12. Januar 2020

Entstehung der Teltower Granduetta

Autor: Stefan Ludwig

Ein Umzug bringt so manche Veränderung. Wir zogen aus einer Dreizimmerwohnung in einem Münchner Mehrfamilienhaus in ein Einfamilienhaus nahe Berlin. Das brachte Veränderungen: die Kinder können ungestört (und laut) spielen, und Musikhören macht wieder viel mehr Spaß, wenn man weiß, dass keine Nachbarn gestört werden. Da kam meine zuletzt auf Mehrfamilienhaus optimierte Anlage schnell an ihre Grenzen.

Zunächst ersetzte ich den alten CD-Player und Tuner durch einen modernen Netzwerkplayer und es musste ein ordentlicher Verstärker her. Ich entschied mich für den CXNv2 und den Azur 851A, beide von Cambridge Audio. Außerdem richtete ich die von meinen Kindern eingedrückten Kalotten der Tiefmitteltöner meiner alten im Jahr 1990 selbstgebauten Lautsprecher (Zweiwege Eton) mit einem Staubsauger wieder her und kürzte die oxidierten Kupferkabel. Die Dynamik und nicht gekannte Raumauflösung meiner alten Lautsprecher mit dem neuen Equipment (und den abgeschnittenen Kabeln) war eine angenehme Überraschung! Aber auf einmal zeigten die alten Lautsprecher Schwächen, die mir vorher nicht aufgefallen waren: mit dem sehr analytischen Azur 851A wirkten die Höhen, z.B. einer Geige, etwas sandig, aber vor allem fehlte der Tiefbass. Dafür konnte man eine Resonanz bei etwa 70 Hz hören. Allmählich reifte die Entscheidung, neue Lautsprecher zu bauen. Diesmal wollte ich keine Kompromisse eingehen, außer einem Preislimit von maximal 5000 €.

Die Suche

Anders als in dem Baujahr meiner alten Boxen, in dem weder das Internet allgemein verfügbar, noch das Lautsprecher selber Bauen so populär wie jetzt war, findet man inzwischen im Internet eine Menge Lesestoff zum Thema Lautsprecherselbstbau. Ganz offensichtlich besteht die Kunst darin, Blödsinn und nützliche Beiträge im Internet auseinanderzuhalten. Beeindruckt hat mich die oft pseudowissenschaftliche Diskussion über Kabel. Da nutzt so mancher Kabelhändler wohl kaltblütig das Bestreben Unwissender mit lockerem Geldbeutel aus, den perfekten Klang zu erreichen. Gott sei Dank gibt es auch viele, sehr interessante Informationen in unterschiedlichen Foren.

Diverse Berichte über die Duetta begeisterten mich, so dass ich bald nach einer Möglichkeit suchte, sie Probe zu hören. Dank der Probehör-Landkarte fand und kontaktierte ich Monti, der nicht weit von mir wohnt. Ein paar Tage später fand ich mich in Chris’ Wohnzimmer wieder. Was für ein beeindruckendes und schönes Individuum, die Duetta Monti! Beim Probehören überzeugte mich der ER4 mit seiner unvergleichlich präzisen Auflösung (in Klang und Raum). Die Dynamik der Duetta Monti machte einfach Spaß, ob wir Prog, Jazz oder klassische Musik abspielten. Die Duetta kann viel, weil sie Musik einfach unverfälscht wiedergibt. Gerade diese Eigenschaft war mir wichtig, weil ich gerne unterschiedliche Musikrichtungen höre. Nach einer ausführlichen Hörsession führte mir Chris noch sein ebenso beeindruckendes Heimkino (mit Duetta, Duetta Center und Duetta Top) vor und zeigte mir den im Bau befindlichen beeindruckenden Subwoofer, der das Kinoerlebnis in Chris’ Wohnzimmer inzwischen sicher vervollkommnet.

Ich war begeistert, musste erst einmal nachdenken, machte erste Zeichnungen und eröffnete die Verhandlungen mit meiner Frau. Schnell war klar: ich durfte Lautsprecher bauen, aber bitte keine Ungetüme und auf keinen Fall größer als sie. Dabei wünschte ich mir eine noch größere Bühne als die der Duetta und abgrundtiefe, trockene und unangestrengte Bässe. Hmmm, vielleicht ginge ja sogar die Granduetta, sie ist doch kein Ungetüm? Sie würde zwar etwas voluminöser, aber bestimmt nicht höher als meine Frau werden. Langsam reifte die Entscheidung.…


Abbildung 1: Maßstäbliche 3D-Simulationen der geplanten Lautsprecher.

