8. Dezember 2024

The Waterdrop – RS100 PC

Autor: threeD

Meine Reise in die DIY-Lautsprecherwelt begann vor genau 15 Jahren. Eigentlich hatte ich vor, mir ein Paar aktive Studiomonitore zuzulegen, aber dann bin ich über das Acoustic Design Magazin und die Kreationen von Udo gestolpert. Dass ich hier mit ein wenig Eigeninitiative bares Geld sparen konnte, hat mich gleich fasziniert. Somit startete ich mit einem Paar Elip 1 für meinen Schreibtisch in der Studentenwohnung. Nachdem diese für den Schreibtisch dann doch deutlich zu groß waren, musste kleinerer Ersatz her und die Elip landeten in der Wohnung meiner Frau. Der Ersatz war mit den RS 100 PC recht schnell gefunden und bei Udo bestellt. Bei IKEA fand ich noch passende Holzblumenkisten, die zusammengeleimt ziemlich genau das passende Volumen ergaben. Gleich mit Udo abgestimmt, der freundlich und hilfsbereit wie immer das passende Bassreflexrohr vorschlug und die Lautsprecher waren nachfolgend rasch umgesetzt.

So spielten diese jahrelang unter großer Zufriedenheit meist, wie der Name es bereits vorschlägt, am PC, zuletzt bei meiner Schwester in derer Studenten-WG. Als die RS 100 PC auch bei ihr durch eine größere Anlage ersetzt wurden, kam die Wiedergeburt als Phoniebox für meine Tochter. Für alle, die davon noch nicht gehört haben, das ist eine Open-Source Variante der Toniebox. Hier wird RFID-Reader mit einem Raspberry Pi gekoppelt und somit können lokal gespeicherte Hörbücher mittels RFID-Karten aufgerufen werden. Das war dann der letzte Schritt, an dem ich handwerklich an den Gehäusen gearbeitet habe.

Ein großes Manko bei meinen Lautsprecherbauten mit MDF, beginnend mit der Elip 1, über Cerablue, bis zu den Bluenote small light war für mich immer, dass ich nie die Geduld und das handwerkliche Können aufgebracht habe, um die Gehäuse auf dem Niveau zu fertigen, wie es hier im Magazin oft stolz präsentiert wird und ich es auch selbst gerne gehabt hätte. Dies änderte sich für mich schlagartig mit der Anschaffung eines 3D-Druckers im Herbst 2022. Hier konnte ich ab sofort einen ganzen Pulk an technischen Fähigkeiten umsetzen, die ich über die Jahre im Studium der Kunststofftechnik gelernt hatte. Gleich bei der Anschaffung achtete ich darauf, dass der 3D-Drucker genügend Bauvolumen aufweist, um auch Gehäuse für Regallautsprecher fertigen zu können.

Nach der recht umfassenden Einleitung nun zum vorliegenden Projekt. Das Ziel für mich war ein neues modernes Gehäuse für den RS 100 PC zu kreieren, dass ich mittels 3D-Druck umsetzen kann. Die Form sollte möglichst nahe dem einer Kugel sein, wodurch der Baffle Step verringert wird und interne Reflexionen durch fehlenden parallelen Seitenwände vermieden werden. Weiters werden Plattenschwingungen ausgeschlossen und das Wandmaterial wird in Folge der Druckschwankungen im Inneren rein auf Zug- bzw. Druck belastet, anstatt in Biegung wie in Standardgehäusen. Weiters sollte das Bassreflexrohr im Design integriert sein. Als Lösung für meine Anforderungen kam ich, nach doch recht langen Überlegungen, auf die Form eines Wassertropfens, wobei die Spitze des Tropfens quasi das Bassreflexrohr bildet.

