Schon lange hatte ich die Idee, ein Küchenradio, basierend auf einem Bausatz von Udo und einem Raspberry-PI zu bauen. Beim Stöbern im Internet bin ich in einem Onlineshop für DIY-Gitarrenverstärker auf das Butterfly-Tolex gestoßen. Ich verliebte mich sofort und bestellte einige Stoffmuster zur Ansicht.
Nach Ansicht der Stoffmuster und Rücksprache mit Udo bezüglich möglicher Bauweisen für mein Küchenradio bestellte ich alles Notwendige. Tolex, Bespannung und Beschläge fand ich in dem Onlineshop für DIY Gitarrenverstärker, Elektronik-Kleinteile in einem Kleinkram-Versand, MDF-Zuschnitt in einem anderen Shop, den Raspberry-PI, Aufsatz-Verstärker und Soundkarte noch vor dem Brexit in Großbritannien.
Alles traf dann auch nach und nach ein. Jedes Kartonöffnen war ein kleines bisschen wie Weihnachten. Mit dem Elektronik-Kleinkram konnte ich eine ganze Süßigkeiten-Box als Aufbewahrungs-Behälter füllen. Der MDF-Zuschnitt war erstaunlich schwer und kam doppelt verpackt an, wobei die äußere Verpackung den Geist aufgegeben hatte. Von der Raspberry PI-Lieferung und der Lautsprecher-Lieferung habe ich leider keine Bilder gemacht, aber dafür gibts genug andere.
Den MDF Zuschnitt musste ich dann auch schnell zusammenstecken, um zu prüfen, ob ich alles richtig berechnet und bestellt hatte. Bedauerlicherweise unterlief mir vor der Bestellung ein Fehler und ich musste im örtlichen Baumarkt noch etwas 10 mm Zuschnitt besorgen. Wie man auf dem Bild sehen kann, habe ich die inneren MDF-Teile in schwarz durchgefärbt bestellt. Hier wollte ich mir die Möglichkeit offen halten, das MDF zu ölen, um das Küchenradio auch ohne Frontplatte hinstellen zu können.
Nachdem Gewissheit bestand, dass der Zuschnitt passt, ging es ans Fräsen. Da ich schon einiges an Erfahrung mit DIY-Projekten sammeln konnte, habe ich einiges an Zuschnitt doppelt gekauft. So auch die Fronten für die Chassis. Hier konnte ich drei Fronten fräsen und die zwei schönsten auswählen. Bei der Fräserei mit dem schwarzen MDF fiel jede Menge Staub an. Leider bin ich beim Saubermachen der Kellerwand erst kurz vor Schluss auf die Idee gekommen, einfach alles runterzukehren und dann vom Boden abzusaugen, anstatt mit der kleinen Düse die Wand abzusaugen.
Irgendwann später ging es dann ans Zusammenleimen. Wie es sich für die Konstruktion eines Küchenradios gehört, habe ich dies im zukünftigen Habitat des solchen durchgeführt: auf dem Küchentisch.
Das Küchenradio soll ja einen Gitarrenverstärker-Look haben, also musste die Frequenzweiche auch in guter, alter Gitarrenverstärker-Manier mit einer extra-dicken Platine und aufgenieteten Turrets gefertigt werden. Basierend auf Udos Schaltplan und den Bauteilen ging es an diversen Abenden ans Planen der Platine. Hierzu zeichnete ich einen Plan in Originalgröße mit Hin- und Herprobieren der Bauteilpositionen.
Nachdem die Bauteil-Positionen festgestanden waren, ging es ans Zurechtsägen der Platine und das Bohren der Befestigungslöcher. Zum Annieten der Turrets gabs im Shop einen extra Amboss und Stößel. Die Aufnietaktion führte ich unter der Woche früh nachmittags im Keller durch, um die Nachbarn möglichst wenig zu nerven. Alternativ habe ich auch im Internet die Möglichkeit gesehen, die Nieten mit einer Ständerbohrmaschine einzupressen. Die Turrets wurden mit Silberdraht dem Schaltplan entsprechend verbunden und fest gelötet. Die Löcher der Turrets dienten als Aufnahme für die Bauteile.
Die Anschlüsse der Bauteile ließen sich nun von Hand zurechtbiegen, einstecken und verlöten. Zum Verlöten war eine starke Lötstation notwendig, da die dicken Turrets eine hohe Wärmekapazität haben und die daran bereits verlöteten Drähte zusätzlich Wärme wegleiten. Um die Bauteile vor zu viel Hitze zu schützen, hilft eine Klemmpinzette hinter der Lötstelle, dem Bauteil zugewandt, um dorthin fließende Wärme in die Pinzette statt dem Bauteil aufzunehmen.
