Aus der Ăberlegung heraus, dass man seine halbwĂŒchsige Tochter besser bei sich im Haus mit ihren Freund(inn)en Party machen lĂ€sst als sonstwo (denn so weiss man, wo sie ist und mit wem, und man muss sie nicht in den frĂŒhen Morgenstunden irgendwo abholen gehen), haben wir einen weiter nicht genutzten Kellerraum entrĂŒmpelt. Weil grad Pandemie war, musste zwar auch das eine oder andere FitnessgerĂ€t da rein, aber grundsĂ€tzlich sollte daneben nach moderaten Renovationsarbeiten ein Party- und Gameraum entstehen.
Nun ist eine der SchlĂŒsselzutaten fĂŒr Parties nun mal Musik, dafĂŒr brauchtâs Lautsprecher, und weil ich einschlĂ€gig vorbelastet bin, kam ich auf die Idee, selber zu bauen – passenderweise stand auch grad der Weihnachtsurlaub vor der TĂŒr. Bei der Suche im Netz bin ich dann irgendwie hier bei Udo gelandet, habe mich im Forum beraten lassen (eher grosser Raum, die Lautsprecher sollten halbwegs pegelfest sein, aber nicht ĂŒbermĂ€ssig teuer, falls da mal ein GetrĂ€nk oder eine Person drauffĂ€llt), und bin so bei der U_Do 74 gelandet. Gesagt, getan, bestellt, und nach wenigen Tagen erhalten.
In der Zwischenzeit hatte sich auch ein ausgesprochen netter Kollege hier aus dem Forum bei mir gemeldet, und gefragt, ob ich vielleicht Interesse hĂ€tte, dass er mir das Holz zusĂ€gt? Er mache so was auch von Berufs wegen, und wohne in der Gegend, und so. Habâ ich mir nicht zweimal anbieten lassen, und konnte kurz darauf zwei Stapel mit MDF-Teilen abholen, komplett mit allen AusfrĂ€sungen fĂŒr Chassis und Anschlussterminals. Wie sich beim Bau dann gezeigt hat, war das allerhöchste PrĂ€zisionsarbeit, zehntelmillimetergenau und sauberst gemacht â danke, Adi!
Nun ging es also ans Zusammenbauen. Ich habe mich dazu hinreissen lassen, alles zu verdĂŒbeln â halten sollte das ja auch ohne, aber einerseits verrutscht dann beim Verleimen mit Garantie nichts, und andererseits wollte ich es halt einfach so gemacht haben. Mit dem ĂŒblichen Wolfcraft-DĂŒbeldingens geht das ja auch recht einfach und prĂ€zise.
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Das Vorgehen hat sich dann auch bewÀhrt, das Ergebnis waren rundum praktisch perfekte Verleimungen, ohne nennenswerte Fugen und Ritzen.
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Was nun folgte, habe ich noch nie besonders genossen: die OberflĂ€chenbehandlung. Weil ich lackieren wollte, habe ich zuerst die StirnflĂ€chen des MDF mit Epoxy eingepinselt, und verbleibende Fugen mit Spachtel behandelt, den ich aus Laminierharz und Talkum jeweils selber anmische â als Ex-Modellbauer hat man so was ja rumliegen. Der Vorteil gegenĂŒber Polyester ist die mechanische Festigkeit, der Nachteil sind die sehr langen AushĂ€rtezeiten, und gesund ist beides nicht. Jedenfalls hatte ich dann nach anschliessender Schleiforgie eine ziemlich gute Basis fĂŒr die Grundierung â und die (spĂ€ter erfĂŒllte) Hoffnung, dass sich die Stirnseiten unter dem Lack nicht so schnell abzeichnen wĂŒrden.
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Nun wĂ€re die Endlackierung angestanden, aber damit wollte ich auf besseres Wetter warten, um das im Garten durchfĂŒhren zu können. Und ausserdem waren mittlerweile die Weihnachtsferien um, und so schlecht sahen die Kisten mit der weissen Grundierung auch gar nicht aus. Erstaunlicherweise habe ich mich im Sommer dann tatsĂ€chlich dazu durchringen können, NĂ€gel mit Köpfen zu machen, und habe ĂŒber mehrere Tage hinweg immer wieder gerollt, geschliffen, wieder gerollt, und nochmals geschliffen, und so weiter. Es werden wohl so gegen 4-5 Schichten geworden sein (Acryl-Möbellack in seidenmatt), und das Ergebnis ist zumindest bei normaler Beleuchtung einigermassen makellos. Ich bin jedenfalls zufrieden damit. Zwischenzeitlich wurden auch die Weichen nach Udos Vorgabe auf ein Holzbrettchen geklebt, verdrahtet und verlötet. In der Box wurde sie hinter dem oberen Bass auf die RĂŒckwand geschraubt, bevor die Kammern locker mit der DĂ€mmwatte gefĂŒllt wurden.
