“Gedankenlesen leicht gemacht” hätte der Titel heute auch heißen können. “Ja” hätte jeder gesagt, “war doch nicht schwer!” Da schrieb ich vor vier Wochen einen Bericht über krummes MDF, für den ich ein paar schwarze Platten zurechtsägen und verkleben musste – Werkstattpraxis halt, ohne wirklich konkret genanntes Ziel. “Wird das eine Ceram 417?” fragte ERwin schon im ersten Kommentar. Gipsohr erkannte augenblicklich, dass es sich dabei um eine geschlossene Bauform handeln muss, in die nicht nachträglich eine Reflexöffnung gesägt wird. Und Martin Fausehningen hat im nächsten Moment das gesamte Konzept in knappen Worten, aber völlig richtig beschrieben. Nun ja, das komplette Gehäuse aus schwarzem MDF, das schreit geradezu nach weißen Membranen. Was ich mit dem Fach für ein Aktivmodul vorhatte, war ebenfalls nicht schwer zu erraten und die Verschaltung von vier identischen Bässen in einem Zweieinhalb-Wegesystem ist für einen fachlich versierten Leser sicher kein Geheimnis. Fehlen nur noch die Messungen und ein paar Bilder, vielleicht ein paar kleine Anmerkungen für die (noch) nicht so Kundigen, schon ist die Bausatz-Vorstellung fertig.
Beginnen wir die kurzen Erklärungen mit dem Baffle Step. Lautsprecher strahlen Schall kugelförmig ab, solange die Welle länger als ihr Umfang ist. In eine “unendliche” Wand eingelassen, wird der Schall daran reflektiert und die Kugel mutiert zur Halbkugel. Dadurch steigt der Pegel um etwa 6 dB. Wird der Lautsprecher nun in ein Gehäuse geschraubt,verliert die Reflexionsfläche ihre Unendlichkeit und der Pegelgewinn fällt – ganz einfach ausgedrückt – unterhalb der Frontbreite kontinuierlich weg. Um das bildlich darzustellen, habe ich den “nackten” SB 17 CAC-8 einmal auf meiner 175 cm breiten Messwand (blau) und einmal im 22 cm breiten Ceram 17 CB-Gehäuse (rot) gemessen.
Der nächste Punkt ist ebenso schnell abgehandelt, er heißt Membranfläche und Impedanz. Doppelte Membranfläche bedeutet halben Hub für gleiche Lautstärke oder 3 dB mehr Maximalpegel. Das lässt sich durch Parallel- oder Hintereinanderschalten zweier Chassis erledigen. Im ersten Fall halbiert sich die Impedanz, was weitere 3dB Schalldruckgewinn ausmacht (wenn der Verstärker es mitmacht). Hintereinander geschaltet verdoppelt sich die Impedanz, das ergibt 3dB Verlust und klaut den Gewinn durch die doppelte Membranfläche.
Und schon sind wir beim letzten Aspekt der Betrachtungen, dem Verstärker. In den meisten Fällen sind sie heute so konstruiert, dass sie eine Last von 4 Ohm treiben können, ohne dabei durch zu großen Stromfluss zu überhitzen. Ist die Impedanz geringer, schalten sie ab oder brennen durch.
Nun wollen wir die Vorbetrachtungen auf die Ceram 417 anwenden. Wir wissen, dass ein ins Gehäuse gebauter Lautsprecher durch fehlende Reflexionen “nach unten” etwa 6 dB an Pegel verliert. Verdoppeln wir die Membranfläche (+3dB) und halbieren wir die Impedanz (+3dB), können wir das durch geschicktes Auskoppeln des zweiten Chassis ausgleichen. Passiv wird dafür eine Spule verwendet, das Konstrukt nennt sich Zweieinhalb-Wege-Box.
Wie der Name verrät, werden in die Ceram 417 vier Bass(mittel)töner geschraubt. Die beiden oberen Chassis werden parallel geschaltet und nehmen den Hochtöner in die Mitte. Das ergibt die D’Appolito-Optik, durch die beide BMT gemeinsam mit einem Weichenzweig gefiltert werden dürfen. Über die Theorie will ich hier nicht weiter reden. Ihr Namensgeber sagte mir einst mit weisem Lächeln, dass sie in Reinform praktisch kaum baubar ist, Abweichungen aber auch zu guten Ergebnissen führen. Zur Baffle Step-Kompensation habe ich zwei weitere SB 17 CAC-8 darunter gepackt. Rechnen wir nun zusammen, kommen wir bei Parallelschaltung auf für fast jeden Verstärker gefährliche 2 Ohm. Trennung von Bass- und BMT-Teil mittels BiAmping wär ein möglicher, aber teurer Ausweg. Und nun kommt endlich auch die Aktivierung zum Zug.
