20. November 2022

Burkhards langer Weg zur Bel Air Doppel 9

Autor: Burkhard Kopp

Vorab ein Hinweis: Wer genau weiß, was er will und handwerklich begabt ist, dem kann ich in diesem Bericht zum Thema Gehäusebau nicht viel helfen, weil ich die Gehäuse habe bauen lassen. Wer aber guten Klang sucht und Selbstbau skeptisch gegenüber steht oder für Selbstbau keine Zeit, Equipment oder Begabung hat, für den mag meine Story interessant sein, zumal es neben dem Gehäuse durchaus noch ein paar andere Dinge gibt, die man selbst machen und daher Spaß an einem solchen Projekt haben kann.

Die Suche nach dem perfekten (bezahlbaren) Klang

Als meine Kinder groß waren, habe ich mein altes Hobby aus meiner Jugend wieder entdeckt. Damals kauften sich Freunde ein Mofa, ich kaufte mir eine Stereoanlage. Es war mein erstes, in den Sommerferien verdientes Geld. Ich war 16 und verschlang die Zeitschrift Audio. Obwohl ich sehr stolz auf meine Anlage war, träumte ich damals schon von High End. Die Anlage hielt gut 20 Jahre durch, den Dual Plattenspieler habe ich heute noch, meine alten Boxen nutzt mein zweitältester Sohn.

Die zweite Generation war ein Yamaha Surround Verstärker, der als Main Speaker und Center jene bekannten Engländer als Spielpartner bekam, die manche als „die mit der Fahrradlampe“ bezeichnen. Für mich sind es Stil-Ikonen, aber das ist Geschmacksache. Es war mein Geschenk zum 40. Geburtstag. Während ich diese Lautsprecher aktuell immer noch habe – inzwischen sind sie 20 Jahre alt und sie klingen immer noch schön – hat der Yamaha den Geist aufgegeben und ich besann mich, mein Geld lieber in 2 gute Kanäle zu investieren als in 5 mittelmäßige.

So kam ich zu Stereo zurück, weil ich kein Heimkino-Fetischist bin, sondern Wert auf gute Musikwiedergabe lege. Mein Bedarf an Sauriern, die durchs Wohnzimmer trampeln, ist gering, ebenso die Hubschrauber, die über meinen Kopf hinweg fliegen. Gleichwohl schauen meine Frau und ich jeden Film über die Hifi-Anlage, weil Musik und Sprache einfach um Klassen besser rüberkommen. So leistete ich mir einen Rotel RA-1570, der nach Probehören zuhause gegenüber seinem kleineren Bruder den Zuschlag erhielt. Klanglich ein absoluter Zugewinn für meine Engländer – gut, der große Bruder war auch doppelt so teuer wie der kleine.

Hin und wieder besuchte ich als treuer Kunde meinen Hifi-Händler und als sich mein 60. Geburtstag näherte, war ich mehr und mehr vom Einstiegsmodell der Premiumklasse meines Engländers fasziniert. Ich fand den Diamanthochtöner und die Mitten der Box einfach toll – detailreich, auflösend, klar. Und die Tieftöner, zwei an der Zahl und größer als zuhause, boten natürlich auch mehr Bassfundament. Aber der Preis. Die Lautsprecher waren mir einfach zu teuer. So schaute ich mich nach gebrauchten Modellen um und stellte fest, dass man 3 Jahre alte Lautsprecher für ca. 2/3 des Preises bekommen konnte. Doch mein Akzeptanzlevel unterschied sich ein wenig von dem meiner Frau. Daher begann ich, im Internet nach Alternativen zu suchen. So stieß ich auf den Selbstbau.

Ein erstes Probehören bei einem Boxenentwickler war zwar beeindruckend, konnte mich aber nicht restlos überzeugen. Der Hochtöner, ein AMT mit Waveguide, war zwar sensationell auflösend, aber ich hatte nach 2 Stunden Hörtest  das Gefühl, dass meine Ohren müde sind, ungefähr so wie einem die Augen schmerzen, wenn man lange am Bildschirm kleine Zahlen lesen muss. Dann stieß ich auf Udos Magazin. Es dauerte nicht lange herauszufinden, dass die Duetta sein Spitzenmodell war.