Die Planung

Als nächstes kontaktierte ich Udo W.. Ich stellte ihm einige Fragen, da ich die Lautsprecher nicht blind bauen, sondern möglichst viel verstehen wollte, um das bestmögliche Ergebnis zu erreichen. Udo beantwortete mir alle meine Fragen sehr nett und kompetent per Email. (Im Nachhinein kann ich feststellen, dass man Udo auch blind vertrauen könnte.) Aus Interesse versuchte ich zunächst, mithilfe der Standardformeln die idealen Boxenmaße auszurechnen. Mit den Standardformeln und Herstellerangaben erhält man allerdings wesentlich kleinere Volumina als Udo’s Vorschläge. Ich habe versucht, dies zu verstehen und kam zu etwa folgendem Ergebnis: Zunächst finde ich in diesem Zusammenhang wichtig zu erkennen, dass man Lautsprecher theoretisch beliebig groß (unendlich ausgedehnte Schallwand), aber aufgrund endlicher Wellenlängen des Schalls nicht beliebig klein machen kann. Das ideale Volumen hängt aber von den mechanischen Eigenschaften der Chassis ab, da die Luftsäule im Lautsprecher eine Rückstellkraft auf die Membran erzeugt, die eine erzwungene Schwingung ausführen soll. Die Zusammenhänge sind kompliziert und in so einem Fall hilft meistens Erfahrung mehr als die umfassendste Rechnung.

Nach kurzem Dialog mit Udo entschied ich mich also, Udo’s Vorschläge umzusetzen, weil die größeren Volumina einen lebhafteren Klang ergeben würden. Als nächstes diskutierte ich mit Udo die Anzahl, Form und Lage der Versteifungsbretter, minimale Querschnittsflächen, um zu starke Luftströmungen zu vermeiden, usw…. Am Ende brauchte es mehrere Iterationen von Zeichnungen, bis sowohl Udo als auch ich vollständig zufrieden mit meinen Plänen waren. Herzlichen Dank Udo, für die kompetente Beratung und Deine tolle Unterstützung in einigen Iterationen. Wenn Du ein Buch über den Boxenbau schreibst, bin ich Dein erster Kunde!


Abbildung 2: Berechnung der Gehäusemaße. Gesamtvolumen, Volumen der Mitteltöner-Kammer, Gesamthöhe, Breite der Schallwand, Grundrisswinkel sowie das Verhältnis der Seitenwandteile ist vorgegeben; weitere Maße habe ich aus den Vorgaben berechnet.

Meine Granduetta sollte ausreichend Volumen bekommen und stabil werden, dabei aber möglichst klein und elegant wirken. Nach einigem Herumprobieren entschied ich mich für eine sechseckige Grundfläche, wobei die Schallwand und Rückwand parallel zueinander stehen würden. Für das Breitenverhältnis der zweigeteilten Seitenwände wählte ich (vor allem aus ästhetischen Gründen) den goldenen Schnitt mit (a + b) / a = a / b, wobei der Winkel zwischen der vorderen Seitenwand und der Schallwand 10° und der Winkel zwischen der Rückwand und der hinteren Seitenwand 12° betragen sollte. Damit würden möglichst wenige Wände (lediglich Vor- und Rückwand) parallele Flächen aufweisen. (Ob man den Unterschied bzgl. stehender Volumenwellen bei ansonsten gut gebauten Boxen tatsächlich hört, sei dahingestellt.)

Als Gesamthöhe (von außen) wählte ich die maximal erlaubten 176,5 cm. Die Breite der Schallwand wählte ich mit dem Innenmaß von 30 cm minimal breiter als für die Tieftöner mindestens notwendig. Außerdem sollte der Mittelpunkt des ER4 in mittlerer Ohrhöhe, nämlich 100 cm über dem Boden liegen und alle Lautsprecher in der Anordnung Tieftöner – Mitteltöner – ER4 – Mitteltöner – Tieftöner (vertikal) möglichst dicht beisammen liegen.

Nach langem Hin und Her und professionellem Rat verschiedener Tischler entschied ich mich gegen Multiplex (obwohl mir die Duetta Monti besonders gut gefällt!) und für MDF. Der Grund ist, dass sich große Multiplexbretter relativ leicht verziehen können, was beim Zusammenbau zu Passproblemen und danach zu Verspannungen der Gehäuse führen kann. Für die Außenwände wählte ich 25 mm Wandstärke und für die Innenbretter 22 mm. Noch dickere Wände würden die Boxen im wörtlichen Sinn untragbar machen.