Mit den Hypex FA 123 bekommen alle Lautsprecher, also auch die Hochtöner, eine eigene Endstufe, die Filterung wird dabei dem programmierbaren DSP auferlegt. So wird auch die Weiche eingespart, deren Bauteile die direkte Kopplung von Amp und Chassis verhindern. Zudem lässt sich digital genauer auf den Punkt filtern. Wo passiv in der E12-Reihe auf die 4,7er-Spule die 5,6er folgt, bietet DSP auch jeden Zwischenwert. Dicke Spulen oder Kondensatoren zum Preis eines Goldklumpens werden kostenlos einprogrammiert. Natürlich darf man sich nicht dazu verleiten lassen, jede Unebenheit im Frequenzschrieb glattzubügeln. Ein Lautsprecher erhält durch gefällige Betonungen seinen Charakter.
Genug der Vorrede, kommen wir zum Bausatz. Mit vier 17ern haben wir ausreichend Membranfläche, um auf den Bassgewinn durch eine Reflexöffnung verzichten zu können. Also habe ich LSPCad um ein geschlossenes Gehäuse gebeten, in dem die Bässe gemeinsam werkeln. “Nimm 46 Liter” sagte die Software.
Das setzte ich augenblicklich in Freecad um, legte vorher aber noch 9 Liter für die Modulkammer drauf und hatte im Handumdrehen eine Zeichnung mit Bemaßung und Holzliste für 19 mm schwarzes MDF. Für eigene Änderungen kann die Freecad-Datei herunter geladen werden.
Aufgebaut wurden die Gehäuse schon vor vier Wochen, das war mir einen eigenen Bericht wert. Um die eintönigen Kisten etwas augenfreundlicher zu gestalten, habe ich mit einem speziellen Bündigfräser seitlich eine Schattenfuge angezogen. Zwei Hartwachsöl-Aufträge mit Zwischenschliff schützen die Oberfläche und färben sie fast schwarz mit kleinen, helleren Faserstücken.
In die Modulkammer bohrte ich drei 6 mm-Löcher, durch die das Kabel vom FA 123 zu den Chassis gezogen wurde. Für das luftdichte Verschließen nutzte ich Heißkleber. Vorn hängen die Kabel aus ihren zugehörigen Ausschnitten heraus.
Eine 60 x 160 cm große Matte Dämmstoff wird halbiert und ein Stück nach unten und eins nach oben in die Box geschoben. Sie ist damit mehr oder weniger gleichmäßig gefüllt.
Die beiden unteren Bässe wurden parallel (plus an plus, minus an minus) am Basskanal (rotes und schwarzes Kabel am Doppelstecker) angeschlossen, die beiden oberen teilen sich den Kanal 2 (blaues und graues Kabel). Der Hochtöner wird ebenfalls mit einem roten und schwarzen Kabel mit seinem Verstärker verbunden, dessen anderes Ende jedoch im kleinen Stecker steckt. Vorbohren ist Pflicht, bevor die Schrauben verschraubt werden. Dabei schützt der Finger die Membran, falls der Schrauber abrutscht. Hinten wurde zum guten Schluss der Hypex-Amp eingeschraubt.
Als Messraum diente dieses Mal der Laden, der mit 6 x 7 Metern Grundfläche und 4 Metern Höhe ungefensterte Messungen mit nur geringen Verbiegungen durch Reflexionen möglich macht. Clio pocket generierte die Signale und gab sie auf dem Monitor aus, in der Hypex-Software wurden die Filter gesetzt.