Die Erfahrungsberichte waren so eindrucksvoll, dass ich diese Box unbedingt hören wollte. Ich rief ihn an und mir wurde sehr schnell klar, dass ich hier einen absoluten Fachmann in der Leitung hatte. Es war egal, was ich ihn fragte, seine Erklärungen waren alle logisch, fachkundig und von tiefer, langjähriger Erfahrung geprägt. Mir gefiel sein pragmatischer Ansatz, seine Konzentration auf das Wesentliche, fernab von Dogmen oder Voodoo. Wer sich mit seinen Bausätzen beschäftigt, erkennt, dass auch Einfachheit im Gehäusebau hervorragenden Klang liefern kann und dass er persönlichen Geschmack zulässt. Erfreulicherweise war es vertretbar, im Herbst 2021 mit Maske eine Vorführung zu bekommen. Klanglich war die Duetta mein Lautsprecher.

Aber würde ich die Maße zuhause durchkriegen? Udo machte mir den Vorschlag, mich mit der Box vom „Vadder“ zu beschäftigen. Dieser hatte sie auf schmal getrimmt, dafür ein paar Liter Bass geopfert und auf die letzten 4 bis 5 Hertz verzichtet. Das war absolut akzeptabel, da diese Variante immer noch die 30 Hertz-Grenze unterschritt.

Mangels Hobbykeller und Maschinen entschied ich mich, sie beim “Hausschreiner” Franz Thomaier in Sonderabmessung anzufragen. Als das Angebot vorlag und ich mich dafür entschied, war es Weihnachten geworden. Ein letztes, abstimmendes Gespräch mit Udo endete in einer großen Enttäuschung. Bei Eton gibt es Lieferengpässe und die Chassis sind auf absehbare Zeit nicht verfügbar.  Udo deutete an, dass er gerade Alternativen in gleicher Klangqualität entwickelt. Ich entschied mich, darauf zu warten. Ich glaube, es gibt keine Website, die ich jemals häufiger aufgerufen habe als Udos Magazin in den folgenden Monaten.

Im Frühjahr war es dann soweit. Die Bel Air Lady war vorführbereit. Alle Bauberichte der Bel Air Reihe mehrmals gelesen, Frequenzgänge und Abmessungen studiert, fuhr ich nach Bochum zum Hörtest. Die Lady war wegen des etwas kleineren Basses von Haus aus etwas schmaler als die Duetta, ungefähr so wie Vadders Variante, was mir entgegen kam. Ich war sehr gespannt, wie sie klingt.

Als wir im Hörtest dann zu Arne Domnerus Antiphone Blues “Nobody knows the trouble I´ve seen” kamen (Orgel mit Saxophon), ging es tief herunter. Ich hätte aber gern noch etwas mehr Druck gehabt, den ich von meinen Engländern zuhause gewohnt war. Udo wär nicht Udo, wenn er nicht Alternativen aus seiner Trickkiste zaubern würde. Wir schlossen die Doppel 9 an. Was soll ich sagen? Da war das „live-haftige“ Feeling in der Kirche zu sein. Die Doppel 9 spielt natürlich lauter, weil sie einen höheren Wirkungsgrad hat, aber Pegel kann man ja zurückdrehen. Es ging hier um die Präsenz der großen Orgelpfeife, ohne dass mir das Saxophon Ohrenschmerzen macht.

Da stand sie nun die Doppel 9, schön schlank, zierlicher mit perfektem WAF, aber gar nicht das, auf was ich mich eingeschossen hatte. Die Doppel 9 ist eine 2 ½-Wege-Box. Der Mitteltöner hilft bei den tiefen Frequenzen mit und erzeugt dadurch mehr Druck. Da Tief- und Mitteltöner die gleichen Chassis sind, kommt die Doppel 9 im Bass auf ungefähr die gleiche Membranfläche wie die Lady. Ihre untere Grenze liegt dabei natürlich etwas höher, tonal sind die Boxen bei gleichem Hochtöner sehr ähnlich. Zwei weitere Vorteile sah ich in der Doppel 9 bauartbedingt auch noch: der höhere Wirkungsgrad. Mein Verstärker sollte sich nicht quälen müssen, wenn Musikstücke mal etwas mehr Leistung abverlangen – und die Stimmen kommen aus einem Chassis, weil der Mitteltöner ja bis ganz nach unten spielt.

