5. Oktober 2025

… und was kommt nach Nordhausen 2025?

Autor: Udo Wohlgemuth

Früher war es ein beliebtes Hobby, das neben dem Geld sparen eine Menge an Wissen bescherte. Der scheinbar unaufhaltsame Aufstieg des Lautsprecher-Selbstbaus startete so richtig in den 1970er Jahren, als die Rockmusik immer wilder und die Jugend rebellischer wurde und sich mit der traditionellen Denkweise der Altvorderen nicht mehr identifizieren wollte. Die Boxen hingen nicht mehr dezent hinter der Gardine an der Wand oder verbargen sich nicht mehr in der formschönen Musiktruhe. Sie durften groß und breit im Jugendzimmer stehen, ihr Pegel zeigte an, ob die Eltern gerade zuhause oder anderswo waren. Besser hatten es die Studenten, sie waren im Wohnumfeld meist von Gleichgesinnten umgeben und der Kommilitone mit den dicksten Bässen wurde gern zum Gastgeber erkoren.

Anfangs hatte der Selbstbau noch das „Orangenkisten“-Image, irgendwelche Chassis und Weichen-Bauteile wurden aus Sperrmüllfunden zusammengedengelt, auch das verwendete Holz stammte selbstverständlich von aussortierten Wohnzimmer-Schränken. Doch schon bald entstand das neue Berufsfeld des Bausatz-Erfinders, den heutigen Influenzern nicht ganz unähnlich, jedoch ohne Youtube und Tik-Tok. Trotzdem gab es in den 80ern allein im Ruhrpott grob 20 Läden, die das Wissen von Klinger oder Lengefeld aus deren Büchern in das Leben übertrugen und schon bald eigene Produkte kreierte. Musik war wichtig, nicht nur zum Zeittotschlagen.

Mit zunehmendem Alter der Akteure wandelte sich der Stil vom Rebellieren zum Genießen, Jazz und Blues eroberten immer mehr den Plattenteller. Von groß und breit trennte uns das Familienleben, schlank passte besser ins gemeiname Wohnzimmer. Dem Selbstbau tat das keinen Abbruch. Wer einmal infiziert war, wurde im Fertigsektor nicht mehr fündig. Baumärkte und der Furnierhandel ermöglichte es uns, auch schöne Oberflächen zu gestalten, ich verweise hier gern auf die „493 guten Gründe, deine Boxen selbst zu bauen„.

Damit unser Hobby nicht im Verborgenen stattfnden musste, lud Axel Hurow die Community – damals noch lautsprecherbau.de – erstmals Ende 2015 zum Jahresendtreffen in seine Tanzschule nach Eschborn ein. Fortgesetzt wurde die Tradition, die an Axels Gesundheit zu zerbrechen drohte, seitdem von unseren Rundmachern Katrin und Peter, die, ohne je gebührend dafür gewürdigt werden zu können, unser Fest mit unnachahmlicher Ruhe und Perfektion organisieren. (Zur allgemeinen Beruhigung: Axel tanzt wieder.)

Ihnen verdanke ich, dass ich in diesem Jahr bereits den 9. Nachruf auf mein Lebenswerks in jeder Hinsicht dankbar miterleben durfte. Dazu trafen wir uns bekanntlich am 27.09. in der Kreismusikschule Nordhausen. Damit die Daheimgebliebenen wissen, was sie verpasst haben, gibt es auch dieses Mal ein paar Fotos, die von etwas Text unterbrochen sind.

Freitagmorgen um 7 war die Welt noch in Ordnung, ich schlief noch tief und fest. Immerhin hatte Reiner sich und den Transporter erst für 12 Uhr angesagt und bis dahin konnte ich noch gemütlich mit meiner Frau frühstücken. Nicht wirklich schwer war das Einpacken der Lautsprecher, die für die Vorführung in Nordhausen vorgesehen waren. Die tragende Arbeit überließen wir Jonas, der sich in seinem abends beginnenden Urlaub noch reichlich ausruhen konnte. Kurz nach 13 Uhr ging die Fahrt los, die Navi sagte voraus, dass wir gegen 17.15 Uhr am Ziel angekommen sein sollten.

Naja, der zweite Stau schon im Ruhrpott war nicht der letzte und so waren wir glatte sechs Stunden unterwegs, bis wir die „Goldene Aue“ erreicht hatten. Zwölf bis vierzehn Bekannte und Unbekannte erwarteten uns schon zum gemeinsamen Abendessen zur Einstimmung auf das große Event. Es war schön, sie wiederzusehen oder kennenzulernen. Angesprochen wurde dabei auch das bescheidene Interesse an der Zusammenkunft, es gab leider ungewöhnlich wenige Anmeldungen. Naja, schaun wir mal, wie der Samstag verläuft und dann entscheiden wir, ob Nordhausen angesichts des Nachwuchsmangels überhaupt noch zeitgemäß ist.

Nun, der nächste Morgen ließ nicht lange auf sich warten. Nach einer kurzen Nacht trafen wir uns gegen 8.30 Uhr zum Frühstück, um 10.00 Uhr begannen wir planvoll mit dem Lautsprecher-Aufbau in der Kreismusikschule.


Katrin heizte den Würstchenkocher vor, Steffi packte wie schon in den Vorjahren unermüdlich mit an, um die musikhörenden Kerle nicht verhungern zu lassen. Später half dann auch noch der Rundmacher-Enkel mit. Vorher mussten wir ihm jedoch die angewachsenen Teufel-Kopfhörer aboperieren. An dieser Stelle sage ich an alle drei meinen herzlichen Dank – der Kuchen war lecker!