Leider finde ich die Bilder mit der Lackiererei nicht mehr, diese Geschichte war aber auch nicht sonderlich spektakulär. Ursprünglich wollte ich mir die Möglichkeit offen halten, die Front zu ölen, entschied mich dann aber, weil ich die Übergänge zum Tolex sehr genau ausarbeiten müsste, das Gerät nur mit Frontplatte aufzustellen. Also lackierte ich das schwarze MDF klar und alles andere mit einer schwarzen Schicht Acryllack.
Zum Beziehen des Gehäuses entschied ich mich für den Fender-Style: Links und Rechts separat bezogene Seiten; Deckel, Rückseite und Boden ca. 1 cm überlappend über die Seiten. Die Rückseite vom Tolex und die zu beziehenden Gehäuseteile bekamen eine erste Schicht Kleber. Nach etwas Ablüftzeit kam eine zweite Schicht Kleber darauf, um Tolex und Gehäuse dann zu verheiraten. Wer das nachbaut, dem empfehle ich, zuerst den Tolex mit Kleber zu bestreichen, einige Minuten zu warten und dann das Holz zu bestreichen, weil der Kleber auf dem Tolex deutlich länger zum Ablüften braucht als auf dem MDF. Für exaktes Zuschneiden des Tolex an Ecken und Kanten entnahm ich aus einem Internet-Video den sehr guten Tipp, eine frische Einweg-Rasierklinge zu nehmen. Die vorgebohrten Durchbruchstellen für den Griff durchs Tolex ertastete ich mit den Fingern, markierte sie mit einer Nähnadel und brannte sie mit einem alten Lötkolben durch. Klebereste auf dem Tolex ließen sich einfach mit dem Daumen runter popeln.
Ein kleiner und einfacher Schritt war das Einsetzen der Wolle.
Zum einfachen Zugang der Frequenzweichen, für weitere Experimente damit und damit sie schön durch die Frontbespannung durch glitzert, entschied ich mich für die Montage im Geräteraum.
Dazu sollten Einschraubmuttern dienen. Da ich noch Reststücke vom MDF zur Verfügung hatte, konnte ich den optimalen Bohrdurchmesser für die Muttern experimentell feststellen. Vor dem Einschrauben der Muttern kam ein wenig Holzleim auf das Außengewinde der Mutter und etwas auf die Innenseite. Die Muttern schraubte ich letztendlich mit einer längeren Schraube als Hilfswerkzeug zum geraden Einschrauben ein.
Die Frequenzweichen waren jetzt schnell eingesetzt. Natürlich musste ich an dieser Stelle erstmal alles testweise zusammensetzen und in Betrieb nehmen.
Den ersten Test überstanden, ging es weiter mit der Elektronik. Ursprünglich wollte ich alle Anschlüsse herausführen und das Netzteil aus Modulen selber bauen. Dazu faltete ich eine Einhausung aus Aluminiumblech, aber verwarf diese Idee dann doch wegen der vielen Kabel.
Letztendlich wird das Radio jetzt über eine herkömmliche Wandwarze von einem anderen Gerät mit Energie versorgt. Der Class-D-Verstärker mit seinem Weitbereichseingang wird direkt über eine Hohlstecker-Buchse mit dem Steckernetzteil verbunden. Zwischen dem Netzteil und dem Raspberry-PI wandelt ein kleines Modul die Spannung auf 5 Volt runter. So muss im Geräteraum nicht mit Netzspannung hantiert werden. Die theoretischen 60 Watt Leistung des Verstärkers können mit dem kleinen Netzteil zwar nicht abgerufen werden, aber bisher war ich noch in keiner Situation, die Lautstärke auf volle Leistung aufdrehen zu müssen.
Da das Elektronikgehäuse jetzt obsolet war, entschied ich mich zur Frontplattenmontage für Montagewinkel aus der 19-Zoll-Technik. Für alle die eine vergleichbare Befestigungsmöglichkeit suchen, empfehle ich die Winkel gleich in einem der beiden genormten Maße, also 19 oder 10 Zoll zu montieren, da für diese Maße auch gleich Zubehör wie leere Frontplatten erhältlich sind.
Zur Beschriftung der Frontplatte entschied ich mich, die Buchstaben mit einem Schraubstock und Schlagbuchstaben in das MDF einzupressen. Natürlich habe ich auch hier mit Reststücken zuerst experimentiert. Die Buchstaben wurden zuerst über eine schnell geklebte Vorrichtung eingepresst, mit weißer Farbe ausgelegt und die Ränder mit Schleifpapier bearbeitet. Auf dem Bild sieht man die verschiedenen Versuche dazu. Eine perfekte Beschriftung, also wie industriell gefertigt, ließ sich damit nicht erreichen. Dafür gefällt mir aber, wie es jetzt aussieht.
Für die Frontabdeckung verwendete ich ein passend ausgeschnittenes Stück MDF. Das MDF wurde einige Millimeter kleiner als benötigt gewählt, damit noch Platz für den Stoff der Bespannung blieb. Das zugeschnittene MDF bekam zunächst eine Schicht Klarlack und wurde dann einfach mit dem Stoff bespannt und festgetackert. Hier musste ich nur wenig am Stoff ziehen, um alles auch in den Ecken gerade zu bekommen. Der Stoff besteht aus Kunststofffasern, die sich nach dem Tackern mit einem Heißluftfön zum Zusammenschrumpfen bewegen ließen.