Die Entscheidung

Auf dem Heimweg grübelte ich schon noch eine Weile, ob die Investition (ich muss die Gehäuse bauen lassen) mir eine hörbare Klangverbesserung bringt, weil die Doppel 9 nur etwas größer als meine Engländer sind. Aber es war klar, dass der AMT eindeutig besser auflöst, klarer ist und auch bei größeren Lautstärken nicht aufdringlich wird. Meine Kalotte fängt da schon mal unangenehm zu quieken an, wird schrill, so dass ich freiwillig leiser drehe. Ich entschloss mich letztlich doch zu dem Schritt, denn der vermeintlich geringe Größenzuwachs betrug 50 % bezogen auf das Gesamtvolumen.

Die Konstruktion

Also nochmal eine Sonderkonstruktion bei Franz Thomaier angefragt. Meine Frau meinte, dass der Reflexschlitz am Boden ein Staubfänger sein könnte und ich entschied mich deshalb für ein Reflexrohr, welches ich ebenfalls hinter der geplanten Abdeckung verschwinden lassen wollte. Ein sichtbares Loch mit 138 mm Durchmesser war mir optisch zu groß. Vorher habe ich mich bei Udo rückversichert, ob das Rohr direkt unter dem Bass sitzen könnte. Wenn der Raum hinter dem Rohr frei von Dämmmaterial bleibt, hatte er keine Bedenken. Ach ja, das untere Versteifungsbrett musste etwas tiefer gesetzt werden und wenn wir schon mal beim Ändern sind, habe ich die Box noch einen Zentimeter breiter gemacht, weil ich 22er MDF statt 19er wollte und sich für meine Abdeckung ein gefälligeres Bild ergab. Ich wollte sie bewusst etwas schmaler als die Box haben. Die Chassis musste ich auch noch ein paar Zentimeter tiefer setzen, weil ich die Abdeckung oben und unten gerundet haben wollte. Auf den nachfolgenden Bildern könnt ihr meinen Entwurf sehen.

Das Angebot für die Gehäuse und die Abdeckrahmen lag in der Größenordnung wie die Duetta in Sondermaß ein halbes Jahr zuvor. Also habe ich Bausatz und Gehäuse bestellt.

Die Eigenleistung

Inzwischen war es Juli geworden. Die AMT hatten Lieferzeit, Udo hatte wohl zu schnell zu viele verkauft, aber die Gehäuse hatten noch längere Lieferzeit. Anfang August kam Udos Bausatz samt Reflexrohr und Akustikstoff, den ich für die Abdeckungen gleich mitbestellt hatte. So fing ich schon mal in Ruhe an, die Weichen aufzubauen. Ich bin als Maschinenbauer Nicht-Elektroniker. Aber mein Sohn lernt Mechatroniker und er versprach, die Weichen zu löten. Der Baubericht „With a little help from a friend“ inspirierte mich im Weichenbau (danke dafür!). Sie sahen professionell aus und hatten eine gewisse Ästhetik. Obwohl sie im Gehäuse verschwinden, forderte mich das heraus. Ich legte mir die Weichenbauteile auf, zeichnete eine Schablone und pauste sie mit Kohlepapier auf MDF Brettchen. So konnte ich alle Bohrungen für Schrauben und Kabelbinder vorfertigen und das Aufkleben der Komponenten erleichterte es ungemein, da ich die Anschlussdrähte in ihrer Länge gelegentlich voll ausnutzen musste.

Auf die Rückseite der Box plante ich, 1 cm dicke Holzleisten aus dem Baumarkt zu kleben. Dadurch lassen sich die Weichen besser anschrauben, weil MDF ohne Vorbohren ausreißt. Eben das Vorbohren in der Box stellte ich mir fummelig vor. Ferner haben die Kabel für die Zugentlastung auf der Rückseite genug Platz ohne an die Rückwand gequetscht zu werden. Übrigens wollte ich alles einfach demontierbar für Reparaturzwecke oder falls ich was falsch mache. Daher die Schraublösung der Weichen. Auf die Rückseite der Brettchen klebte ich noch den Schaltplan, damit waren im Bedarfsfall alle Informationen konserviert.

Für die beiden großen Chassis wählte ich Kabelschuhe statt Löten und zwischen den Polklemmen und den Weichen finden sich Wago-Klemmen, so dass auch die Weiche zerstörungsfrei ausgebaut werden kann. So musste sich mein Sohn nur einmal einen Lötkolben und eine Crimpzange ausleihen, alles konnte vorbereitet werden. Die Endmontage würde sich auf Schrauben und Stecken reduzieren. Um Verwechslungen zu vermeiden, habe ich alle Kabelenden mit Fähnchen beschriftet.

