische Einschätzung.
                        Gruß Dino
                        P.s. Natürlich gehört auch der CD Trick zum meinen favourites, denn genauso einfach und nachvollziehber genial. Logo, wird gemacht.

                      • #26370
                        Udo Wohlgemuth
                        Administrator

                          Hallo Dino,

                          beim Hudeln schließ ich mich gerne an, Sparky hat es verdient 🙂

                          Jetzt steh ich vor dem Problem, wo ich die Doku für die Nachwelt konserviere. Magazinartikel werden gelesen, solang sie neu sind, danach sind sie yesterday’s paper. In den Grundlagen wär der Bericht gut aufgehoben, aber die liest kaum ein Neuling. Vielleicht nenn ich die Rubrik einfach mal in “Gewinnspiel” um, das trifft den Kern und wird als erstes beachtet 😉

                          Gruß Udo

                        • #26371
                          Audicz

                            Gewinn garantiert, klick hier!
                            Auch da bin ich Laie. Das übersteigt meinen Horizont, ich kann noch nicht mal nen link in meinenem Beitrag einfügen der dann funktioniert. Grundlagen ist immer on top für die es interessiert, mein Vorschlag.
                            Falls ich irgendwann erfolgreich meine TA justiert habe hole ich den Beitrag wieder hoch, versprochen. Alle 10 Jahre sozusagen, ich bin ja noch jung.
                            Gruß Dino

                          • #26372
                            Sparky

                              Nochmals guten Abend,

                              @ Dino: Das finde ich auch. Man lernt immer etwas dazu, ich habe es gerade ausprobiert und tatsächlich noch nen kleinen Tacken am Antiskating nachgestellt. Danke Karl-Heinz für diesen Ratschlag! Ist das wohl der wahre Grund, wufür die CD erfunden wurde? *Duck und weg* 😀

                              @ Udo: Na wenn Ihr meint…. Ich schlafe davon des Nachts unverändert 😉
                              Das mit dem Lesen von älteren Beiträgen, oder solchen, die irgendwo exponiert gelagert werden, ist scheinbar in jedem Forum eine Krux. “Gewinnspiel” ist da wohl ein Ansatz, aber für maximalen Erfolg würde ich etwas Frivoles wählen.
                              Wer sich ungefilterte Statistiken der Suchmaschinen betrachtet, erkennt schnell, wie der unbeobachtete Mensch gestrickt ist 😛

                              Wenn Du Beiträge mit Metadaten versehen kannst, dann kannst Du entsprechende Stichworte (“Tags”) eingeben. Wenn hier der nächste “Beholder” vom großen Bruder Google durch schwebt, indiziert er diese und erleichtert das Auffinden von außen.

                              Gruß,
                              -Sparky

                              • #26374
                                Karl-Heinz

                                  Hallo Sparky,

                                  nichts zu danken. Habe den Tipp selbst einmal erhalten und gebe das auch gerne weiter. Dafür sind wir hier auch alle im Forum. Hilfe zu geben und zu erhalten.

                                  Gruß Karl-Heinz

                              • #26373
                                Audicz

                                  Weißer Adler auf weißem Grund. Frei nach Otto Waalkes.
                                  Nadel oder Wernher bringt aber wahrscheinlich die Uninteressierten an Udo’s Website. 😉
                                  Schluss jetzt, morgen muss ich früh raus.
                                  Gute Nacht, Dino

                                • #26475
                                  Justus

                                    Wer sich keine Schablone kaufen möchte kann sich sehr leicht mit diesem tollen Tool eine ausdrucken.
                                    Man muss nur ein paar Werte kennen, eingeben und dann aufpassen, dass man 1:1 bzw. 100% skaliert ausdruckt.