Dies musste nun in Bits und Bytes in CAD umgesetzt werden, um auch nachfolgend dem 3D-Drucker beibringen zu können, was er zu tun hat. Hier galt es nun die optimale Geometrie zu finden, die möglichst ohne Stützstrukturen fertigbar ist, die im Druck nur Material und Druckzeit kosten und schlussendlich als reiner Müll überbleiben. Um dies zu gewährleisten, wurden die Überhänge möglichst unter dem Maximum des Druckers ausgelegt. Das Volumen fiel mit 3.6L dann nochmal deutlich kleiner aus als beim Bauvorschlag von Udo, das Bassreflexrohr konnte dadurch bei einer Tuningfrequenz von 63 Hz mit einer Länge von 50mm und einem Durchmesser von 20mm ebenso verkleinert werden, was auch bei der Konstruktion des vorliegenden Gehäuses half.

Aus der kugeligen Tropfenform ergibt sich jedoch dann das Problem, dass das Lautsprecher-Chassis eigentlich nur mehr knapp über der Schreibtisch-Oberfläche liegt und dementsprechend ordentlich Reflexionen vom Tisch erzeugt. Dies führte zur Notwendigkeit ebenfalls einen Lautsprecherständer kreieren zu müssen. Nachdem ich als Ingenieur ständig neues lernen und ausprobieren will, versuchte ich mich hier an generativen Konstruktionsmethoden mittels Topologieoptimierung. Hierbei wird der Software vom Ingenieur vorgegeben, wo die Lastangriffspunkte sind, wie hoch die Lasten sind und die Software berechnet darauf basierend die für den vorliegenden Lastfall optimale Geometrie bei geringstem Materialeinsatz. Heraus kommen dabei meist bionische Strukturen, die mehr an gewachsene als konstruierte Geometrien erinnern, so wie auch im vorliegenden Lautsprecherständer. Ein erstes Rendering der Konstruktion ist in folgendem Bild dargestellt.

Nachdem die Konstruktion abgeschlossen war, ging es schlussendlich noch in die Optimierung des Druckprozesses in der Slicer-Software. Diese erstellt basierend auf Geometrie und vorgegebenen Randbedingungen den Pfad, den der Druckkopf des 3D-Druckers abfährt und speichert die Einstellungen in eine für den Drucker lesbare Datei, ähnlicher einer CAM-Software bei CNC-Fräsen. Hier wurde noch optimiert, dass der Druck des Lautsprechers innerhalb eines Tages ohne Nachtstunden erledigt ist, da ich ungerne eine Maschine aus chinesischer Produktion mit 60°C heißem Heizbett und 210°C heißem Druckkopf unbeaufsichtigt im Keller werken lasse, während die gesamte Familie im Haus schläft. Und so sieht der fertige Lautsprecher aus:

Jetzt werden sich sicherlich viele denken, ein Lautsprechergehäuse sollte doch stabil sein und daher nicht aus „weichem“ Plastik? Da diese doch berechtigte Frage mich als Ingenieur selbst interessiert, hab ich dann noch nachgerechnet, wie es tatsächlich um die Steifigkeit von so einem „Plastik“-Gehäuse im Vergleich zu einem MDF-Gehäuse steht. Basis für die Berechnungen waren der Gehäusevorschlag von Udo mit 12mm MDF, gegenüber dem Waterdrop-Gehäuse aus dem 3D-Drucker mit 4mm Wandstärke, gefertigt aus PLA. Als Vergleichsmaß wurde die maximale Auslenkung der Seitenwand bei Xmax vom RS 100-4 von 4 mm herangezogen. Ich muss hier gleich anmerken, das Ergebnis hat mich selbst sehr überrascht. Die Bewegung der Wand in Folge des Innendruckes ist nämlich beim 3D-gedruckten Gehäuse 7x kleiner als beim MDF-Gehäuse (!), d.h. dieses ist somit ca. 7x steifer! Nun stellt sich natürlich die Frage, wie kann das sein, Kunststoff ist doch so viel weicher als Holz?! Eben nicht. Das Maß, wie viel ein Material bei angelegter Last nachgibt, wird als E-Modul bzw. Zugmodul bezeichnet. Laut technischen Datenblättern, ist dieser bei MDF und dem PLA-Kunststoff mit ca. 2700N/mm² nahezu ident. Jetzt bleibt aber noch der große Unterschied in der Wandstärke vom MDF-Gehäuse mit 12mm und dem 3D-gedruckten mit 4mm. Hier macht im Endeffekt die Geometrie den Unterschied. Beim MDF-Gehäuse werden die Seitenwände auf Biegung beansprucht, wo 12mm eigentlich nicht sehr viel sind und vergleichsweise wenig Material über die Dicke, die die eigentliche Last aufnimmt. Hingegen bei der Kugelform kommt es, ähnlich wie bei einem Druckkessel, zu reiner Zugbeanspruchung bei Überdruck bzw. Druckbeanspruchung des Materials, bei Unterdruck im „Kessel“. Hier wird jedoch das gesamte Material der Kugel gleichverteilt belastet.