Es ist Oktober geworden. Meine lang ersehnten Gehäuse sind fertig. Ich entschied mich für Abholung, um etwaigen Transportschäden vorzubeugen. Das hatte den Vorteil, dass ich mit Franz auch gleich das Finish des Furniers persönlich besprechen konnte. Er empfahl mir zwei Mal ölen mit Zwischenschliff. Dazu gab er mir einen Schwamm mit 220er Körnung mit. Franz hat eine perfekte Arbeit abgeliefert, hervorragende Furnierung, alle Ausschnitte und Bohrungen passgenau. Er hat mir sogar die Bohrungen für die Polklemmen nach Zeichnung gesetzt, sowie die Positionen der Chassisschrauben vorgebohrt. Auch die Bohrungen für die Abdeckungen sowie die Abdeckrahmen sind perfekt. Er gab mir noch Tipps, wie man die Plastikteile der Lautsprecherabdeckung richtig montiert und den Zwischenschliff macht. Beseelt ging es nach Hause.

Als ersten Schritt nutzte ich das schöne Wetter, um die Abdeckrahmen zu lackieren. Dazu hatte ich mir eine 375 ml Spraydose mattschwarzen, schnell trocknenden Wasserlack besorgt. Er reichte genau für 2 Sprühgange, welche ausreichend Farbdeckung erzeugten. Zuvor musste ich allerdings die Oberseite etwas finishen, denn der Kantenradius war mir vom Fräsen zu rau. Ich wollte bei der Stoffbespannung kein Risiko eingehen. Also ging ich erst mit 80er, dann mit 120er Schleifpapier drüber. Das hat bereits gereicht.

Der Akustikstoff von Udo war gefaltet, daher hat ihn mir meine Frau aufgebügelt, was schon mal eine große Verbesserung war (Vorsicht, nicht zu heiß! An einer Ecke vorher probieren). Nach der Bespannung waren keine Falten mehr sichtbar. Womit wir beim Thema sind, was mir in dem ganzen Projekt die größten Bauchschmerzen bereitete: die Stoffbespannung. Ich habe viel im Internet recherchiert und auch Bauberichte gelesen. Schließlich bin ich fündig geworden. Unter Google „Akustikstoff“ findet man eine Website, die darauf spezialisiert ist. Unter der Rubrik „Akustikstoff befestigen“ werden verschiedene Verfahren vorgestellt. Ich habe das 16 mm breite, selbstklebende Klettband gewählt. Das funktioniert so was von super. Man kann den Stoff spannen und, falls man sich mal vertut, bekommt man ihn vorsichtig wieder herunter und spannt erneut. Man kann sich die Montage auf einem Youtube clip anschauen. Das Klettband hat noch weitere Vorteile: es trägt ca 1 – 1,5 mm auf. Dadurch wird der Spalt, der sich durch die Plastikteile der Halterung ergibt, bis auf ca 1mm fast vollständig überbrückt. Das ist für mich akzeptabel, man sieht es nur von der Seite, wenn man´s weiß. Ein weiterer Vorteil ist die Demontagefreundlichkeit des Stoffes. Ich habe die von Udo erhaltene Standardmenge nur zur Hälfte verbraucht, so dass eine etwaige Neubespannung kein Problem wäre.

Für die großen Bögen habe ich aus dem Band alle 10 – 15 mm mit der Schere kleine Dreiecke ausgeschnitten, das hat sehr gut geklappt. Für Nachahmer sei empfohlen, den Abdeckrahmen einen Millimeter nach innen in Richtung Chassis breiter zu machen, denn mein Rahmen hat eine Breite von 15 mm, das Klettband aber 16 mm. Die abgelichteten Werkzeuge halfen mir nicht wirklich, den Überstand zu entfernen. Eine Nagelschere war die beste Wahl: schön scharf, und mit runder Form konnte ich gut an der Kante entlang schneiden.

Vor der Stoffbespannung habe ich die Plastikpöppel montiert. Ich wollte nicht riskieren, dass der dünne Stoff beim Einschlagen Schaden nimmt. Der Trick von Thomaier: eine 10er Nuss passt genau drüber, so dass die Pins nicht beschädigt werden, dann 2 – 3 mal mit dem Gummihammer drauf.

