Mark schrieb mir eine Mail mit schönen Grüßen von seiner kleinen Tochter. Die Einjährige hatte noch nicht die richtigen Vorstellungen, wie man sich die Musik erschließt. Dummerweise dachte sie, man könne es mit einem Schlüssel in allen Membranen schaffen – keine gute Idee. Die vier 7-360 seiner Kera 360.2 waren hin und er brauchte Ersatz. Kein Problem, die Parameter der neuen Chassis unterscheiden sich von der alten Serie ohne Hinterlüftung für die Zentrierung erst in der 3. Stelle hinter dem Komma.
Nun hatte Mark zuvor schon angenehme Zeiten mit der Duetta durchlebt, der ER4 war noch in guter Erinnerung. Es ist nicht so, dass er mit der Keramik-Kalotte unglücklich war. Aber nur Ersatz oder die Gelegenheit am Schopf gepackt und doch etwas Neues mit dem Eton-AMT, war nun die Frage. Neue Siebener rein ist einfach: Rausschrauben, auslöten, anlöten, einschrauben, Musik hören. Einige Hundert Euro Investition hätten ihn zurück auf den gewohnten Stand gebracht. Oder doch noch Geld dazu packen und zum ER4 zurück, dafür auch gleich die Gehäuse von uns bauen lassen, weil in der Wohnung kein Platz und durch die Kinder kaum Zeit vorhanden waren?
Einen Rat konnte ich ihm nicht geben, doch seine Wünsche kollidierten wunderbar mit der Linie 52 ACL – schlanker als die Kera und mit seinem Wunschhochtöner. Für mich der schönere Auftrag, zugleich ein neuer Bauvorschlag, der vom ersten Moment der Entstehung dokumentiert werden konnte. So kamen wir überein, den Weg ins eher Unbekannte zu nehmen. Vertrauen konnten wir darauf, dass er bisher immer zu einem guten Ziel führte. Immerhin sind auf ähnliche Weise grob zehn ACL’s entstanden, von denen keine einzige am Ende enttäuscht hat. Zudem hatten wir die 5er aus der Symphony-Reihe aus Neugier bereits in der Chorus 51 auf ACL-Eignung getestet.
Multiplex in 18 mm Stärke sollte es werden, Front und Rückwand aufgesetzt, Kanten leicht gebrochen und Öl zum Anfeuern. Also schnell eine Simulation mit LspCAD und eine Sketchup-Zeichnung gemacht, die der Chorus 52 ACL recht ähnlich sieht.
Den Werkstoff verkaufte uns der Großhändler, die Schnitte erledigte die Bosch GTS 10, die uns Michael Truppe seinerzeit empfohlen hatte. Verfeinert haben wir sie durch einen selbst konstruierten Schiebeschlitten, der tatsächlich wackelfreies Sägen im 90 Grad-Winkel möglich macht. Und so war innerhalb recht kurzer Zeit der größte Teil der Arbeit erledigt. Naja, in neuer Gruppierung verkleben mussten wir die Bretter noch. Und da gab es auch schon die erste Gelegenheit, für diesen Bericht etwas Sinnvolles zu fotografieren.
Was auf den ersten Blick recht unscheinbar aussieht, sind zwei Multiplex-Platten, die wohlgefällig in der Mitte gut 5 mm Abstand halten. Dafür schmiegen sie sich an den Enden innig aneinander, wie soll man da eine gerade Schnittkante flächig aufsetzen?
Nun, legen wir erst einmal einen Zurrgurt unter die Seitenplatte, markieren die Positionen der Teiler und beginnen ungerührt mit der gewohnten Leimarbeit.
Das Ergebnis war zu erwarten, jetzt musste das Problem gelöst werden. Zurrgurt drüber und festziehen lässt das aufgelegte Brett mit großer Sicherheit seitlich verrutschen, sobald wir die Werkstatt verlassen haben. Also musste eine Bremse her.
Zwei Klemmzwingen klemmten die Platte komplett auf Deckel und Boden, der Zurrgurt sorgte für den Andruck. So ließen wir das Holzgestell eine halbe Stunde ausruhen, bevor wir Front und Boden an Ort und Stelle klebten.
Natürlich gab es auch hier Rundungen zu bezwingen, dafür hatten wir noch eine stabile Schraubzwinge zur Hand. Nun lagen alle Platten bündig aufeinander und der Kleber durfte trocknen. Nach Grob- und Feinschliff trugen wir mit einem breiten Pinsel Leinöl auf, einen Kanister mit 5 Litern Inhalt lieferte uns die Lausitzer Ölmühle für weniger als 20 Euro. Wunderbar wurde die Maserung angefeuert und das Holz erhielt eine edle, goldgelbe Färbung.
