26. März 2023

Endlich geht es hier mal weiter – Ceram 17 BR

Autor: Udo Wohlgemuth

“Eigentlich hätte ich mich für die nun nicht mehr so neue Ceram-Reihe interessiert, aber irgendwie scheint sie mit nur drei Bausätzen schon am Ende zu sein.” schrieb mir Robert bereits vor einiger Zeit. Damit hat er natürlich in zweifacher Hinsicht Recht: Die Keramik-Chassis sind ohne jede Frage eine Fortsetzung wert und das Ende ist zum Glück nur Schein. Allein, mir fehlte die Zeit für die nächste Version mit den weißen Membranen Zu viel Anderes musste erledigt werden und wollte nicht warten. Aber jetzt ist es höchste Zeit, mal wieder einfach so zwischendurch einen neuen Bauvorschlag zur Welt zu bringen, auch damit das alte Hirn keine Rost ansetzt. Ich nenne ihn Ceram 17 und schon weiß jeder, was sich dahinter verbirgt.

Allgemein ist der kompakte 17er mit Hochtöner der Inbegriff der Langeweile und dennoch fast überall der Bausatz mit den höchsten Absatzzahlen. Er repräsentiert die kleinste Bauform, mit der nahezu alle Instrumente mit ihren Grundtönen dargestellt werden können. Nebenher ist er genügsam bei der Platzwahl. Wandnah im Regal dickt er nicht über Gebühr auf, aber auch frei stehend offenbart er untenrum klangliche Qualitäten, die seinen kleineren Artgenossen nicht gegeben sind. So steht er meist als Appetitanreger am Anfang einer neuer Bausatz-Reihe, der er dann den Weg in die Welt der offenen Begehrlichkeit bereitet. Bei der Ceram-Serie hatte er dieses Privileg nicht, also reiche ich ihn nun nach.

Nach Dateneingabe errechnete LSPCad knapp 24 Liter Reflexvolumen für halbierte Lautstärke bei 35 Hz. Das war mir für meine Kompaktbox zu tief, für mein Ziel knapp über 40 Hz reichten auch schon 18 Liter mit ungekürztem HP 50. Also tippte ich das Wunschvolumen in meine Freecad-Tabelle “Zweiweg, kompakt, Rohr” ein, gab noch 44 cm Höhe, 23 cm Breite bei 19 mm Materialstärke und die Chassismaße vor. Schon war der Bauplan samt Holzliste fertig. Hier ist er zum Download.


Da mir gerade der Sinn nach Experimenten stand, hielt ich mich nicht ganz an die Vorlage. Weil  meine Säge es kann, schnitt ich die Platten testweise aus schwarzem MDF in Komplettgehrung zu. Es hat geklappt, ist für den weiteren Bericht jedoch nicht von Bedeutung.  Deshalb fehlen an dieser Stelle die üblichen Fotos des Gehäusebaus. Dass sechs mit Leim bestrichene Bretter einen Verbund bilden, muss wirklich nicht in jedem Text aufs Neue bejubelt werden. Also schraubte ich nach dem Bau die Chassis in die Kiste und schon ging es mit der Weiche weiter.

Die Vorlage lieferte die Ceram 34, bei der sich ein Filter mit 18 dB Flankensteilheit bewährt hat. Für den SB 17 CAC-8 braucht es somit zwei Spulen im Signalweg mit dazwischen liegendem Kondensatorabzweig zu Minus. Der Hochtöner will dagegen zwei Kondensatoren und dazwischen eine Spule. Zusätzlich muss sein Pegel an den Bass angepasst werden, was ein Vor- und ein Parallel-Widerstand übernehmen.


Dem kundigen Weichenbauer sollte es mit Hilfe des Schaltplans nicht schwer fallen, die Bauteile miteinander zu verbinden und auf ein Holzbrett zu kleben.

Doch es ist niemandem zu verübeln, wenn er es sich mangels Beschäftigung mit Weichenbau nicht zutraut. Deshalb und weil wir den Platz für den Kistenbau gespart haben, gibt es diesmal eine Stück-für-Stück-Anleitung zur Umwandlung des Schaltplans und dem gelieferten Bauteil-Haufen in funktionierende Weichen.

Um den Chassis die zuträglichen Signalbereiche zuzuweisen, nutzen wir Spulen, Kondensatoren und Widerstände. Zur Erinnerung an vermutlich lang zurückliegenden Physik-Unterreicht der Mittelstufe: Im Gegensatz zu Fest-Resistoren sind Spulen und Kondensatoren frequenzabhängige Widerstande. Landläufig gilt: Spulen (L) sperren gegen hohe Frequenzen (links), Kondensatoren (C) gegen tiefe (mitte) und Resistoren (R) senken den Pegel generell (rechts). Eine sehr lesenswerte Abhandlung zum Thema schrieb Sparky für die “Grundlagen”.

Aus der Kombination verschiedener Bauteile entsteht so eine Verzweigung für den Wechselstrom, der vom Verstärker zur Box geschickt wird. Die richtigen Komponenten zu finden, ist die Aufgabe des Bausatz-Anbieters. Der Nachbauer muss nur die Zusammenstellung gemäß der Vorlage realisieren.

Beginnen wir mit der Kernspule L1, an die wir die Luftspule L2 binden. Zwischen ihnen wird abschließend der Draht des Kondensators C1 aufgewickelt.

Der auf 360 Grad aufgeheizte Lötkolben erhitzt die Drähte und lässt das Lötzinn schön darauf verlaufen. Zum Schluss werden überstehende Drähte abgeschnitten.