Beim Bespannen habe ich zunächst in Längsrichtung eine leichte Spannung erzeugt, indem ich den Stoff jeweils in der Mitte des Bogens umgeklappt und fixiert habe. Nun kamen die Längsseiten dran. Die erste Seite wird nur mit sehr wenig Zug von der Mitte beginnend in beide Richtungen umgeklappt und fixiert (leichtes Rubbeln mit dem Fingernagel). Anschließend wird Seite zwei in gleicher Weise fixiert. Hier kann man etwas stärker ziehen. Der Stoff wird dann schön straff. Einmal umdrehen und den Längszug kontrollieren, ggf. ein wenig nachspannen. Zum Schluss kommen die vier verbleibenden Viertelkreisbögen dran. Auch hier habe ich wieder zuerst die Mitte unter 45° Grad genommen und mich dann zu den bereits fixierten Punkten vorgearbeitet. Der letzte Schritt war, den Stoff mit ca. einem Zentimeter Überstand abzuschneiden und auf der Innenseite anzukleben. Dazu habe ich einen Klebestift benutzt. In den Bögen ergaben sich natürlich Falten, die habe ich einfach abgeschnitten.

Glücklich über die gelungene Stoffbespannung machte ich mich ans Ölen. Unsere Wohnzimmermöbel sind aus Kernbuche, genau wie ich die Gehäuse habe furnieren lassen. Um möglichst die gleiche Farbe zu erzielen, wollte ich das Pflegeöl des Herstellers verwenden. Auf Rückfrage war es nicht nur für die Nachbehandlung, sondern auch für die Erstbehandlung geeignet. Es hat eine braune Farbe und ist der Beschreibung nach auf Leinölbasis. Es wird nur ganz dünn mit einem Lappen aufgetragen und nach kurzer Zeit mit einem weiteren Lappen nachgewischt. Dadurch werden klebrige Stellen durch zu viel Öl vermieden. Nach ca eineinhalb Tagen dann der Zwischenschliff mit dem zweiten Auftrag. Immer schön in Richtung der Maserung mit nur leichtem Druck abziehen! Das Furnier ist ja nur 0,6 mm dick. Mit dem Schleifschwamm ging das hervorragend. Die Ungleichmäßigkeiten in der Farbe vom ersten Auftrag verschwanden und der zweite Auftrag brachte die Holzmaserung in schöner, satter Farbe zur Geltung.

Nach der Trocknung stellte ich fest, dass die Oberfläche zwar sehr glatt, aber minimal rauer war als die unserer Wohnzimmermöbel. Ich wollte aber einen dritten Auftrag vermeiden, damit es nicht zu dunkel wird. Ein Telefonat mit Franz Thomaier brachte die Lösung: “Es mag komisch klingen, aber wasch dir die Hände, trockne sie gut ab und finishe mit der Hornhaut deiner Handfläche.” Unglaublich! Die Oberfläche wird wie ein Kinderpopo. Vielen Dank an dieser Stelle an für diesen Profitipp.

Der letzte Schritt war das Aufkleben von Filzgleitern und das Eindrücken der Kunststoffbuchsen für die Lautsprecherabdeckung. In meinem Fall konnte ich sie von Hand eindrücken. Sollte man einen Gummihammer benötigen, ist es sicher ratsam, die Schläge vor dem Einbau der Chassis auszuführen.

Nun kam die Stunde der Wahrheit mit dem Zusammenbau. Würde alles passen? Alles richtig gelötet und verkabelt? Ein kleiner Lapsus wäre mir fast passiert. Die ins Gehäuse geklebten Leisten für die Bassweiche hätte ich beinahe ein wenig zu eng gesetzt, so dass die Kabel mit der Zugentlastung auf der Unterseite gequetscht würden. Schwiegervaters Stemmeisen sei Dank konnte ich die Kanten der Holzleisten etwas abnagen, dann war wieder genug Platz. Sonst lief alles wie am Schnürchen. Udos Chassisschrauben waren auch ideal für die Befestigung der Weichen: genau die richtige Länge und Innentorx, kein Abrutschen und prima Kraftübertragung.