Für aufmerksame Mitleser stellt sich jetzt noch die Frage, was ist eigentlich aus dem zweiten RS 100 PC geworden? Der verbringt jetzt immer noch als zweiter Kanal im Stereosystem sein Dasein, jetzt aber gekoppelt mit einem Raspberry Pi samt 5“ LCD Bildschirm, eingebautem Verstärker und Battery Pack und wird somit als mobiler Netzwerkstreamer von meine großen Tochter im Dauerbetrieb verwendet. Die beiden Gehäuse passen natürlich überhaupt nicht zusammen, weder das Design, noch die akustischen Parameter der beiden Gehäuse, zum Hörbuch hören oder laut dazu singen passt es jedoch perfekt.

Gilbert

Zur RS 100 PC im Online-Shop

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Hallo threeD

wirklich ein ganz Toller Beitrag und ich bin schon drauf und dran das Projekt mal nach zubauen bzw. mit meinem Bambulab P1S nach zu drucken auch wenn der Bauraum etwa kleiner ist und ich es in 2 Teile drucken muss.

Konntest Du mir eventuell noch schreiben woher Du die Stecker bestellt hast, bzw. was Du zusätzlich zu den RS 100 PC an Teilen für den Bau bestellt hast ?

Bevor ich mir jetzt jedoch die Datei Etsi Kaufe und herunter lade, würde ich sehr gerne wie weit denn schon die Bluetooth Geschichte fortgeschritten ist.

Würde ich mich über ein Feedback von die freuen.

Viele Grüße aus Duisburg, Jan

Guten Morgen Gilbert,

erstmal danke für Deine schnelle Antwort. 🙂

Wirklich mega interessant mit den kleinen Bluetoothverstärkern.

Ich wußte auch gar nicht das es sowas Genieales gibt, muss auch dabei sagen das ich da noch nicht so ganz so tief im Thema bin wie Du. Habe vor 6 Jahren die SB 12 vo Udo gebaut und anschließend noch einen Subwoofer. Seid einem Jahr beschäftige ich mich mit 3D Druck und möchte dieses Thema auch weiter vertiefen, als Konstrukteur im Maschinenbau hat man ja immer irgendwie wilde Ideen. 💡

Habe noch ein paar Fragen zu der Bluetooth Version von den Lautsprechern.

Ab wann wäre denn die STL der Lautsprecher Konstruktiv abgeschlossen, so dass Du Sie mit Ruhigen gewissen weiter geben kannst ?

Ist es vielleicht möglich das man für den Kontakt Emailadressen austauscht, wenn Du magst und Du mir nach eingehender Paypal Zahlung die Datei zukommen läßt ?

Wie ist das eigentlich mit den kleinen Bluetooth Verstärkern, hast Du da ein Extragehäuse gedruckt und implementiert. ( Bin da ja richtig neugierig )
Auch würde mich interessieren, wie Du das mit der Stromversorgung lösen wirst, bin da jetzt nicht so der Spezi, aber ich verstehe das bis jetzt so, das die Verstärker auch eine externe Stromversorgung brauchen.

Viele Grüße Jan

Guten Morgen Gilbert,

wow das hört sich super an mit der Konstruktion.

Ich schick Dir gleich mal ne Mail mit ein paar kleinen Fragen um den Beitrag hier nicht unnötig mit unserer Unterhaltung aufzupusten.

Grüße Jan

N’Abend threeD (Alias ist Programm),

über den LS an sich lass ich mich jetzt nicht aus, kenn ich, ist gut.
Vermutlich ist Udos Grund, diesen Artikel zu veröffentlichen ohnehin das gefällige Design.