Und wie klingt das Ganze? Nun, ich habe als erstes mal die ganzen CDs meiner «audiophilen» Sturm- und Drangphase herausgekramt (der/die/das geneigte Lesende kann daraus unschwer mein ungefĂ€hres Geburtsjahr ableitenâŠ). Und hatte grosse Freude an Flim & the BBs â das geht schon mal richtig laut. Dann Quincy Jonesâ Birdland nachgelegt: geht auch ziemlich laut, das Grinsen wird breiter. Bei komplexeren BlĂ€serpassagen geht vielleicht etwas die Ăbersicht verloren, aber angesichts der Preisklasse schon ziemlich schick. Ein Ă€hnlicher Eindruck bei Raw Stylusâ 37 Hours: das knallt so, wie es muss, wenn auch hier in hektischen Phasen Details etwas zum Versumpfen neigen â was wiederum Nörgeln auf recht hohem Niveau ist.
Weil man aber nicht immer nur laut hören kann, musste anschliessend die ĂŒberragende Live-Aufnahme von B.B. King im Apollo Theater ran â und gleich wurdâs trotzdem wieder laut. Und wiederum das Fazit: macht richtig Freude, mit vielleicht minimal Luft nach oben bei Dynamik und Auflösung. Und so ging das einmal quer durch meine Plattensammlung: was ich da an Sachen wiederentdeckt habe, von denen ich gar nichts mehr wusste.
So habe ich also nun eine ziemlich luxuriös klingende Party-Anlage im Keller stehen, wo ich mich ganz ungeplant gern und oft auch nur zum Musikhören davorsetze. Es macht einfach SpaĂ, in Ruhe gute Musik zu hören. Nur kommt blöderweise der Appetit beim Essen, und so denke ich manchmal, ich hĂ€tte auch etwas höher ins Regal greifen können. Sicher geht da mit der Bluesklasse abseits von Party noch mehr. Wer weiss, vielleicht gibtâs ja mal wieder ein Weihnachtsprojekt. Diesmal mit SatoriâŠ
Rainer (leoville)
Zur U_Do 74 im Online-Shop
Vielen lieben Dank fĂŒr die freundlichen Kommentare.
Was nun die sich abzeichnenden Kanten angeht: ich hab’s ja nicht glauben wollen, aber dagegen scheint wirklich kein Kraut gewachsen.
Das Epoxy (@Jan: ist glaub’ ich mehr oder minder egal, welches, im Zweifelsfall tut’s Epoxidharz L von R&G, weil das leicht zu bekommen ist) fĂŒllert zwar sehr gut (und macht das MDF hĂ€rter, was an Kanten wohl auch kein Schaden ist), so dass man problemlos gute FlĂ€chen hinkriegt. Das Problem mit der unterschiedlichen Ausdehnung in Richtung Plattendicke versus LĂ€nge/Breite löst aber weder das Epoxy noch die DĂŒbel wirklich – wenn Temperatur oder Luftfeuchtigkeit sich verĂ€ndern, zeichnet sich eine mehr oder minder deutliche Line ab. Ich vermute, da reichen bereits ein paar Hunderstelmillimeter, damit man das auf einer glatten FlĂ€che sieht. Bei mir hat’s wohl ein halbes Jahr gedauert, aber die Linien sind da. Minimal, und man sieht sie wohl nur, wenn man’s weiss, aber ich seh’ sie. BĂ€h.
Kann man wohl nix machen. Gehrung, oder sonst furnieren. Falls hier ein Profi mitliest: ihr habt’s sicher schon immer gewusst, oder? Oder habt ihr eine Lösung dafĂŒr?
Und noch ein kleiner Spoiler: das angetönte Satori-Projekt hat bereits stattgefunden. Dazu spÀter an anderer Stelle mehr.
Nur damit ich es richtig verstehe –> ist die Leimfuge sichtbar oder die komplette StĂ€rke der Plattenkante ?
Plattenkante:
Bei MDF saubere Kanten hinzubekommen heiĂt fĂŒllern, schleifen, fĂŒllern, schleifen …
… und wenn Du denkst es ist gut, dann fĂŒller und schleife lieber noch ein weiteres mal.
Knackpunkt dabei ist, dass man die Kanten am besten ohne Schleifunterlage (Schleifkork, HolzplĂ€ttchen oder Schleifschuh) schleifen sollte. Vereinfacht gesagt schleift man beim Kantenschliff auf 2 Harten Decklagen und einer Weichen mittellage. Nutzt man nun einen Schleifkork, schleift man meist nur auf den Harten Decklagen, aber die breitere und weichere Mittellage wird nur wenig berĂŒhrt.
Daher – Schleifpapier in die Hand nehmen, ohne irgendwas und schleifen bis die Finger taub werden.
Mir ist die Schleiferei zuwider, daher arbeite ich sowas auf Gehrung und habe dann nur “FlĂ€che”. Das bissle an Radius das man hinfrĂ€st bekommt man i.d.R. gut geschliffen.