Bei den Polklemmen mussten die Bohrungen ein paar Millimeter tief aufgebohrt werden, weil auf der Außenseite eine Kunststoffbuchse mit eingezogen wird. Das war aber kein Problem. Die Polklemmen bitte mit Gefühl anziehen! Das Dämmmaterial war wie ausgemessen. Zunächst für die 2 Boxen halbieren, dann schnitt ich einen Streifen 35 x 80 cm ab. Dieser füllte alle Wände unterhalb des Reflexrohrs. Das verbleibende Stück von ca 100 x 80 cm sollte die oberen 2/3 füllen. Es passt U-förmig hinein inkl. Material zur Dämmung des Deckels. Ich schnitt daher oben zwei Quadrate von 30 x 30 cm links und rechts heraus, so konnte ich den verbleibenden Lappen von 20 x 30 cm in der Mitte nach vorne klappen, der breite Teil füllte den Raum an den 3 Wänden genau aus und reichte bis zur unten eingebauten Matte. Eine der ausgeschnittenen Ecken stopfte ich noch in den Boden der Box. So hatte ich alle Seiten des Gehäuses außer den Bereich der Schallwandöffnungen gedämmt. Ach ja, auf der Rückwand schnitt ich vom oberen Element auf Höhe des Reflexrohres noch ein Rechteck von ca 15 cm Höhe heraus, so ist durch das Reflexrohr kein Dämmmaterial zu sehen. Idealerweise macht man das außerhalb der Box, um kein Kabel zu erwischen. Die Chassis schraubte ich bei stehender Box ein. Das mag ungewöhnlich sein, aber ich wollte die Box nicht mehr legen. Die Spule der Bassweiche ist sehr schwer, ich hatte etwas Sorge, dass der Heißkleber sich vom Metallkern lösen könnte (am MDF hält er recht gut). Im Prinzip war das aber auch kein Problem. Hier erwies es sich als Vorteil, dass ich etwas mehr Kabel bestellt hatte und die Chassiskabel schön lang machen konnte. Nachdem ich wusste, wie alles geht, schaffte ich die zweite Box in einem Drittel der Zeit. Ich schloss an. Alle Chassis klingen. Alles richtig gemacht. Abdeckungen montiert. Voilà.

Der Klang

Vermutlich brauchen die Chassis etwas Einspielzeit. Aber schon der erste Eindruck bestätigt meine Entscheidung. Es ist, als würde dieser Lautsprecher mit Leichtigkeit den Raum mit Musik füllen. Der Bass geht richtig tief, ich höre nun Töne, die die Vorgängerbox nicht bieten konnte. Auch ist der Bass präsenter, ich spüre geradezu die 50 % mehr Volumen. Da er knochentrocken ist und nicht brummig, empfinde ich das als nicht aufdringlich. Es ist auch nicht so, dass er die Höhen in den Hintergrund drängt. Der AMT Hochtöner ist brillant. Unser Wohnzimmer hat ca 30 qm, ist aber zum Esszimmer und anschließender Küche offen, dazu kommt ein Treppenaufgang in die Schlafräume, summa summarum 60 qm. Dennoch habe ich nicht das Gefühl, dass ich einen noch größeren Lautsprecher gebraucht hätte. So habe ich die für mich – und meine Frau – richtige Größe gefunden.

In der Einspielphase beim Probehören, hatte ich bei basslastigen Stücken den Eindruck, dass ich im sweet point eine Raummode habe. Beim Vorlehnen sind meine Ohren ca einen halben Meter näher am Lautsprecher und die leichte Überzeichnung war deutlich reduziert. Ok, dachte ich, Bassabsorber hänge ich mir jetzt nicht ins Wohnzimmer. Getreu Udos Motto „für Boxen gibt es immer zwei Standorte: einen für die Optik, den anderen zum Musik hören“ habe ich mir zwei Rollbretter gebaut. Passend zum Kernbuchefurnier ließ ich mir zwei Buchenholzplatten in 27 mm Stärke im Baumarkt auf Maß schneiden. Mit flachen Möbelrollen (33 mm Höhe) habe ich 50 Euro investiert. Die Platten habe ich ebenfalls geölt, das passt alles gut zusammen. Jetzt ziehe ich mir zum Musikhören die Boxen einen halben Meter vor und zugleich auch weiter auseinander.