Da Mark uns nicht täglich aus Ungeduld drei Mails schrieb, hatte das Öl gut eine Woche Zeit zum Trocknen. Es belohnte uns nach dem Endschliff mit einer handschmeichelnden Oberfläche, die man gar nicht mehr loslassen möchte. Mussten wir aber, denn wir brauchten auch eine Weiche und zugehörige Chassis in den schönen Multiplex-Stangen. Eine Basis hatten wir durch die Linie 52 ohne ACL, deren Schaltung wir geringfügig änderten. Eigentlich wurde nur den Mitteltöner etwas früher heraus genommen, dafür der Pegel des ER4 minimal abgesenkt. Notwendig oder nicht? Das macht wahrscheinlich jeder Boxenbastler, wenn er die Kisten schon mal vor dem Mikrophon hat. Gemessen hat es sich so:
Die Weichenteile werden mit Heißkleber auf ein 4 mm HDF-Brettchen, das dann auf die Rückwand hinter den Hochtöner geklebt. Das Kabel zum Terminal wird an einer Schnur durch das Kammergewirr gezogen, wie wir es bei der SB 24 ACL schon beschrieben haben. Bekannt ist allen regelmäßigen Lesern, dass beim ER4 der blaue Stecker der Pluspol, der rote der Minuspol ist. Nun hat Eton jedoch die Anschlüsse von 2 mm Bananen auf 2,8 mm Flachhülsen geändert und blau gibt es nicht mehr. Für uns ein toller Anlass, mit ein paar Fotos den Einbau des Hochtöners zu dokumentieren.
Auf die Kabel von der Weiche haben wir Flachstecker gekrimpt, die wir natürlich auch mitliefern. Durch eine 8 mm Bohrung ziehen wir die Kabel in die HT-Kammer und stecken das rote auf die Hülse an schwarz, das schwarze an die Hülse an rot. Die Sprungantwort zeigt durch die erste Auslenkung nach oben, dass wir den ER4 richtig gepolt haben. Die Kabel ziehen wir nun durch das Bohrloch in die Basskammer, die offene Verbindung dichten wir mit einem Pfropfen aus Reparatur-Wachs ab. Moosgummi mit 8 mm Dicke (oder 2 x 4 mm) wird in die Kammer hinter den Hochtöner gelegt, der ER4 nach Vorbohren und Einlegen der Dämmwatte (20 x 80 cm) in die obere Kammer angeschraubt. Das Reflexrohr kürzten wir auf 12 cm, hier ist noch eine kleine Raumanpassung durch länger (tiefer, leiser) oder kürzer (mehr Kick) möglich. Kurzer Hörtest, alles ok, Mark konnte zum Abholen kommen.
Nach langer Anreise war er pünktlich zur Ladenöffnung in Bochum, nahm die neuen Boxen in Augenschein und gleich darauf seinen Platz auf dem Sofa ein. Kaum hatten wir unseren Hörtest begonnen, gesellte sich ein weiterer Besucher zu uns. Er war sichtlich beeindruckt von der schlanken Kiste, die da so fröhlich vor sich hin musizierte. Mark war etwas reservierter. Er erklärte es selbst am besten in seiner Mail, die er mir am nächsten Tag schrieb:
“Hallo Udo,
Danke für deine Mühen! Mit einem mulmigen Gefühl verließ ich deinen Laden mit zwei Spargeln. Tatsächlich mag ich doch die Linie 54 am meisten. Doch die passen bei mir leider nicht rein. Duetta’s und Kera 360.2 formten meinen Lautsprechergeschmack in den letzten ca.13 Jahren. Dann bei dir ein wenig geschockt, die fast jungfräulichen L52 ACL gehört: kreischender ER4 und plötzlich ein 5 er TMT. Das klingt mal ganz anders. Beim Querhören dann schon mal festgestellt, die Raumdarstellung ist richtig gut, vielleicht sogar besser als bei der L 54. Unsicher habe ich sie dann nach Hause mitgenommen. Nochmal 24 Stunden volle Lotte gequält und Platz genommen. Festgestellt habe ich für mich das nun Folgende:
Hypex trifft meinen Röhren und Class A verseuchten Geschmack nicht. Die L 52 ACL klingt unheimlich erwachsen! Selbst an der Kera 360.2 durfte ein Sub zuarbeiten, der jetzt arbeitslos ist. Sie hat ganz unten im Bass einfach ein sauberes und lässiges Auftreten. Stereoabbildung geht kaum besser, mehr brauche ich nicht!