                                    http://conradhoffman.com/TemplateGen.zip

                                    • #26491
                                      Sparky

                                        Guten Abend Justus,

                                        danke für den Link, ich habe es mal herunter geladen und ausgetestet.
                                        Was daran praktisch ist, ist die Einbeziehung der tatsächlichen Tonarmgeometrie.
                                        Da ja nicht jeder Hersteller die exakten Maße verwendet, sind die trigonometrisch wichtigen Parameter der effektiven Tonarmlänge und Abstand vom Tonarmschwenkpunkt zum Plattenzentrierdorn oft abweichend vom mathematische Referenzmodell – somit sind dann die meisten der Standardschablonen auch mehr oder minder “ungenau”, da sie sich auf die Nulldurchgänge der Platte, nicht aber auf den effektiven Radius der Abtastnadel zur Platte beziehen.

                                        Mit dem Programm habe ich zwei Erkenntnisse gewonnen:
                                        1) Mein Drucker druckt maßhaltig, das ist gut zu wissen, wenn man mal maßstäbliche technische Zeichnungen drucken will.
                                        2) Ich habe jetzt eine “geometrisch korrekte” TA-Schablone für einen Dual 731Q

                                        Für das Folgende würde ich in anderen Foren vermutlich gesteinigt, aber: Empirische Tests ergaben, dass zur hörbaren Wahrnehmung bei “Musik” der Spurfehlwinkel fast zweistellig, bei definierten reinen Sinus Testtönen um die zwei Grad betragen muss. Somit ist im “hörbaren” Bereich schon fast egal, ob die Schablone den Normen der IEC oder DIN entspricht oder den verschiedenen mathematischen Philosophien der Nulldurchgänge…. Meine Ortofon SME Schablone ist beispielsweise für den DJ-Bereich mit Bajonett-TAs ausgelegt – und funktioniert dennoch auch gut mit anderen Systemen. Der 731er ist da eh ein Sonderling, weil die Schwarzwälder hier den Tonarm leicht eingekürzt haben, weshalb es zur Befestigung “normaler” Halbzoll-Systeme einen Adapter benötigt…. alles wieder zusätzliche “Fummel-Faktoren”. Abgesehen davon vermag ich es auch nicht, eine TA-Nadel zehntelgenau auf eine Schablone zu setzen, eine so ruhige Hand vermag vermutlich nicht einmal eine Flasche Regent zu gewähren und auch, wenn ich kein Spekuliereisen auf der Nase trage, ist mein Augenlicht begrenzt. Die oftmals im Netz zu findenden Parameter betrachte ich daher als homöopathisch 🙂
                                        (Wie gesagt, steinigt mich)

                                        -Dennoch gibt es ein gutes Gefühl, die “passende” Schablone für seinen Dreher zu haben – und mit dem Programm ist eine solche kinderleicht zu erstellen.

                                        Gruß,
                                        -Sparky

                                        • #26499
                                          geloescht

                                            Moin.

                                            Nils, völlig richtig. Bei einem Sinuston sind natürlich die Möglichkeiten einer Interferenz wesentlich beschränkter, als bei einem komplexen Signal. Der Sinus stinkt nur in eine Richtung, der komplexe Ton, entsprechend einem Handkäse, nach allen Seiten. Kein Voodoo, empirische Akustik.

                                            Dazu kommen noch die harmonischen Verzerrungen.

                                            Halt Dich senkrecht.

                                            KH

                                            Sodele, reicht mal wieder für drei Wochen. Mmmhhh lecker Marmorkuchen.

                                      • #26498
                                        geloescht

                                          Moin.

                                          Kleiner Beitrag, auch nix über Lxxxxxxxxxxx oder Cxxxx., habe die Sandförmchen noch in der Hand.

                                          Muss da noch bissel Dummes dazugeben. Wie oben schon von Sparky ausführlich erwähnt, entsteht der tangentiale, auch horizontale Spurfehlwinkel durch den Unterschied der tangentialen Bewegung des Schneidstichels und der radialen Abtastung der fertigen Platte, es entsteht ganz einfach eine Fliehkraft nach aussen, nachdem der Tonarm den Nulldurchgang überlaufen hat.