Schnell waren die Presets auf zwei FA 123 hochgeladen und die Hörprobe konnte beginnen. Was von solchen Schallwandlern erwartet wird, hat Martin schon in seinem Kommentar angerissen: Knackigkeit und Basspräzision. Um das zu überprüfen, durfte die Abteilung “Elektronische Musik” ran. Zugegeben, das ist nicht mein Spezialgebiet, aber Trentemöllers “Chamäleon” habe ich auf meiner Festplatte und das Stück durfte schon mehrfach meinen Laden mit Tiefstbass füllen. Eigentlich passiert hier nicht viel, ein stampfender Rythmus, der sich über die ganzen 6 Minuten hinzieht und untenrum ordentlich nachhallt, begleitet von kurzen “Geräuschen” im Mittel- und Hochton, “Windrauschen” im Hintergrund. Was soll ich sagen? Die Ceram 417 spielen nicht nur mit knackiger Basspräzision, sondern füllen auch den Raum hinter den Boxen mit guter Bühne. Vier Siebzehner pro Seite schieben schon mächtig, aber Auflösung und Feinzeichnung verlieren sie auch nicht in Mitten und Hochton. Wie wenig aggressiv der Hochtöner zu Werke geht, ist hinreichend aus den Beschreibungen aus Nordhausen bekannt. Dort wurden die Cerams klanglich auf eine Stufe mit den Chorussen gesetzt, die mit Pappe und Textil ganz andere Membranmaterialien auffahren.
Es folgte ein Feuerwerk im wörtlichsten Sinn, als das mexikanische Tempus Quartett mir den “Winter” aus Vivaldis Vierjahreszeiten um die Ohren fetzte. Die scheinbare Leichtigkeit der Barock-Musik ging nie verloren, egal welch schnelle Tonfolgen die Streicher aus ihren Instrumenten zauberten. Dass sie nicht nur Spektakel können, zeigten sie im Anschluss mit der sehr emotionalen Version von “Nothing else matters“, für die sie zum Teil auch “richtige” Instrumente verwendeten. Mein Ladenkater Joshi – beim Musikhören fast immer dabei – hatte nichts zu meckern, obwohl die Appocalyptica-Version bisher zu seinen absoluten Lieblings-Hits gehörte.
Gestolpert bin ich dann auch noch hierüber und hierüber. Ohne genauer auf die Lautsprecher zu achten, fragte ich mich, welches Stück langweilig und welches kommerziell erfolgreich ist. Meine neuen Aktivisten freuten sich jedenfalls nur beim anderen.
Einen würdigen Abschluss aus traurigem Anlass fand mein “Wohnzimmer-Konzert” mit John Mayall, zu dessen 70. Geburtstag sich vor 20 Jahren eine namhafte Mannschaft ehemaliger Bluesbreakers zusammenfand. “Dirty Water” sang er nur für mich, sein Bassist marschierte, die Gitarren spielten ihre mitreißenden Soli und es war laut. Die Ceram 417 zeigten sich davon völlig unbeeindruckt, lässig und unangestrengt gingen sie jeden Pegel mit. Jonas fragte mich hinterher, was er zwei Etagen höher in etwas mehr als angenehmer Zimmerlautstärke hören durfte. Gestehen muss ich aber noch, dass ich statt des Youtube-Videos die weit bessere Qualität der von Platte überspielten flac-Version genoss. Jedoch ein Bild musste ich aus dem Video herausschneiden. Es beschreibt am Ende unten noch besser als alle Worte, wie ich das Konzert empfand:
Und bevor einer fragt: Passiv geht nicht. Die Erklärung steht oben.
Udo Wohlgemuth
Zur Ceram 417 im Online-Shop
Hallo Udo,
Ich gehe mal ganz stark davon aus, dass dieser Lautsprecher in Nordhausen zu bewundern sein wird. Ich freue mich schon darauf.
Ich habe schon so ziemlich alle Konstruktionen von Udo gebaut, BR mit Seidenkalotte und ER4 (D7, SB36…), Bandpass (FT12), Breitbänder (RS100), Koax (U_Do18BR). Alle LS sind für sich ein Highlight. Keramik als geschlossener LS fehlt noch. Hmmm
VG
Hermann
Hallo Hermann,
da bin ich ziemlich sicher, dass mich die Cerams nach Nordhausen begleiten werden.
Gruß Udo
Hallo Udo,
das ist ein seeehr interessanter Bausatz!
Eine einfache geschlossene Box, mit gefälliger und von mir bevorzugter Treiberanordnung, dazu noch mit zurückhaltenden Abmessungen (nur 30cm tief)
Wenn ich nicht schon zugeschlagen hätte, dann…
Nur dumm das der aktive Ceram 34 Bausatz hier noch in Teilen liegt, da ich anstatt (wie geplant) bei schönem Wetter im Garten zu bauen, das Unwetter ins Haus bekommen habe. Wasser und Schlamm haben allerdings für viel Platz gesorgt, da vieles entsorgt werden mußte. Zum Glück lagen Ceram-Bausatz und Holz im Wohnbereich, bzw. der nicht betroffenen Garage.