Eine weitere Option ist das aufbringen von sogenannten Grundierfolienkanten (oder Grundierkanten), dann ist die Kante gleich komplett geschlossen –> Die Kante sieht man nicht mehr, die Leimfuge aber halt trotzdem (weiter unten mehr)
Knackpunkt bei den 2 Varianten ist, dass Sie fĂŒr denjenigen der Teile und Co. im Baumarkt kaufen muss nicht möglich sind da BaumĂ€rkte meist keine Kanten auffahren und keine Teile auf Gehrung sĂ€gen –> oder zumindest nicht so genau, dass die dann auch wirklich passen (2-seitige Gehrung geht ja noch, aber 3-seitig da muss es schon stimmen).
Falls die sichtbare Leimfuge gemeint ist:
Tjoa, da machste nix. Leimfugen sind uns Schreinern (oder Tischlern wie man in anderen BundeslÀndern sagt) schon immer ein wenig ein Sorgenkind.
Die Situation ist, dass der Leim einfach hÀrter ist als das umliegende Material somit ergibt sich:
Schwindet Holz / Holzwerkstoff wird die Fuge erhaben und sichtbarerJe feiner man schleift umso mehr kann man die Fuge erfĂŒhlenDie alte Regel heiĂt:
Lack beschönigt nicht, Lack vergibt nicht !
Was in ver Vorarbeit nicht Perfekt war, ist nach der Lackierung gar noch schlimmer.
Es zeigt sich nur eine feine, dĂŒnne Linie, da, wo die Leimfuge sitzt. Und auch die hat monatelang auf sich warten lassen – anfangs war da gar nix, auch bei hellstem Licht war nichts zu sehen. Ich hatte mich schon gefreut. đ
Ansonsten: vielen Dank fĂŒr die AusfĂŒhrungen!
Hallo Rainer und Achim,
es gibt da noch die Methode von Andre. Er klebt auf die Kisten 3 mm HDF auf und hat so nur eine dĂŒnne Schnittkante. Beim Bericht zur Ceram 52 ACL gibt es ein Foto davon.
GruĂ Udo
Sehr schöne Lautsprecher; wirklich gelungen.
Wo ich die 74er so sehe frage ich mich warum ich die 73er gebaut habe. Optisch machen deine Lautsprecher wirklich was her.
Vom Werdegang klingt es bei Dir genau wie bei mir auch; vermutlich kommt ĂŒbern Winter eine der SB Serien ins Wohnzimmer.
Hallo aggerflash,
du hast doch schon eine der SB-Serien zu Hause đ
GruĂ Udo
Hallo Udo,
also wenn ich mich recht erinnere ist es eine U_Do73 đ
https://www.acoustic-design-magazin.de/Lautsprecher-selber-bauen/Thema/klang-fuers-wohnzimmer-mit-der-u_do73/
GruĂ Achim
Hallo Achim,
… und wer ist der Hersteller der U_Do-Chassis? đ
GruĂ Udo
Ach so meinst Du đ ich dachte eher an den Aufstieg von Einsteiger in bluesklasse đ
GruĂ Achim
Hallo Rainer,
dein Projekt gefÀllt mir. Die Klebetechnik mit Gewichtscheiben ist auch bei mir gÀngige Praxis.
Mir gefĂ€llt die Optik der 74er mit 2 BĂ€ssen und einem Mitteltöner auch besser als die die ganzen Pseudo-DâAppos mit 2 Mitteltönern. Leider gibtâs sowas nicht durchgĂ€ngig in allen Baureihen, weil die 4-Ohm-Chassis nicht so gut ins Serienkonzept passen und vielleicht die groĂe Nachfrage nach sowas nicht da ist.
Die DĂŒbelei brauchtâs fĂŒr die Festigkeit nicht, sie hat aber wahrscheinlich einen anderen Vorteil: MDF arbeitet in Richtung der Ebene und Richtung der Plattendicke ĂŒber die Zeit und die Schwankungen von Temperatur und Luftfechte minimal unterschiedlich. Der Holzleim bleibt auch nach dem AushĂ€rten elastisch, so dass sich die lackierte Klebekante irgendwann abzeichnet, fast egal was man vorher drauf gespachtelt hat. Eventuell blockieren die DĂŒbel diesen unerwĂŒnschten Effekt.
Whatever⊠Im Partyraum sitzt niemand mit der Lupe vor den GerÀten.
Viel SpaĂ und beste GrĂŒĂe,
Martin F
Moin und Glueckwunsch zum gelungenen Projekt! Besonders interessant fand ich das Einstreichen der Stirnseiten mit Epoxy, das habe ich bisher noch nicht probiert. Koennte dies ggf. auch bei Multiplex funktionieren? Und falls ja, welche Produkte koennte man nehmen (gerne auch per PM)?