28. Juni 2020

RS 100 PC – es geht auch in Schön

Autor: Der Alex

Da ich alle (ja, wirklich alle) Bauberichte hier im Forum gelesen habe, komme ich eigentlich nicht umhin, auch einen zu verfassen.

Als ich jung war, also so Anfang 20, hatte ich meine ersten TL´s gebaut. Nun, sie waren groß (aus der Erinnerung ca. HBT: 130x25x35cm) und hatten im Bassbereich unglaublich viel zu bieten. Ich sage es gleich, ich bin kein großer Experte, wenn es um das Entwerfen von Lautsprechern oder das Löten von Frequenzweichen geht. Damals hatte ich mir Tief-, Mittel- und Hochtöner in einem Elektronikfachmarkt gekauft und sie an eine übrig gebliebene 3-Wege Weiche aus dem Autohifi-Bereich geklemmt. Die Länge des Schallkanals habe ich so lang wie möglich gewählt, also über 200cm. Viel hilft viel! Ich habe es euch ja gleich gesagt, ich bin kein Experte! – und das bis heute nicht.

Zu meiner Entschuldigung lässt sich sagen, dass es damals kein Internet, keine Foren und dergleichen gab. OK, es gab Fachbücher in der Dicke des Bochumer Telefonbuchs, aber es ging ja nur darum, ein paar Boxen zu bauen und nicht darum, den Doktortitel zu machen. Natürlich verblieben die Bücher im Regal und wanderten nicht auf meinen Nachttisch.

Vor etwas über einem Jahr lernte ich dann den äußerst kompetenten und netten Herrn Vroemen auf einer kleinen Messe kennen. Um es kurz zu machen, hat er mir nach einer Führung durch die Produktion später in seinem Haus gezeigt, wie Musik klingen kann und meine Bestellung zweier Lautsprecher und diverser Audio-Komponenten ließ nicht lange auf sich warten. Gut, mein Wohnzimmer ist nun ordentlich versorgt.

Aber das „Bauen-Fieber“ hatte mich nun nach über zwei Jahrzehnten wieder gepackt! Elektrik, Elektronik und alles was mit Kabeln, Widerständen, Spulen und Sonstigem zu tun hat, ist so gar nicht meine Welt und selbst ein Schaltplan mit mehr als 2 Bauteilen bereitet mir Kopfschmerzen. Man sagt mir jedoch nach, dass ich recht gut bei der Bearbeitung von Holz wäre. Das geht von Schränken über Tische bis zum Bau von Küchen und Bädern. Was für ein Glück also, dass es Udo gibt, der einem fertige Weichen zu den Lautsprecherchassis gleich mitliefert. Klasse!

Nun aber zum eigentlichen Baubericht …

Von der Größe her passend zu meinem Schreibtisch sollten es die kleinen RS 100 PC werden.

Da die Kanten abgerundet sein sollten, kam kein Furnier in Frage. Das wäre ein zu großer Aufwand geworden. Lackieren und Folieren geht bei mir grundsätzlich schief, also musste es Vollmaterial sein. Ahorn, Esche, Eiche, Kirsche oder Nussbaum? MPX war aus optischen Gründen bei diesem Projekt nicht bei den Favoriten.

Nach vielen gelesenen Bauberichten hier auf der Seite entschied ich mich für Kirsche innen und Esche für die Seitenteile, da ich die hell-dunkel Kombination sehr ansprechend finde. Vollmaterial wird ja gerne verteufelt, da es im Vergleich zu MPX und MDF schlechtere klangliche Eigenschaften hat und stark arbeiten kann. Bei einer Gehäusegröße eines DIN-A4-Blattes hat mir das Arbeiten allerdings kaum Sorgen bereitet, zumal das Holz schon einige Jahre in der Garage lag. Den Umstand, dass es unerwünschte Vibrationen geben könnte, habe ich mit Materialstärke (20mm anstatt 12mm) kompensiert.

Nach dem Umrechnen der Maße ging es erstmal daran, die Bretter grob zuzusägen und durch den Dickenhobel zu schicken. 30mm als Ausgangsstärke war mir dann doch zu heftig. Der Vorteil eines Dickenhobels ist natürlich auch, dass das Material nicht nur dünner, sondern vor allem gerader wird, was speziell der alten Kirsche gut tat.

Nach dem Sägen der Bretter auf Gehrung kam das erste Mal der Fräszirkel zum Einsatz. Gut, das Einstellen des Radius hat ein wenig gedauert, das Fräsen mit der kleinen Makita ging aber gewohnt flott von der Hand. Im Nu waren die Löcher für Chassis und Terminals fertig.

Für die Kirsche hatte ich mir etwas Spezielles ausgedacht, das sicher nicht jedem gefällt. Da die Bretter aus einem Tisch aus den Jahren um 1880-1900 stammen, sind sie zwar gut abgelagert, allerdings auch ziemlich wurmstichig. Das Holz wollte ich aus sentimentalen Gründen aber definitiv in einem schönen Projekt verwenden, das ich auch täglich vor Augen habe.

Die Risse und Wurmlöcher sollten mit goldenem Epoxidharz gefüllt werden. Keine Ahnung, ob das Einfluss auf den Klang hat – hhhmmm OK … vermutlich schon – aber wie war das mit den zu erwartenden Vibrationen eines so kleinen Chassis?