Wer hinten aus der Tür heraus ging, gelangte geradeaus weiter in den ACL-Flur, wo schon nach kurzer Zeit die ersten Töne erklangen. Nach und nach gesellten sich – wie an allen Hörstellen – weitere Mitbrinsel dazu.


Nicht verkehrt war es aber auch, links die Treppe hochzugehen. Dort standen wieder die kompakten Zweiweger aus allen Serien zum direkten Zweier-Vergleich mittels Umschalter am Verstärker.


Der dritte Hörplatz war die Grotte, in der sich die größeren Standboxen versammelten. Hier dirigierte Vadder Reiner das Geschehen an seinem Emitter mit Akku-Netzteil, dessen drei Komponenten mehr als beachtliche 90 kg auf die Waage bringen. Trotzdem klang er nicht dicklich, sondern erfreute die Zuhörer durch behende Impulsivität und Dynamik.


Nach und nach füllten sich die Hallen und allerorten fanden sich Gruppen zum Hören und Quatschen zusammen. Es gab viele Männer, die zum ersten Mal teilnahmen (die drei Frauen machen das schon seit Jahren). Als ich sie fragte, wie sie sich hier als Neulinge fühlten, waren sie sehr erstaunt. Bis dahin hatten sie es selbst noch gar nicht gemerkt.

 
Zwischendurch erzählte mir Katrin, dass sich der Virus blitzschnell auch ihres Enkels bemächtigt hatte. „Ob ich mir auch solche Boxen bauen kann?“ – „Frag mal den Opa, der hilft dir gern“.

Dass sich der Abend seinem Höhepunkt zuneigte, wurde gegen 18.30 Uhr so langsam klar. Auf einmal wurde die Männer-Domäne von Weibsvolk – man verzeihe mir diese heute unangemessene Wortwahl – geflutet. Dass sie sich bescheiden nur Sitzplätze in der zweiten Reihe erkoren, hatte nichts mit Diskriminierung zu tun.


… und dann zogen wir in die Kapelle um, nicht zur Andacht, sondern zum Konzert. Zum allgemeinen Bedauern musste Alexander John anderswo auftreten und daher den angestammten Platz am Flügel leer lassen.


Doch auch hierfür hatten die Rundmachers einen Plan B. Katrins Neffe Stefan Nagler, der bereits in Australien, Neuseeland und den USA seine Kunst am Flügel solo, im Trio und orchestral mit großen Namen bewiesen hatte, gab uns die Ehre. Der Begrüßungsapplaus fiel entsprechend herzlich aus.




Dass ich nicht mehr (und bessere) Fotos bei der wundervollen Abendmusik gemacht habe, hatte natürlich einen guten Grund: Ich habe wie alle anderen lieber die grandiosen Klänge des Flügels genossen. „Mann, hat das Instrument eine Kraft und Dynamnik!“ ging es mir durch den Kopf. Schade, dass ich nur Lautsprecher bauen kann.

Ob er sich denn auch mal ein paar Lautsprecher anhören könne, hat Stefan mich nach dem Auftritt gefragt. In der Grotte fütterten wir die großen Boxen mit der CD „Tight Game„, die er vor zwei Jahren mit der angesagtesten, deutschen Funk-Band „Radius“ aufgenommen hat. Zu meinem Glück verließ er nicht eilens den Ort des Geschehens.

Um 22 Uhr war dann aber doch Schluss mit Musikhören, die Kreismusikschule schloss die Pforten. Am nächsten Morgen stand das Aufräumen an. Dank vieler Helfer hatten wir gegen 11.30 Uhr alle Kofferräume wieder vollgepackt und die Musikschule so verlassen, wie wir sie vorgefunden hatten. Rührende Szenen spielten sich auf dem Hof ab, wo sich alle Männer und die drei Frauen herzlich zum Abschied umarmten. „Bis zum nächsten Jahr!“ war der Gruß, den man sich dabei gegenseitig erbot.

„Bis zum nächsten Jahr!“ sagte auch ich zu Katrin und Peter und sie nickten, als hätten sie nichts anderes erwartet.

Udo Wohlgemuth

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Auch von mir danke an alle, die das Treffen ermöglicht haben.

Ja, die Anreise ist für mich auch 460km. Mit einem kleinen Umweg über Crimmitschau waren es dann doch etwas über 700km gewesen. Und es hat sich gelohnt.

Ich wäre auch gerne Sonntag mit zum Abbau gekommen, aber ich musste direkt zu einem Geburtstag weiter. Das 77-Jährige Geburtstagskind war sehr überrascht, als ich unerwartet vor seiner Türe stand. Auch das waren wieder um die 500km und dann weitere 400 zu mir nach Hause. 😊

Auf nächstes ja freue ich mich jetzt schon.

Liebe Grüße
Ralf

Danke dir Udo für den schönen Einblick in die wieder einmal tolle Veranstaltung. Ich hoffe am Samstag waren dann doch noch „unangemeldet“ reichlich Zuhörer da?!

Ich persönlich hadere zugegebenermaßen mit der Anreise von knapp 450km. Aber die Lokalität ist mitten in der Republik schon echt top gewählt. In diesem Jahr waren wir in Utrecht, von dem her verplant. Aber vielleicht kommen wir zu zweit im nächsten Jahr. Jucken würde es mich schon. Der Zeitpunkt im Herbst ist auf jeden Fall für meinen Geschmack genau richtig.

Auch von mir einen ganz großen Dank an die Macher!

VG Alex aus dem Schwobaländle

Last edited 5 Stunden her by Der Alex
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