Vielleicht schaffe ich es ja jetzt im August, mit dem Gehäuse zu starten.
Wenn ich mich in die Ceram 34 eingehört habe, muß ich auf jeden Fall diese neue Ceram 417 einmal probehören.
Grüße
TOM
Hallo Tom,
wenn du lieber sofort aufrüsten willst, kannst du mir die bisher unbenutzten Zweiweg-Module zurückschicken. Sie werden dann mit dem Preis für die zusätzlichen 17er, Kleinteile und die FA 123 verrechnet.
Gruß Udo
Hallo Udo,
lieben Dank für das Angebot, das ist wirklich sehr kundenfreundlich.
Da ich auch die Gehäuseteile vom Schreiner bereits hier liegen habe, werde ich die Ceram 34 auch bauen. Ich hatte mich ja auch nicht unüberlegt zum Kauf entschieden. Alles weitere sieht man dann. Vielleicht summiert es sich ja im Haushalt später zu einer Ceram 451 auf 😉
Grüße
TOM
Hallo Tom,
das Angebot musste ich machen, weil ich dadurch kundenfreundlich wirke und es auf meiner Seite dennoch keine Kosten verursacht 😉
Gruß Udo
Hallo Udo,
auch ich war gespannt auf die Auflösung, welcher Lautsprecher denn nun aus dem Gehäuse von vor vier Wochen entsteht. Als begeisterter Zuhörer der SB417 frage ich mich natürlich wie (und ob) sich die beiden 417 klanglich unterscheiden?
Optisch ist der Unterschied natürlich offensichtlich. Ich könnte mich nicht entscheiden.
Da hilft wohl nur probehören…
Viele Grüße
Tim
Hallo Udo,
das ist mal eine amtliche Box!
Ich habe ja bis jetzt „nur“ die Ceram 17 gebaut und bin vom Klang dieser „kleinen“ schon begeistert. Wie ich dir schon beim Senden meines Bauberichts geschrieben habe, ist das für mich das „Ceram-Wunder“. Dieser gelöste und entspannte Klang, der aber keine Details verschluckt, ist wirklich klasse.
Und dann nun in der Größe und aktiv? Ich freue mich schon sehr auf Nordhausen!
Liebe Grüße aus Ostwestfalen
Uwe
Hallo Udo,
ich lag schon die letzten Sonntage auf der Lauer nach der Auflösung des Rätsels, was aus den schlanken schwarzen Kisten vom 30.6. wird, und heute dann „yesss, I knew it!“. Nur bei der Modellbezeichnung lag ich falsch. Auf 17 für einen und 34 für zwei folgt nicht die 68 für vier Siebzehner. Aber für ein außergewöhnliches Konzept wie dieses darf auch die Nummerierung aus der Reihe tanzen.
Wenn meine Räume nicht schon mit teuren Verstärkern und hervorragenden Schallwandlern voll stünden, die Ceram 417 wäre genau mein Ding. Ein Kaufargument neben dem Klang ist der vergleichsweise schmale Fußabdruck und die schlanke Gestalt für den gelieferten Schalldruck und die präzise Bassgewalt.
Ich kenne den Keramik-17er gut als Doppelbass aus meinem letzten Frankenstein-Projekt. In eine Playlist für einen Soundcheck dafür gehören nach meiner Empfehlung gerne noch Titel wie „Dark Necessities“ (Red Hot Chili Peppers), „Wristband“ (Paul Simon) und Marcus Miller‘s „Jean Pierre“ in der Live-Version mit Christian Scott sowie das ganze Album „Dub Wars“ von Groundation, falls das „Chameleon“ von Herrn Trentemøller das Haus noch nicht abgerissen hat 😉
Beste Grüße,
Martin F
Hallo Martin,
da die Boxenkonstruktion etwas aus der Reihe fällt, habe ich auch die Nomenklatur angepasst. Eigentlich hatte ich schon länger vor, einen optischen Nachfolger für die SB 417 zu basteln. Dabei habe ich immer nur passiv gedacht, obwohl aktiv ganz andere Möglichkeiten bietet. Das geschlossene Gehäuse wird klein und 2 x 4 Ohm im Bass kennen trotz moderater Anhebung keine Pegelgrenze.
Deine Testmusik werd ich mal für die nächsten Horproben abspeichern.
Gruß Udo