Das war es schon mit dem Basszweig. Für den Hochton-Teil verdrillen wir zuerst die Beine der Widerstände auf einer Seite und legen sie dann beiseite.

An die kleine Luftspule L3 wickeln wir die Beine von C2 und C3.

Nun dürfen auch die Widerstände mit den freien Drähten von C3 und L3 verdrillt werden. Lötzinn dran und Überstand abgeschnitten vollenden den HT-Zweig.

Es folgt die Hochzeit der Zweige. Die freien Drähte von C2 und L1 verbinden sich, Gleiches macht C1 mit dem Knotenpunkt von  L2 und C3. Und wieder darf gelötet und die Beine gekürzt werden.

Mit Heißkleber werden fast alle Bauteile auf ein Holzbrett geklebt, das etwas kleiner als der Bassausschnitt zugesägt wurde. Die Kernspule hält besser, wenn sie mit Kontaktkleber befestigt wird.

Fehlen nur noch die Kabel zu den Chassis und dem Terminal. Sie werden so abgelängt, dass sie nach Einbau der Weiche etwa 15 cm aus dem Loch für das zugehörige Chassis herausragen. Begonnen haben wir mit der Zuleitung zum Terminal, Bass und Hochton folgten.

Wer genau hinsieht, erkennt einen hellen Fleck auf C3. Er entstand beim Löten um den Fotoapparat herum. Der Lötkolben hat dort den Mantel des Kondensators verbrannt. Diese äußere Verletzung aus der Kategorie “kann passieren” hat keinerlei Bedeutung für die Funktion oder gar den Wert des Bauteils und erfordert daher keinen Austausch.

Weiter geht es mit dem Einbau der Weiche in das fertige Gehäuse. Der beste Platz ist auf der Rückwand hinter dem Bass. Dort kann man bei Bedarf ohne Aufwand die Schaltung inspizieren und schnell Fehler in der Verdrahtung finden. Nobody is perfect und auch ich habe schon Terminal + mit Bass + verwechselt.

Wenn das Terminal angelötet und verschraubt wurde, darf der Dämmstoff in die Box. Für die Ceram 17 werden zwei Matten mit 40 x 40 cm benötigt, die zusammengefaltet links und rechts an die Wände gelegt werden. Zwischen die Matten passt dann auch das Reflexrohr, ohne Verstopfung zu haben. Nun noch die Chassis mit den richtigen Kabeln verlötet (breite Fahne ist Plus) und nach dem Vorbohren die Schrauben anziehen.

Um die Boxen vom Regal oder Sideboard zu entkoppeln, empfehlen wir Gummifüße oder die optisch ansprechenderen Alufüße, die (oh Wunder!) auch in unserem Shop als Zubehör angepriesen werden.

Schluss mit dem Kaufmanns-Geschwafel und ab in den Hörraum, wo meine Hypex-Monoblöcke schon auf neue Opfer warteten. “War” von Franky goes to Hollywood schien mir ein erster, brauchbarer Test zu sein. Mit trockenen, impulsiven Bässen, guter Textverständlichkeit und Hochtonauflösung ohne Schärfe füllten die Ceram 17 den Raum. Beeindruckendes Bassfundament demonstrierte Infected Mushrooms mit “Eat it raw“, die Lautsprecher schienen ihre Musik entdeckt zu haben. Dass sie jedoch nicht eintönige Bummer und Zischer sind, bewiesen die Boxen, als das “Brandenburgische Konzert Nr.2” mit dem Bach eigenen Swing mein Ohr erfreute. Kein Gedränge um den besten Standort auf der Bühne, Platz um alle Instrumente, macht Laune, länger zuzuhören.

Fehlt noch das Einfühlsame, der Blues. Wie schön heult Garry Moore’s Gitarre, als er dem Ohr “As the years go passing by” anbietet. “There is nothing I can do, if you leave me here to cry”. Doch ! Hör dem Bass zu, der Drum und der klagenden Stimme. Eine einfache Musik und sie berührt. Dies ist für heute mein letzter Satz, denn ich habe gerade gemerkt, dass ich nun ein paar Stunden Musik genießen muss. Und du, lieber Robert, kannst schon mal das Holz sägen.

Udo Wohlgemuth

Zur Ceram 17 BR im Online-Shop

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Juchuu, da ist sie, die lang (genauer: seit Nordhausen) ersehnte kompakte Ceram.

@uwe: Ich fand es auch verblüffend, wie sehr die Klangcharakteristik der Chorus ähnelt und deshalb auch dieses “Habenwollen” Gefühl, das mich sofort gefangen nahm.

Jetzt fehlt nur noch der Center für meine funkelnagelneue HK-Front… Danke Udo 🙂

LG, Jörg

Das hört sich gut an – im mehrfachen Wortsinne 😉

Nochmals vielen Dank, Udo!

LG, Jörg

Hallo Udo,

super, dass es mit der Ceram-Serie weitergeht!

Ich habe sie noch von Nordhausen her im Ohr und war damals erstaunt, wie ähnlich sie meinen Chorusboxen waren, obwohl ein komplett anderes Material verwendet wird.

Ich weiß noch, dass sie sehr klar aber wirklich ohne jede Härte klangen. Das habe ich so von Keramikchassis – auch bei teuren Fertigboxen – noch nie gehört.

….wenn ich nicht schon so gut versorgt wäre!

Liebe Grüße

Uwe

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