Sie ist quirliger/ lebendiger im Sound als alles mit nur einem 360er in den Mitten. Sie ist aufstellungsunkritisch, so leicht war es bei mir noch nie! Das einzige Manko ist, dass es einen überschaubaren Kickbass gibt. Aber in kleinen Räumen wie meinem mit ca.18 qm reicht auch der Kickbass und sie ist in Sachen Größe, Aufstellung und Bassausbeute sowas wie ein Schweizer Taschenmesser für mich. Ich freue mich schon auf einen richtig eingespielten ER4!
PS: Meine Frau findet sie auch gut.”
Vier Tage später schrieb er erneut:
“Die Linie 52 ACL ist so gut wie eingespielt und mein Stromanbieter freut sich über meinen Stromverbrauch. Der AMT ist endlich seidenweich und eins mit den TMT geworden. Die Auflösung ist über jeden Zweifel erhaben und jedes noch so hintergründig spielende Instrument findet seinen verdienten Platz ohne zu nerven. Der Bass ist beweglicher geworden und ruht sich nicht mehr auf ein paar Frequenzen aus. Eigentlich schade, dass der Hörerkreis so winzig ist und nicht einmal du einen würdigen Eindruck von dem Lsp. bekommen konntest. Ich kann mir in einem kleinen Raum kaum Besseres vorstellen. Nach anfänglichen Zweifeln ziehe ich meinen Hut.”
Gegen neugierige Kinderfinger hat er noch eine Abdeckung vor die Chassis gesetzt. Ich wünsch viel Spaß mit den Kleinen. Die einen werden im Lauf der Zeit größer und so wird sich das Zusammenleben wie schon die Lautsprecher von selbst einspielen.
Udo Wohlgemuth
Zum Nachfolger BelAir 52 ACL passiv im Online-Shop
Hallo,
ganz kurze Frage: ist das MPX Birke?
Es ist im Vergleich recht hell, fast gelblich. Das das unschlagbar preiswerte Leinöl dafür verantwortlich ist glaube ich nicht, das feuert bestimmt nicht großartig anders an als die handelsüblichen farblosen Öle.
Gruß Rundmacher
Hallo Peter,
über die wirklich schöne Färbung durch das Öl war ich auch erstaunt. Ich bring ein behandeltes Brett nach Nordhausen mit, dann kannst du es in Natura sehen.
Gruß Udo
Hallo Udo und Mark,
endlich, da ist sie, die ACL mit ER4! Toller Bericht, tolle Lautsprecher genau zur richtigen Zeit. Da ich schon von Georgs Chorus 52 ACL schwer beeindruckt war, bin ich gespannt, wie sich die Linie 52 ACL live anhört.
@Udo: Wird sie in Nordhausen dabei sein (nachdem du dem gemeinen Leser so kurz vor den Treffen diese „Möhre“ vor die Nase hälst)?
@Mark Busse: Kannst du etwas zu deiner Raumgröße sagen, wenn die Linie 52 ACL so locker Kera 360.2 plus Sub ersetzt?
Ansonsten viel Spaß mit deinen neuen Schätzen und stets heile Sicken.
Viele Grüße, Tobias
Hallo Tobias,
es ist sehr unwahrscheinlich, dass die Linie 52 ACL in Nordhausen zu hören ist. Im Laden habe ich die Linie 54 mit dem gleiche Oberteil und die Chorus 52 ACL mit nahezu dem gleichen Gehäuse. Und sie ausschließlich für unser Jahresabschluss-Treffen aufzubauen, ist eher nicht drin.
Gruß Udo
Hallo Udo,
das habe ich mir fast schon gedacht. Auch ohne Linie 52 ACL freue ich mich auf Nordhausen.
Grüße, Tobias
Moin Tobias,
Zitat: “…kleinen Räumen wie meinem mit ca.18 qm …”
Besten Gruß
Danke Matthias, hab‘s glatt überlesen.
Sehr schön, hatte schon lange darauf spekuliert wann diese ACL Form kommt 😉
Würd ich irre gerne mal hören, die Klangbeschreibung macht schon Lust auf mehr!
Moin Moin,
als Fan der ACL Bauweise und der DˋAppolito Anordnung klingt der Bericht so als hättest Du da was leckeres auf die Beine gestellt. Der ER4 ist eh über jeden Zweifel erhaben … puh … worauf Spar ich den jetzt …
Ich befürchte das die neuen nicht in Nordhausen zu bestaunen sind … oder?
Gruß, Markus