Nach mehreren Iterationen der Zeichnungen und ausführlichen Email-Diskussionen mit Udo entschied ich mich dafür, jedem Lautsprecher zwei getrennte Basskammern zu gönnen. Dies vereinfacht die Vorhersage des Ergebnisses, da die kommunizierende Röhre wegfällt, die sonst die beiden Tieftöner hinter der Mitteltönerkammer verbinden würde, siehe Skizze unten. Konkret wollte ich die Gefahr von zu starken Luftströmen hinter der Mitteltönerkammer, die wegen der Asymmetrie zwischen den Formen der beiden Tieftönerkammern entstehen könnten, vermeiden. (Wären die Basskammern symmetrisch um die Mitteltönerkammer angeordnet, hätte die Schallschnelle im Zentrum hinter der Mitteltönerkammer einen Knoten und die Luft würde dort stehen.) Udo gab mir Mindestvolumina sowie Querschnitt und Tiefe der Bassreflexschlitze vor (entsprechend der Anleitungen zur Granduetta im Acoustic Design Online Shop). Die übrigen Brettermaße und Winkelschnitte berechnete ich mithilfe eines Programms, das ich mir dafür selber schrieb. (Die einfachere, aber teurere Alternative wäre ein professionelles Designerprogramm wie Pytha gewesen, das gerne von Tischlern verwendet wird.)


Abbildung 3: Querschnitt der Lautsprecher mit Bemaßungen. Abstände zwischen Versteifungsbrettern sind unterschiedlich und so gewählt, dass die Ausbildung von Gehäuseresonanzschwingungen möglichst vermieden wird. Außenwände sind 25 mm dick, Innenbretter 22 mm. Rechts oben: Grundschnitt. Rechts unten: Bassreflexschlitz-Konstruktion (rot) mit Versteifungsbrett (blau).

Bei Design und den Positionen der Versteifungsbretter achtete ich auf eine möglichst unregelmäßige Anordnung, um auch Wandschwingungen mit Knoten an den Versteifungsbrettern zu verhindern. Am besten funktioniert dies theoretisch, wenn das Verhältnis benachbarter Abstände zwischen Versteifungsbrettern eine möglichst irrationale Zahl ist (die irrationalste aller Zahlen entspricht dem goldenen Schnitt, der tatsächlich öfter im Boxenbau verwendet wird). Udo legte mir als weiteres Kriterium nahe, dass der freie Querschnitt überall deutlich größer als die Membranfläche der zugehörigen Lautsprecher sein sollte, um Strömungsengpässe zu vermeiden.

Wie man den Skizzen in den Abbildungen 1 und 2 entnehmen kann, plante ich, die Außenbretter über Gehrungen (also gewinkelte Anschnitte) zu verbinden. Aufgrund der sechseckigen Grundfläche, auch noch mit drei unterschiedlichen Winkeln, war es mühsam, die erforderlichen Winkel der Gehrungsschnitte zu berechnen und diese Rechnungen in mein Programm zur Errechnung der Boxengeometrie zu integrieren. Das wäre mit einer professionellen Designersoftware wesentlich einfacher gegangen, aber mein Ehrgeiz war geweckt. Am Ende haben wir übrigens die Deckel, anders als in meinen Skizzen, sogar mit Vollgehrung eingesetzt.

Außerdem entschied ich mich für eine etwas breitere Bodenplatte zur besseren Stabilität. Die sieht übrigens auch sehr schön aus, siehe Abb. 13 unten. Sämtliche Innenbretter (außer der Mittelkammer-Rückwand) sollten vernutet werden, um das Zusammensetzen der Lautsprecher zu vereinfachen. Einige der geplanten Nuten sind in Abb. 4 blau eingezeichnet. Ich kann das Vernuten der Innenbretter großer Lautsprecher mit komplexen Formen nur empfehlen. Dies vereinfacht beim Verleimen unter Zeitdruck das passgenaue Einsetzen der Innenbretter enorm.


Abbildung 4: Beispielhafte Konstruktionszeichnungen von Gehäusebrettern mit Nuten (blau) zur genauen Positionierung der Innenbretter. Die Nuten sind 5 mm tief.

Abbildung 5: Links oben: Außenbretter zunächst grob (einige cm zu groß) zugesägt. Links mitte: Innenbretter grob zugeschnitten (darunter sind die bereits weiter verarbeiteten Gehäusebretter). Links unten: Furnierblätter werden nach Muster ausgewählt und passend für die unterschiedlichen Außenbretter mit Klebeband zusammengeklebt. Mitte: Zwei beidseitig fertig furnierte Bretter. Pro Brett habe ich zwei Furnierstreifen mit fast identischem Muster spiegelsymmetrisch aufgebracht. Das Klebeband wird abgezogen und Reste plan abgeschliffen. Rechts oben: Testgehäuse mit Originalumfang zum Überprüfen der Gährungswinkel. Die Klebestreifen verraten, dass mit der Klebebandmethode verleimt wurde. Rechts unten: Frequenzweichenbretter vor dem Verlöten. Die Komponenten sind mit Montagekleber auf 8 mm MDF geklebt. Große Komponenten sind in passende 4 mm tiefe Vertiefungen geklebt, um die Haftung zu verbessern.