Jeder hat so seine Lieblingsmusik und seine Boxentester. Was ich immer suche, ist Musik, die schön klingt, gut aufgenommen und abgemischt ist, am besten mit Instrumenten, die ich klar und „live-haftig“ hören kann. Leonard Cohen´s legendäres Live Concert 2008 in London „The Gypsy´s wife“ ist so ein Beispiel. Ich liebe das Intro mit der Mandoline. Hier kann man seinen Hochtöner testen, wieviel Pegel er verträgt und die Mandoline immer noch nach Mandoline klingt. Überhaupt ist diese ganze Doppel-LP/ CD ein „Album für die Ewigkeit“ (Amazon Untertitel, dem ich voll zustimme). Beeindruckend ist auch, wie Leonard Cohen „The Night of Santiago“ ins Mikrophon haucht. Seine sonore Stimme, die manchmal so klingt, als ob er einen Halbton zu tief singt, sowie die Gitarrenbegleitung ist ein schöner Test für die Mitten.

Kommen wir zum Basstest. Auf Amazon habe ich den „Orgelländler“ gefunden, ein Stück gespielt von Albert Schönberger auf der CD „Musik im Mainzer Dom“ – tiefe Orgelpfeife in einer unterhaltsamen Melodie, beeindruckend schön. Ich mache die Augen zu und fühle mich wie in einer Kirche. Noch besser, weil noch besser aufgenommen, ist das weiter oben schon erwähnte Stück von Arne Domnerus Antiphone Blues „Nobody knows the trouble I´ve seen“. Auch hier gilt: Ich stelle mir die Lautstärke live vor, stelle diesen Pegel ungefähr ein und das Saxophon klingt nach Saxophon.

Wer Katie Melua mag, dem sei noch das Lied „The cry of the lone wolf“ empfohlen, Stimme und Gitarre in sehr guter Aufnahmequalität, wie fast alle Aufnahmen von Melua. Ihre Musik ist geeignet, wenn man Tiefenentspannung sucht. Ähnlich schön, weil sehr gut aufgenommen, aber tiefsinniger ist das Lied aus der CD Nanga Parbat von Reinhard Mey „Die Waffen nieder“. Und zum Abschluss noch einmal ein Muskelspiel: Guns ´n Roses „Novemberrain“ in einer digital remastered Version in High Resolution, die ich auf Amazon gefunden habe. Mit etwas Pegel geht hier richtig die Post ab. Ich empfand mich in meine Jugend zurückversetzt, als in Turnhallen hervorragende Bands Livemusik spielten, anfangs zum Tanzen, nach der Pause dann Rockmusik zum Einheizen. Ich fühlte mich auf der Tanzfläche auf die Band schauend, sah den Gitarristen, dann das Schlagzeug und wie die große Bassdrum schwang. Es klingt einfach alles grandios. Mein Jugendtraum ging in Erfüllung.

Vielen Dank an Udo für die Vorführungen und die Antworten auf die vielen Fragen, die er geduldig und immer blitzesschnell per Mail zu mir herüber schickte.

Burkhard

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Hallo, was mich interessieren würde ist der Vergleich zu den englischen Boxen. Ich nehme an es werden Nauti…. sein in einer etwas größeren Variante.

Gruß
Alex

Servus Burkhard,

klasse Bericht, vor allem für angeblich und tatsächlich Nichtbegabte in handwerklichen Dingen, mit 2 linken Händen und 10 Daumen.

Wer windige Elchmöbel zum Stehen bringt, braucht sich vor eigenen Selbstbautraumboxen wirklich nicht mehr fürchten.

Auch wenn ich Abdeckungen nicht so mag, finde ich Deine Doppel 9 optisch total gelungen.

Klasse.

Hat der Franz Thomair nach Profimanier auf der Innenseite ein Gegenfurnier verarbeitet? (Bild mit den eingebauten Frequenzweichen)

Viel Spass beim Hören

Peter

Jupp, das wird das Blind-/Gegenzugfurnier sein 🙂
Nichts ist schlimmer als ein Brett, das mal eine Schüssel werden wollte… gerade beim Sägen von Gehrungen.