Also die Unterseiten der Teile sorgfältig mit Aluminiumklebeband versiegeln (Epoxidharz kriecht in jede auch noch so kleine Ritze) und die schicke Mischung in die Risse laufen lassen. Vorsichtig, vorsichtig um keinen Tropfen zu verschütten! In der Regel genügen 24 Stunden zum Durchtrocknen, mir waren 48 aber einfach lieber, da in meiner Bastel-Garage die Temperatur im Winter bei nur 7-10 Grad liegt. Leider sieht man das Harz nach dem Schleifen kaum noch, es war aber sicher kein Fehler die Risse bzw. das Holz zu stabilisieren. Das untere Brett habe ich gleich geölt, da es nach dem Zusammenbau kaum noch Raum dafür gibt.

Das übliche Zusammenleimen (aufgrund der niedrigen Temperaturen in der Wohnung, nicht in der Garage), ist schnell passiert. Die Seitenteile wurden dann noch fix mit dem Bündigfräser und etwas Schmirgeln an die Mittelteile angepasst.

Die kleinen Rundungen an die Kanten gefräst und die großen mit dem Bandschleifer abgenommen und fertig ist das Gehäuse. Abgesehen vom anschließenden Schleifen, Schleifen, Schleifen …

Da die Esche nicht zu gelb und somit rustikal werden sollte, nahm ich das altbekannte Osmo Hartwachs Öl natural, das zwar die Maserung leicht anfeuert, das Holz jedoch nicht zu stark abdunkelt. Kirsche darf, nein soll allerdings stark angefeuert werden. Ergo, die Seitenteile abkleben und Front-, Rückseite sowie Boden und Deckel mit Osmo Hartwachs Öl farblos versiegeln. Und dann natürlich noch die Bohrungen der Chassis schwarz anmalen.

Den Bau der “Weiche” spare ich euch und mir, denn die hat Udo ja netterweise gleich mitgeliefert. Einzig ein paar LSP-Kabel anlöten bzw. die Stecker verkrimpen musste noch sein. Ich denke, es waren weder Goldstecker noch Kabel in 2×2,5 nötig. Nur wenn man schon mal was mit Elektrik macht, dann kann man auch richtig auf die Kacke hauen.

Die Chassis und die Terminals noch in die mit Watte versehenen Gehäuse schrauben und dabei beachten, dass die Watte direkt hinter den Chassis luftiger verteilt wird als im restlichen Gehäuse.

Nun kann der erste Testlauf mit Dire Straits „Six blade knife“ beginnen und mit Yello und George Duke´s Trio „It´s on – live at Java Jazz Festival“ beendet werden. Diese Hör-Session war dann direkt mal zwei Stunden lang, obwohl weder die Lautsprecher noch die Röhren des Vorverstärkers eingelaufen waren. Ich kam einfach nicht mehr weg von den kleinen Dingern.

Im Vergleich zu meinem alten 2.1 System eines verteufelten Berliner Herstellers klingen die Selbstgebauten auf meinem Schreibtisch wie High End Boliden. Die Feinzeichnung ist unglaublich gut, der Bassbereich einfach umwerfend und trotzdem akzentuiert. Sodass ich mir auch den (zuerst noch eingeplanten) Subwoofer sparen kann. Nicht unerwähnt sollte der gigantisch große „sweet spot“ bleiben. Egal wie ich an meinem Schreibtisch sitze, der Klang ist immer perfekt!

Ich bin begeistert!

PS: Die Chorus 51 steht schon in den Startlöchern

Musikalische Grüße
Alex

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Moin Moin,

sehr schöne Umsetzung!! Hut ab. Von dem goldenen Epoxy sieht man gar nix? oder kommt das auf den Bildern nur nicht rüber?

Was steht auf dem Nobsound? Ein Röhrenvorverstärker?

Gruß und viel Spaß mit den Kurzen!

Markus

Hallo,

wirklich wunderschön die Kleinen. Eine Detailfrage: Warum fiel für das Ausbessern der Wurmlöcher Deine Wahl auf Epoxy und nicht nach alter Väter Sitte auf Schellack?

Viele Grüße,
Roland

Hi,

Gratulation zu den Kleinen, sehen wirklich sehr gut aus.
Was auch noch sehr gut aussieht, ist dein Schreibtisch. Selber gebaut?

BG
Andi

Klasse, gefallen mir sehr gut, schauen total edel aus. Sie haben irgendwie eine total ruhige harmonische Ausstrahlung.

Hallo Alex. Ja, schön sind sie geworden. Und irgendwie auch schlicht, dank gelungener Farbwahl. Die große Wandstärke passt hier gut. Vor allem kommen die Maserungsverläufe toll zur Geltung. Am Besten gefallen mir die vorderen oberen Ecken. Absicht des Erbauers?
Liebe Grüße und einen schönen Sonntag wünsche ich.
Martin

Hallo Alex,
ich kann da nur zustimmen: tolles Gesamtwerk! So viel Mühe bei so kleinen Lautsprechern finde ich immer wieder faszinierend. Die vordere obere Kante gefällt mir auch besonders gut. Wie hast du die so gleichmäßig hinbekommen? Hattest du eine Schablone, gutes Augenmaß oder vielleicht nur ein bisschen Glück?
Viele Grüße, Tobias

Hallo Alex,
das war super erklärt. Danke. Ich werde das mit Sicherheit mal ausprobieren. Deine Vorgehensweise ist bei genauer Betrachtung so einfach und logisch, dass man sich schon fragt, warum man da selber nicht drauf gekommen ist.
Viele Grüße, Tobias

Ah wie schön! Endlich mal wieder ein Bericht zu den kleinen Zauberkästen. Und dann auch noch so formvollendete Exemplare! Man kann auch im kleinen seine Handwerkskunst beweisen. Herzlichen Glückwunsch und viel Freude mit den Beiden!

LG, Uwe

Wow, die gefallen mir richtig gut! Und die Begeisterung kann ich nachvollziehen. Was die kleinen Kisten an Klang in den Raum stellen, ist einfach wunderbar.

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