Der Bau der Lautsprecher

Aufgrund der Komplexität der Bretter mit Gehrungen unterschiedlicher Winkel entschied ich mich dafür, einen Schreiner mit dem Zuschnitt der Bretter zu beauftragen. Es stellte sich aber als wesentlich schwieriger als erhofft heraus, einen Schreiner zu finden, der mir die Bretter zu mir vernünftig erscheinenden Konditionen passgenau zurecht schneiden würde. Die meisten Schreiner waren einfach gut ausgelastet und entschieden sich für lukrativere Aufträge bzw. boten mir Unterstützung mit mehrere Monate langen Wartezeiten an. Während der Suche konnte ich allerdings mit unterschiedlichen Experten über mein Projekt reden. Dabei wurde mir immer klarer, dass das Zusammensetzen und Verleimen der doch sehr großen Lautsprecher ohne professionelle Unterstützung sehr schwierig werden würde. Deshalb war ich glücklich, als ich nach monatelanger Suche durch den Tip eines Arbeitkollegen einen Möbeltischler fand, der mir erlaubte, die Lautsprecher vom Brettersägen bis zum Verleimen und mit seiner professionellen Hilfe für einen Freundschaftspreis in seiner Werkstatt selber zu bauen.

So konnte ich meine Lautsprecher schließlich gemeinsam mit Profis und mit professionellen Maschinen und Werkzeug bauen. Dabei habe ich zudem viel über das Tischlerhandwerk gelernt, neben Respekt vor den Profis! Bis auf das dafür notwendige extrem frühe Aufstehen an mehreren Samstagen hatte ich viel Spaß mit Marco, Norbert und Kollegen. Vielen Dank an Euch und das Team für die tolle Unterstützung!



Abbildung 6: Außenbretter mit Gehrungen, außer Deckel und Böden, die erst ganz am Schluss eingepasst wurden. Ganz rechts: Verleimung einer der 4 Bassreflexschlitz-Konstruktionen mit Hauptbrett, Seitenwänden sowie Versteifungsbrett. Auf diese Weise wurde auch die Mitteltönerkammer bereits vor dem Einbau verleimt.

Abbildung 7: Zum Fräsen der Löcher und Vertiefungen inklusive der Nuten wurde eine große CNC-Fräse verwendet.

Zunächst mussten die Bretter, für die Norbert ein möglichst hochwertiges und dicht gepresstes MDF besorgte, grob zurecht gesägt werden. Wir sägten sämtliche Bretter etwas größer als die Endmaße zu, denn sie sollten noch furniert und dann mit Gehrungsschnitten versehen werden. Ich wählte lebhafte Eiche als Furniermaterial, mit dem die Oberflächen veredelt werden sollten. Die Bretter sollten beidseitig (also von innen und außen) furniert werden, damit sie sich nicht unter Spannung verziehen würden. Ich musste also jede Menge Furnierplatten zusammenkleben. Für die Außenseiten lohnt es sich dabei, die Furnierstreifen sorgfältig auszuwählen und beim passgenauen Zusammenkleben auf die spiegelsymmetrische Anordnung der Muster benachbarter Streifen zu achten, denn davon hängt ab, wie schön und edel die Oberfläche am Ende aussieht.

Vor dem Furnieren schliffen wir die MDF Rohbretter noch mit einer speziellen Maschine plan und auf die exakte benötigte Dicke (25 mm minus Dicke der Furnierplatten). Zum Furnieren brachten wir den Leim mit einer Rolle auf die Bretter auf und legten dann die Furnierlagen darauf, und zwar jeweils auf beide Seiten der Bretter. Letztere kamen dann für etwa 15 Minuten in eine hydraulische und geheizte Presse. Vor der ersten Lackierung (mit einer Spritze) schliffen wir die Oberfläche noch auf beiden Seiten (minimal) ab und beseitigten damit auch gleich Leimreste sowie Unebenheiten. Die linke Seite der Abb. 5 zeigt die grob zugeschnittenen Bretter sowie Schnappschüsse der Furnierarbeit.