Das mit dem Klettband muss ich mir merken. Das bespannen hat mich bei der U_Do 51 Soundbar meiner Eltern ein paar Nerven gekostet 🙁

VG

Moin.
Gestern in der Früh las ich wie eigentlich jeden Sonntag im Forum.
Diesmal war es der Bericht zur Doppel9.
Aber wie das so ist, es kommt zwischen dem geschriebenen Kommentar hocherfreuten Inhalts und dem Abschicken etwas dazwischen. Das Tragbare, als einzige im Moment zur Verfügung stehendene Verbindung zur Außenwelt, schaltet ab, alles Geschriebene dahin.
Ja, die Doppel9 ist die Neue, die ich nicht hören konnte, weil beim Besuch auf der Couch der HT ausgebaut und wir wegen der Lady und der Gespräche gar nicht daran dachten, wie vorgeschlagen, d HT kurz zu tauschen.
Gratulation zu Deinem Projekt, bei dem Du gezeigt hast, wie durch vielerlei Hände dann doch etwas wirklich Schönes zustande kommt.
Erfreut lese ich, dass m Freund Albert Schönberger, der emeritierte Domorganist des Mainzer Domes mit einer seiner Improvisationen, für die er gerühmt wird, hier zu Ehren kommt.
Die Doppel9 war ein Thema zw Yoga und mir, bei einem Besuch. Aber ich habe sie nicht gehört, was vor einem Bau doch dazugehört.
Viel Freude mit Deinen wirklich schönen Lautsprechern. Das gesparte Geld, was im Vergleich mit Kaufteilen in dieser Klangklasse nicht gerade wenig ist, empfehle ich in gute Tonträger zu investieren 😉
Bleibt nur die Androhung des Besuchs
in Bochum auf der Couch ,zwecks einer Therapieauffrischung 😉
Gruß vom Sonnenberg
Rodscher

Moin Burkhard,
Lecker geworden!
Glückwunsch und viel Freude damit 🙂
Klingt nach endlich angekommen 👍👍

Da ich immer mal wieder Leute treffe die zwar Freude an Musik haben aber zwei linke Hände mit fünf Daumen, darf man fragen was dich der Spaß am Ende gekostet hat, also wie viel für die Gehäuse drauf gegangen ist?

Liebe Grüße

Matthias

Last edited 1 Jahr her by Matthias (da->MZ)

Danke dir, bin gespannt! So aber so steht schon fest, dass du ein Schnäppchen gemacht hast 🙂

Hallo Burkhard,

auch ich kommentiere die Leserbauten recht selten direkt, hier muss ich mal eine Ausnahme machen. Sensationell, wie du dich an den Selbstbau gemacht hast. Mit Gehäusen vom Meisterschreiner gesägt, gefräst und verleimt, Weichen vom Sohn gelötet und nur die wesentlichen Einbauarbeit selbst ausgeführt, hast du dennoch alle unnötigen Handelsspannen gespart und so am Ende sogar ein Unikat bekommen, dass fertig gekauft sicher fünfstellig gekostet hätte. Deshalb gehört deine Einleitung zu den wichtigsten Sätzen, die je in diesem Magazin geschrieben wurden:

Wer aber guten Klang sucht und Selbstbau skeptisch gegenüber steht oder für Selbstbau keine Zeit, Equipment oder Begabung hat, für den mag meine Story interessant sein.

Gruß Udo

Moin Burkhard,

Ich lese alle Berichte. Nur kommentieren dann leider recht selten. Aber heute möchte ich gerne auch meine Anerkennung zeigen. Ein schönes Paar Lautsprecher hast du da. Schönes, geradeliniges Design. Sauber aufgebaut. Den Tip mit der Handfläche als Schleifersatz finde ich Spitze. Werde ich probieren. Beim Fuß sollte man aber wohl ein bisschen vorsichtiger sein. Da ist das Furnier schnell durch 😅.

Ich wünsche dir viele frohe Stunden! Und willkommen im DIY Lautsprecherhimmel.

VG Marcel

Hallo Burkhard,

der erste Bericht einer Doppel 9 und gegen 13:17 Uhr noch kein posts, das wundert mich doch ein wenig. Das werde ich jetzt ändern, denn verdient hast Du es Dir.

Die Doppel9 konnte ich leider noch nicht hören. Ich hatte mich von den Klängen der Lady faszinieren lassen.
Roger meinte zu mir, die Doppel9 ist bestimmt interessant. Und man sieht an Deiner Wahl, Klang ist subjektiv. Dir gefällt die Doppel 9 besser als die Lady.

Interessant fand ich die Info zur Befestigung des Akkustikstoffs. Sollte ich mal in die Verlegenheit kommen, werde ich das testen.

Lieber Burkhard, ich wünsch Dir viele tolle und entspannte Stunden mit Deinen Unikaten

LG aus dem Auenland
Yoga

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