Alles zusammengebastelt fand das Radio schließlich den geplanten Platz in einem Regal in der Küche.
Auch wenn die Platzierung des Geräts in der Küche nicht HiFi-optimal waren, rockte es nach Inbetriebnahme alles andere an Audiowiedergabe-Gerätschaften in meiner Wohnung weg und weckte den Bedarf an mehr Selbstbau-Projekten. Mit dem flugs aufgespielten Kodi als Betriebssystem bin ich so weit noch nicht zufrieden und werde noch andere Optionen ausprobieren. Doch Software lässt sich ja glücklicherweise anpassen oder leicht ersetzen und so lädt das Küchenradio zu zukünftigen Erweiterungen wie einer bunt durchscheinenden Lichtorgel hinter der Frontabdeckung ein.
Dominic
Zur SB 12_6L im Online-Shop
Klasse Umsetzung.
Der Look ist unglaublich gut gelungen!!!
Ich habe die auch mal für einen Kollegen gebaut. Bei wandnaher Aufstellung schieben die Teilchen schon ganz ordentlich!
Idee:
Wenn’s doch zu wenig an Druck im Bass sein sollte, könnte man einen der Ovalen Subs einbauen. Mit einem Up2Stream 2.1 wäre es ggf. möglich etwas an Volumen für den Sub einzusparen.
Ist nur eine Anregung
Rincewind
Hallo Dominic,
Tolle Idee mit dem Gitarrenverstärker-Look im Fender-Style. Und auch noch die Ecken mit den glänzenden Metallkappen versehen, dem unentbehrlichen Stoßschutz, mega. Dann die Frequenzweiche mit den Turrets, die 60er Jahre lassen grüßen. 😉
Jaja, das schwarze MDF. Ich hatte es schon mal geschrieben, es wird bei mir grundsätzlich nur noch im Freien verarbeitet. Das ist Ruß, purer Kohlenstoff in feinster Staubgröße. Ich musste die Werkstatt aufwändig reinigen. ☹
Ja, bei den Einschraubmuffen hat es etwas gedauert bis ich damit zum Erfolg kam. Das mit der langen Schraube wie bei dir war schon eine Hilfe aber die ultimative Lösung war dann eine simple Vorrichtung.
Auf YT (https://www.youtube.com/watch?v=iVad0hidRic) zeigt es der Guido Henn recht ausführlich wie das Ding ruck zuck ‚gebaut‘ wird und funktioniert, das wird natürlich auf einigen anderen Kanälen ebenso gebracht.
Was für einen AMP hast du verwendet? Das Netzteil, wieviel Volt?
VG Rundmacher
Hallo Dominic,
eine wirklich gelungene Umsetzung der SB12_6L.
Du hast wirklich die Optik eines kleinen Gitarrenverstärkers eingefangen.
Was mir besonders gut gefällt (auch wenn mir der Aufwand zu groß wäre) sind die
Frequenzweichen. Optisch erinnern die mich sehr stark an die alten Phywe-Module,
aus denen man in der Ausbildung an den entsprechenden Racks elektronische Schaltungen
zusammen stecken konnte. Phywe Lehrmittel gibt es bis heute, aber die jenigen aus vergangenen Tagen hatten noch diese schöne Pertinax/Bakallit/Hammerschlag-Optik und zig blanke Kontakte,
die alle schrien “Bitte Tod vermeiden!” Heute undenkbar, aber damals hat man den Azubis scheinbar
noch zugetraut, nicht an blanken Kontakten zu lecken, wenn der Meister sagte, dass da richtig Feuer drauf ist 😀
Fast schon schade, dass die Weichen hinter der Bespannung verschwinden, aber 10/10 Punkten
für das Design. Gerade zu Esage-esque 🙂 (Bin ja selbst eher so der Lotzinn-Heißkleber-Reinquack-Deckeldrauf-Bastler)
Gruß,
-Sparky
Sehr schöne Umsetzung der Idee “Boombox” mit viel Liebe zum Design! Herrlich
Respekt vor der sehr gelungenen Umsetzung! Ich bin ja immer heilfroh, dass ich die Weichen bei Udo schon fertig gelötet bekomme. So ein Projekt kann ich mir noch nicht mal vorstellen. Bin ha eher der Holzwerker 😁
Ich mag auch das Design, den Look des Gitarrenverstärkers, samt der Materialien. In Summe wieder mal eine Bereicherung für die Community. Danke für den Baubericht.
Viele Grüße aus dem Schwabenländle
Alex
Danke für den Bericht – tolles Projekt und sehr schöne Sonntagmorgen-Lektüre hier im Urlaub am Ossiacher See.