In Abb. 5 sind rechts unten die Weichenbretter mit den aufgeklebten Bauteilen zu sehen. Für die größten Bauteile sägten wir mit der CNC-Maschine Vertiefungen in Bretter. Dann klebte ich die Komponenten mit Montageleim auf die Bretter und verlötete sie untereinander und mit den Kabeln. Wo notwendig, bohrte ich dann Löcher in die Innenbretter der Lautsprecher, um die Kabel zu den Lautsprechern führen zu können. Die Weichen(bretter) befestigte ich vor dem Verleimen der Lautsprecher mithilfe von Holzschrauben, jeweils ein Brett an der Rückwand hinter dem unteren Tieftöner und eines auf dem Versteifungsbrett darunter.

Die Hauptarbeit aber war das genaue Zusägen der Bretter. Zunächst bauten wir ein Modell (rechts oben in Abb. 5), um sicher zu gehen, dass die Gehrungswinkel exakt stimmten. Sämtliche Gehrungsschnitte sägten wir mit einer Kreissäge mit verstellbarem Winkel. Dabei stellten wir immer wieder sicher, dass die Nachbarbretter genau passen würden. Damit die Außenkanten am Ende passgenau zusammengesetzt werden können, sollte dabei auf der Innenseite der Gehrungen etwas (minimal, entsprechend ca. 0.5°) Spiel eingeplant werden. Das Ergebnis ist in Abb. 6 zu sehen. Das Foto ganz rechts zeigt außerdem das Verleimen eines Bassreflexschlitzbretts mit den Seitenbrettern und einem Versteifungsbrett. Auf diese Weise verleimten wir auch die Mitteltönerkammern vor dem Einsetzen in die Boxen. Sämtliche Öffnungen, Schraublöcher und vor allem die Nuten haben wir dann mit einer großen (und sehr beeindruckenden) CNC-Maschine geschnitten, siehe Abbildungen 7, 8 und 9. Um die etwas unterschiedlichen Chassis genau einzupassen, haben wir die Chassis-Löcher zunächst minimal zu klein geschnitten und in einem zweiten Schritt genau angepasst.

Abbildung 8: Fast fertige Schallwände. Unten: Einpassen der Chassis. Die Maße der Chassis sind etwas unterschiedlich und weichen entsprechend ein wenig (< 1 mm) von den Spezifikationen ab. Zum genauen Einpassen haben wir die Löcher zunächst für die kleinsten Maße gefräst und dann individuell vergrößert.

Zum Verleimen der Lautsprecher baute Marco zwei spiegelverkehrte Schablonen, in den Abbildungen 10 und 11 zu sehen. In die Schablonen passten jeweils eine Schallwand und zwei Seitenbretter der Lautsprecher (mit sechseckigem Grundriss) hinein. Verleimt haben wir grundsätzlich mit der Klebebandmethode, wie links in Abb. 11 oder auch im Modell rechts oben in Abb. 5 zu sehen ist. Im ersten Schritt verleimten wir lediglich jeweils eine Schallwand mit zwei Seitenwänden auf der selben Seite, siehe Abb. 10, und im zweiten Schritt kamen die Rückwände dazu. Im dritten Schritt (links in Abb. 11 zu sehen) klebten wir die anderen beiden Seitenwände zusammen, aber verleimten sie noch nicht mit den Lautsprechern, denn es mussten ja noch sämtliche Innenbretter eingesetzt werden. Bei dem Verleimen der Außenwände haben wir immer sämtliche Bretter zusammengesetzt und mit Klebeband verklebt, auch solche, die noch nicht verleimt wurden, um sicherstellen, dass am Ende sämtliche Außenkanten exakt passen würden. Die zusammenhängenden Innenbretter der Mitteltönerkammern sowie Reflexschlitze jeweils mit Versteifungen hatten wir bereits außerhalb der Lautsprecher zusammengeleimt. Die Bretter zum Abschließen der ER4-Kammern schraubte ich beim Ankleben an die Schallwand außerdem von Innen an die Schallwand an.

Abbildung 9: Seiten-, Rück- und Bodenbretter mit Nuten. Für die hier sichtbaren Innenseiten wurde etwas weniger schönes Furnier als für die Außenseiten verwendet.

Abbildung 10: Zum Verleimen der Lautsprecher wurden zwei passgenaue Schablonen gefertigt. Zunächst wurde eine komplette Seite (aus zwei Brettern) mit der Schallwand verleimt (links), dann nur die zweite Seite (rechts, die Rückwand ist mit Klebestreifen verbunden, aber noch nicht verleimt).