                                          Hier wirkt auch die Antiskatingvorrichtung, also der Ausgleich der Schwerkrafteinwirkung. Diese Hybridaufgabe ist eigentlich das schwierigste und kritischste und somit auch das wichtigste Elelement der Justage. Dazu kommt, dass es unzählige Varitionen, bedingt durch Tonarmlänge, Kröpfung, Gewicht Tonarm und System gibt, was es auch nicht gerade vereinfacht. Kurz gesagt, den Tornarm 100% über die Platte zu führen, ist so unmöglich, wie aus der Regierung Merkel ein gutes Team zu formen und damit den Nahen Osten komplett zu befrieden.

                                          Es sind immer nur Näherungen, die man mit den Schablonen schon ordentlich bewerkstelligen kann. Ich habe die oben genannte Schablone mit dem kleinen Programm ausprobiert und gegenüber der einfacheren Variante Vonolabs nur minimale Unterschiede festgestellt, die man, bei der Komplexität des Problems vernachlässigen kann.

                                          Zu dem ganzen Problem kommt noch die Arbeitsweise unseres Gehörs und des anhängenden grauen Klumpens. Vielen ist nicht bewußt, dass sich das Gehirn, das ja auch noch aus zwei Hälften besteht, völlig asynchron verhält. D.h. die linke Hälfte steuert die rechte Körperhälfte, die rechte die linke Körperseite. Gut bei Schlaganfällen zu sehen. Nach den neuesten Forschungen ergab sich, dass das linke Ohr Musik mehr verstärkt als das rechte Ohr, das wieder auf Sprache spezialisiert ist. Das ist alles sehr komplex und würde hier überlasten. Das Gehirn spiegelt also das, was das linke Ohr von rechts hört und puzzelt es wieder zusammen. Kapiert? Ich auch nicht. Aber wichtig für das folgende Fazit.

                                          Die wichtigste Erkenntnis aus dem ganzen Gerümpel ist, dass das Gehör am empfindlichsten auf Seitenunterschiede reagiert, also wenn die Kumpels Antiskating und Spurfehlwinkelkorrektur nicht passen, ist alles im Eimer. Mein Tipp: Immer zuerst auf die beiden angesprochenen Parameter schauen, die Teufelchen verursachen den meisten Schaden.

                                          Schönen Samstag und viel Spaß beim Tonarmheben und fummeln, das gibt Muckis. Sorry für das Oberlehrerhafte, bin halt ein alter Klugscheißer.

                                          KH

                                        • #27065
                                          schlamperl

                                            Nabend Sparky,

                                            super Beitrag und schön bebildert. Da kann ich am We ja nochmals richtig Hand anlegen und schauen ob ich auch wirklich alles richtig gemacht habe. Habe schon viele Justage-Anleitungen auch bei Y usw. gesehen. Deine ist aber mit Abstand die BESTE!

                                            Auch einen Dank an Karl-Heinz für den Rat mit der CD. (Antiskating) Ich muss, glaube ich sogar, noch Maxi-Scheiben haben welche keine Rillen auf der Rückseite tragen, wenn ich mich nicht irre!

                                            Danke für diese Beiträge.

                                          • #27067
                                            Sparky

                                              Guten Abend,

                                              wie schon weiter oben erwähnt, übertreibt es mal nicht 🙂
                                              Derlei Anleitungen gibt es im Netz zuhauf, auch mit mehr Bildern oder Hintergrund Informationen.
                                              Ich versuche hier nur entsprechende Lücken zu schließen, damit der geneigte Leser möglichst alle Informationen auf einer einzigen Plattform finden kann. Und ich mag das Konzept der Vereinfachung, lasse somit dieses und jenes (meiner Meinung nach) Unwichtige weg oder stelle komplexe Zusammenhänge bewusst plakativ und weniger wissenschaftlich korrekt dar. Was das angeht können diese Beiträge also gar nicht “die Besten” sein – das ist auch nicht das Ziel, sondern einfach Lieschen Müller und dem Rest die Furcht vor teils komplizierten Aufgaben zu nehmen – das Leben muss gar nicht kompliziert sein, wenn man Mut zur Lücke hat 😉

                                              Gruß,
                                              -Sparky

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