Auch wenn ich noch immer nicht mit dem 3D-Druck anfangen werde, ist es doch schön zu sehen, was diese Plastewurstextruder alles schönes machen können, wenn der Anwender versiert ist.

Das organische Design, besonders der Trabekel-artige Fuß, gefallen mir gut. Farbe ebenso.

Der RS100 ist ein Einstzeigerset, also so ziemlich dass, was man im Hochglanzladen fur unter 1000€ bekommt. Aber schau Dir mal an, was im Fertigsegment Lautsprecher kosten, die solch eine Formgebung haben. Gelobt sei der Selbstbau.

Gruß,
-Sparky

N’Abend threeD,

die Überlegung geht ja noch weiter: Du hast dir bei Udo das Set gekauft und durch das Gehäuse veredelt. Hier läuft es ja nach dem Motto, ich hole mir erst mal den Motor und bau das Auto drum herum. Im Fertigsegment kommt erst einmal das Design, was durchaus aufwändig sein kann wie von Dir beschrieben. Am Ende muss dann ein Motor hinein, der zum Design passt.
Nicht selten ist genau dass der Grund, warum die…. habe da kein Wort für….
“Euro pro guter Klang” Ratio im Selbstbau besser fürs Budget ist. Und da ist die Arbeitsleistung, das Gehäuse zu bauen, ja sogar noch Hobby 🙂

Ich verfolge das Thema 3D-Druck auch im industriellen Umfeld und bin gespannt auf die Zukunft.
Habe auch schon das ein oder andere repariert im Alltag mit Teilen, die mir ein Arbeitskollege mit seinem 3D-Drucker gemacht hat.

Gruß,
-Sparky

Hallo,

habe ich etwas überlesen. Ich finde das 3d-modell nicht.

mfg

ich habe es gelesen.. danke

Hi tolles Projekt! wäre es möglich zweck Nachdruck die CAD datei zu bekommen? Würde so gerne mal hören was die dinger können. OS der Fuss sieht schon mal organisch aus wenn das tröpfchen dann noch toll klingt…. Wäre ein tropfen auf den heissen stein meiner neugier;)

Moin.

Ich möchte hier zustimmen. Was für ein Design! 👍🏻 Schöne Idee den Bassreflex so in die Form einfließen zu lassen.

Der Prozess der Herstellung ist für mich Raumfahrt und absolut beeindruckend. So als Holzwurm…

Ich stelle die gleiche Frage wie Markus, gibt es nur einen gedruckten LS?

Gute Arbeit, viel Freude damit!

Beste Grüße
Andreas

Sehr sehr schönes Design, gefällt mir richtig gut!

Die RS100PC gehören für mich zu den Lautsprechern mit dem größten Überraschungsmoment – was da klanglich rauskommt, erwartet niemand beim Anblick.

Moin … als jahrelanger 3D-Druck-Fan und selber Konstrukteur freue mich sehr über Deinen Bericht. Idee und Optik sind Bombe. Vor allem die Standfüsse haben es mir angetan. Hut ab!

Hab ich das richtig gelesen: Du hast nur einen LS gedruckt (Mono)?

Zu Deinen Berechnungen hätte ich eine Frage: Ich hab das damals bei den Mona auch berechnet (Eier, hier im Magazin). Grundsätzlich sehe ich das so wie Du! Allerdings bin ich auf eine höhere Wandstärke gegangen. 1. Damit die mir nicht vom Tisch hüpfen (Gewicht) und 2. hab ich eine Modalanalyse gemacht. Bei Dünnen Wandstärken waren doch einige Resonanzen im akustisch auffälligen Bereich. Die hab ich runter gezogen durch Masse (gut, ob Sinn und Unsinn lässt sich bei einem 3 Zöller natürlich streiten 😉). Aus reinem Interesse: Hattest Du das auch mal kontrolliert, zumal der BR ja recht dünn, lang und offen ist.
Wie dem auch sei: Dein Design macht Lust Inventor anzuwerfen und den Drucker vorzuheizen ☺️.

Gruß, Markus

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