Jetzt kam der letzte und spannendste Schritt des Zusammenbaus: Es mussten jeweils gleichzeitig sämtliche Innenbretter sowie die bereits verleimten Mitteltönerkammern und Reflexschlitzkonstruktionen passgenau eingesetzt und verleimt, die Kabel durch die jeweiligen Löcher gefädelt und die Löcher mit Montageleim geschlossen, sowie die zweite Außenseite passgenau aufgesetzt und verleimt werden. Für die vernuteten Innenbretter verwendeten wir PU-Leim, da er sein Volumen beim Aushärten vergrößert und so die Nuten voll ausfüllt. Für alle anderen Bretter verwendeten wir normalen Holzleim. Da die Verarbeitungszeit des PU-Leims etwa 10 Minuten beträgt, mussten diese Arbeiten schnell durchgeführt werden. Bei den großen Lautsprechern haben wir dies zu fünft gemacht. Alleine hätte ich keine Chance gehabt, zu zweit wäre es eine enorme Herausforderung gewesen.

Abbildung 11: Im nächsten Schritt wurde die Rückwand angeklebt, wobei die zweite Seite mit Klebeband befestigt, aber noch nicht verleimt ist. Die Innenbretter wurden dann im letzten Schritt eingesetzt und gemeinsam mit der zweiten Seitenwand verleimt. Dabei wurden auch die Frequenzweichen eingesetzt und die Kabel zu den Chassis verlegt (rechts). Am linken Bildrand sieht man die Kabeldurchführung von der unteren in die obere Basskammer. Das Loch wurde mit weichem Montageleim (dunkelbraun) zugeklebt.

Die Gehrungen des Deckels waren zu diesem Zeitpunkt noch nicht gesägt. Denn die Deckel wurden erst jetzt genau auf Vollgehrung eingepasst. Mit Deckel aber noch ohne Boden wurden die Lautsprecher dann ein zweites mal (matt-glänzend) lackiert. Die Bodenbretter haben wir aus optischen Gründen getrennt innen und außen lackiert, weil die Böden ja seitlich überstehen würden. Meine nächste Aufgabe war es, die Chassis einzusetzen und zu verlöten. Ich hatte die von Udo mitgelieferten Kabel durch Lautsprecherkabel aus sauerstoffarmem Kupfer ersetzt. Aufgrund des geringen Widerstands dieser Kabel erwies sich das Verlöten, insbesondere an die Chassis als schwierig. Einerseits muss man mit viel Leistung Löten, weil die Lautsprecherkabel die Wärme sehr schnell ableiten, andererseits würde zu viel Leistung andere Lötstellen an den Chassis schmelzen. Ob man am Ende die etwas besseren Kabel hört, kann ich nicht beurteilen. Bei der Größe der Lautsprecher ist aber zu beachten, dass die Kabellängen innerhalb der Boxen im Vergleich zu denen außerhalb nicht vernachlässigt werden können.

Während des Einbaus der Chassis habe ich die von Udo mitgelieferten Dämmmatten gleichmäßig in alle Kammern (außer der des ER4, in die Mosgummi kommt) und mit etwas Abstand zu den Bassreflexschlitzen verteilt, siehe Abb. 12. Endlich konnten wir die Böden aufsetzen. Da die Klebeflächen inzwischen lackiert waren, verwendeten wir diesmal nicht normalen Holzleim, der auf dem Lack nicht gut haften würde, sondern wieder PU-Leim. Das passgenaue Einsetzen war aufgrund der genau positionierten Nuten für die Seitenbretter der Reflexschlitze sowie der untersten Versteifung einfach. Zum Anpressen der Böden mussten diesmal lange Holzschrauben herhalten. Wer sieht sich die Lautsprecher schon von unten an?

Abbildung 12: Die Bassreflexschlitzkonstruktionen wurden nachträglich von unten bzw. oben eingeschoben, festgeleimt und dann schwarz lackiert. Die Deckel wurden auf Vollgehrung angepasst und verleimt. Danach bekamen die gesamten Lautsprecher ihre zweite und finale Lackierung von außen. Dann habe ich die Chassis verlötet und eingebaut sowie das von Udo mitgelieferte Dämmmaterial gleichmäßig in den Kammern verteilt.

Noch in der Schreinerei schloss ich die Lautsprecher (nach einem langen Tag) an meine mitgebrachte Anlage für die Einweihung der neuen Lautsprecher an, siehe Abb. 13. Obwohl die Chassis natürlich noch nicht eingespielt waren (der Klang hat sich seitdem noch deutlich verbessert), waren wir alle begeistert von den Lautsprechern. Zum Verladen und Aufstellen meiner Granduetta sind drei Leute notwendig, geschätzt wiegt jede ca. 80 kg.

Abbildung 13: Die Böden wurden zunächst lackiert und erst dann ganz zum Schluss aufgesetzt, von unten verschraubt und mit PE-Leim verleimt, damit das Finish der überstehenden Böden passend zur Außenwand sein würde. Die fertigen Lautsprecher haben wir dann noch in der Tischlerei zum ersten mal ausprobiert. Schade, dass man Bilder nicht hören kann….

Inzwischen höre ich meine Granduetta seit über einem halben Jahr. Abbildung 14 zeigt sie auf ihrem aktuellen Aufstellungsort. Die Chassis sind eingespielt, was nochmal zu einem klareren und verbesserten Klang geführt hat. Vermutlich klingen sie ähnlich wie die anderen Versionen der Granduetta (die ich nie gehört habe). Die Präzision und Klarheit der ER4 ist ja hinreichend bekannt. Im Vergleich zur Duetta ist die Bühne breiter und klingt der Bass noch wesentlich entspannter. Ich werde meine Granduetta nie gegen andere Lautsprecher tauschen!

Abbildung 14: Die Lautsprecher an ihrem derzeitigen Einsatzort. Bei der Wahl der genauen Aufstellungsorte musste ich einen Kompromiss zwischen möglichst perfektem Ort und praktischen Randbedingungen eingehen. Schade, dass ich es mir nicht leisten kann, ein zu den Lautsprechern passendes Haus zu bauen.

Mein nächstes Projekt ist es, die Raumakustik zu verbessern. Leider bildet sich in meinem Hörraum bei etwa 35 Hz eine deutliche Stehwelle aus, die bei manchen Musikstücken je nach Sitzposition sehr störend sein kann. Ich bin noch am Überlegen, ob und wie ich diese effizient dämpfen oder streuen kann, ohne das Wohnzimmer zu 50% mit Dämmmaterial zu füllen.

Ich möchte mich zuletzt noch einmal bei allen herzlich bedanken, die zum Gelingen meiner Granduetta beigetragen haben. An erster Stelle sind dies Udo, Norbert, Marco und Chris (Monti).

Stefan 1

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Tolles Projekt, toller Bericht. Meine GD sind auch fertig, Udo wird das alsbald veröffentlichen. Mit dem Bass habe ich auch “meine liebe Not”, da mein Wohnzimmer doch etwas zu klein ist für die “Monster”, wie wir sie hier daheim nennen ;-))
Frage: was für ein Amp treibt Deine GD an?
Schöne Grüße
Holger

Moin Holger,

hat er doch Eingangs im Bericht geschrieben: Cambridge Audio Azur 851A.

Ciao
Chris

Wer lesen kann….schöner Amp 😉

Moin Stefan.
Umfangreich und Qualität Deines Berichtes wurden ja schon gelobt. Mich beeindrucken die inneren Werte der Lautsprecher. Klar, ich behandle auch die Ausfräsungen für die Chassis und habe auch schon BR-Kanäle furniert. Das Auge hat dann auch beim Herausnehmen der Chassis etwas davon. Aber soooo weit wie Du ist vermutlich noch kaum jemand gegangen. Und das Ergebnis gibt Dir recht.
Dafür meinen größten Respekt.
Gruß Martin

Hi Stefan,

ich hatte ja schon das Vergnügen, Deine GD live zu sehen, anzufassen und zu hören. Sie sind wirklich ausgesprochen schön und handwerklich auf höchstem Niveau geworden!

Auch Dir ist die Quadratur des Kreises nicht gelungen: eine GD ist IMMER ein Monster 😉 , auch wenn Deine Konstruktion das sehr elegant verpackt. 👍🏻

Ob die leicht unterschiedlichen Geometrien der Bassabteile tatsächlich überhaupt messbar sind? Für unser endogenes Messequipment jedenfalls nicht. Bei der Hörsession bei Dir hatten wir ja auch festgestellt, dass Dein Raum sehr schallhart ist und mit Bücherregal im Rücken und Ficus Benjamin an der Seite vielleicht das eine oder andere Problem minimiert werden kann.

Auf jeden Fall sind es beeindruckende Lautsprecher geworden und ich wünsche Dir noch viele schöne Hörstunden. Lass die Kanonen donnern! 🙂

Ciao
Chris

Hallo Stefan,
ein sehr ausführlicher und interessanter Bericht. Hat Spaß gemacht zu lesen. Die GD habe ich auch auf meinem Wunschzettel. Das ein oder andere Argument kann ich für mich schonmal abspeichern.
Danke, Dino

Hallo Stefan,
danke für die Neudefinition des WAF. Man merke: Augen auf bei der Partnerwahl …
Die technische Umsetzung der Lautsprecher und die Beschreibung derselben finde ich großartig, das sind sowohl handwerklich als auch ästhetisch sehr schöne Exemplare geworden. Sechseckig, beidseitig furniert, Versteifungen eingenutet, alles auf Gehrung …wow!
Wahrscheinlich unnötig zu fragen, ob Du die zum nächsten Jahresendtreffen mitbringen magst? 😉
Grüsse
Thomas

Hallo Stefan,

was für eine Arbeit!
In einer Tischlerei, ich denke ihr hattet da einige interessante und auch lustige Stunden. Auf beiden Seiten furniert, fast schon dekadent. 😉
Eine Frage, beide Bassgehäuse sind luftdicht getrennt. Ich gehe davon aus das sie das gleiche Volumen aufweisen, mit dem Trennbrett ist das leicht machbar. Die BR Öffnungen sind von den Chassis unterschiedlich weit entfernt, ist denke jetzt das dies völlig vernachlässigbar ist (sonst hätte Udo sicherlich interveniert gehabt), ist das so?
Und die Tischlertruppe, die waren doch sicher auch zum Probehören?
Gruß Rundmacher

Hallo Stefan,

tolle Umsetzung meines nächsten Projekts, da bereits von Frau und Geldkatze abgesegnet. Ich werde zwar kleiner und dezenter bauen, bin jedoch schwer beeindruckt von deiner Version. Ich möchte dann aber gleich aktiv werden. Das wird der Meister in diesem Jahr noch hinbekommen.

Grüße Enrico

Hallo Enrico,

also stehen ein, zwei Besuche im Eichsfeld an, sehr schön. 😉

Ich werde zum Jahresende bzw. spätestens Mitte 2021 nach Göttingen ziehen. Bis dahin werden die Großen aber bestimmt auch hier schon mal spielen.

Mal sehen wer eher fertig ist 🙂
Übrigens basiert der übermittelte Entwurf auf dem gleichem WAF wie in Teltow.
“Das oberste Chassis sitzt nicht über meiner Augenhöhe!!”
Meine Angetraute ist deutlich unter 1,70 Meter.

Gruß vom Vadder

Hallo Stefan,

danke für den tollen, ausführlichen und spannenden Bericht und Glückwunsch
zu den schönen Lautsprechern. Ich kann es dir gut nachempfinden, was es heist die GD herumzutragen, mir reicht schon meine 2-teilige.
Das mit dem Bass kenne ich, da musste ich auch lange herumprobieren, weil der Bass immer zu aufgedickt und unpräzise daher kam. Wahrscheinlich ist der Hauptgrund dafür, das einfach der Raum zu klein ist mit 25qm, aber wieso sollte man kleiner bauen,
wenn es die Frau zulässt. 🙂
Dein Raum wirkt auch recht klein, zumindest was man auf den Bildern erkennen kann und
hinzukommend zeigt die GD auch gnadenlos auf, was schlechte Aufnahmen sind.
Trotz alle dem ein grandioser Lautsprecher der dir noch lange Freude bereiten wird.

Gruß Kai

Welch ein schöner Bericht. Den verstehen Doppel-Linkshänder genau so wie Dauer-Schreibtischtäter. Dieser Bericht ist Deiner GD würdig. Viel Spaß beim genießen dieses außergewöhnlichen Lautsprechers. Mit diesen Werkzeugen und Schablonen könntest du dir sicherlich einen Nebenerwerb ermöglichen und GD-Gehäuse in Kleinserie vermarkten.
Ich fange gerade klein an und plane die Duetta Top, evtl baue ich diese dann sukzessive zu einer GD aus. Dein Bericht animiert ja gerade dazu.
Viele Grüße
Hermann

Wow! Sehr schöner Bericht über großartige Arbeit. Eine ausgezeichnete Umsetzung der GD. Viel Spaß beim Stundenlangen lauschen der Klänge.
@Udo: Ist die aktive Version der GD in Planung oder muss Hypex dafür noch was entwickeln?
Grüße
Rincewind

Hallo Rincewind,

außer der üblichen Zeitnot spricht nichts gegen eine Aktivierung 🙂

Gruß Udo

Hallo Udo,
lass Dir Zeit, ich spare noch. 😉
Gruß Dino

Ohmeingott! Das ist der umfangreichste und präziseste Bericht, den ich hier jemals gelesen habe. Herzlichen Glückwunsch zu Deinen Nicht-Ungetümen! Die sehen prächtig aus und klingen bestimmt auch so. Resonanzen bei 35hz kann auch nicht jeder Lautsprecher erzeugen. Und was lernen wir noch aus Deinem Bericht: Bei der Wahl der Gefährtin immer auf die Größe achten! Sonst werden nachher die Boxen zu klein😉. Ich wünsche Dir ganz viel Freude mit Deinen Superboxen!!!
Liebe Grüße
Uwe

Wow, das ist mal ein ausführlicher Baubericht, und ein beeindruckender Lautsprecher! Danke und viel Spaß damit 🙂

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