27. Oktober 2019

Uwes Chorus 73 – Elbphilharmonie die Zweite

Autor: Dilettant

“Also die kleinen klingen ja wirklich toll! Aber das soll doch jetzt so nicht bleiben, oder?!“ Nachdem die Chorus 51 das Herz meiner Frau und natürlich auch meins erobert hatte, sollte nun der nächste Schritt folgen. Wir hören viel Jazz und Klassik, letzteres eigentlich nur noch von SACD‘s in surround. Somit war schnell beschlossen: „Wenn das hier was Ordentliches werden soll, wandern die Kleinen hinters Sofa!“

Nur welches sind denn nun die besten Frontboxen?

Nach vielen Überlegungen und dem Studium der Berichte hier im Forum grenzte ich die Wahl auf zwei Modelle ein. Die Chorus 52 ACL oder die 73 sollten es sein. Für die 52er sprach die schlankere Bauform und der Wunsch das ACL-Prinzip auszuprobieren. Andererseits hat die 73er die größeren Tieftöner und das größere Volumen. Das spricht für mehr Gelassenheit untenrum auch ohne den ACL-Trick. Zudem hatte ich die 73er vom legendären Sofa aus in Bochum bereits genossen und kannte ihre Qualitäten vom eigenen Erleben.

Nachdem ich mich bereits 15mal gedanklich im Kreis gedreht hatte, gab meine Gattin wie so oft den entscheidenden Anstoß. Sie – ganz glorreiche Ausnahme von der WAF-Regel – plädierte für die größere 73er: „Wenn schon neue Boxen, dann sollen sie sich auch nicht verstecken. Die können dann auch größer sein als die bisherigen!“

Also schnell die Bausätze für die Chorus 73 bestellt, bevor ich es nochmal in Frage stelle. Mein 12jähriger Sohn kommentierte die Lieferung des Pakets ein paar Tage später mit der Bemerkung, dass er mich ja nun die nächsten Wochen wieder mal nicht mehr groß sehen würde. Damit sollte er Recht behalten….

Beim Gehäuse wollte ich natürlich den bei unserer Chorus 51 eingeschlagenen Weg weitergehen und die Seiten dreidimensional gestalten. Bei der Kleinen hatte ich mit nur einer Frässchablone für die geschwungenen Seitenteile gearbeitet, die ich dann jeweils gegeneinander verdreht zusammen geleimt habe. Dadurch ergibt sich ein sehr gleichmäßiges Muster. Bei einer Standbox mit ca. 120cm Höhe wäre das vielleicht zu langweilig. Daher wollte ich diesmal mit drei Schablonen arbeiten und das ganze dann in wilder Unordnung aneinander leimen. Am Ende war dann doch wieder alles anders als in der ersten Planung…

Alles beginnt natürlich immer mit dem groben Zuschnitt der Holzteile.

Ich hole mir dazu ganze Platten vom Händler vor Ort. Das Wetter passt, also alles draußen aufgebaut und nach Plan grob zerlegt. Dabei bekommt man das erste Mal Gehirnfrost: Wie erzeuge ich möglichst wenig unbrauchbare Reststücke? Wieviel Teile bekomme ich aus einer Platte? Am Ende war noch genug übrig, um irgendwann einen Center draus zu bauen.

Ich hatte mir in den Kopf gesetzt, die inneren Brettchen durch Ringversteifungen zu ersetzen und diese auch noch in die Seitenwände des Innengehäuses einzulassen. Das sollte mir beim Aufbau und Verleimen des trapezförmigen Gehäuses helfen, stellte mich aber erstmal vor die Aufgabe, möglichst genaue Ausfräsungen zu erzeugen.

Ich habe dafür die vier Seitenwände so exakt wie möglich neben einander gelegt und die Schlitze mit Führungsschiene und Handkreissäge eingezogen. Zwischen den Schlitzen habe ich den Rest mit der Oberfräse entfernt. Das Leimen war damit dann sehr einfach zu erledigen.

Um nicht erst ganz zum Schluss Kabel und Dämmwolle durch die Chassi-Öffnungen quetschen zu müssen, habe ich den Teil vor dem Verleimen der zweiten Seitenwand erledigt. Wie man auf den Bildern sieht, habe ich die Wände zumindest teilweise mit Weichfaserplatten verkleidet.

Diese Art der Gehäuseberuhigung hatte ich den Grundlagen zum Gehäusebau hier im Forum entnommen. Ich begab mich also in mehrere Baumärkte auf die Suche nach den Platten. Meist erntete ich ahnungslose Blicke. Nur im Biebermarkt gab es einen Fachmann, der das Material zumindest kannte, eine Bestellung würde aber 14 Tage dauern…also mussten die nächsten Schritte warten. Es sollte ja diesmal alles perfekt werden. Als ich die Platte dann endlich in den Händen hielt, bekam ich etwas Angst vor meiner eigenen Courage. Lieber Udo nochmal fragen, denn die Dinger sind doch ganz schön dick und raumfüllend. Ich hatte schließlich nicht mehr Volumen für die Platten eingeplant – sowie in den Grundlagen auch beschrieben. Konnte das richtig sein? Udo antwortete mir dann wie immer sehr schnell per Mail: „Ob Du die Platten einbaust oder nicht, ist eigentlich egal und wird nichts am Klang ändern.“ Autsch! Damit hatte ich nicht gerechnet. Anderseits erklärt sich damit aber auch, warum Udo das in seinen Bausätzen gar nicht mehr verwendet. Hätte mir auch selbst auffallen können. Nun hatte ich das Zeug aber unter Mühen besorgt….also rein damit!

Kleine Erklärung zur Weichfaserplatte von der Redaktion:
Eingeführt hatte ich das Fasermaterial vor vielen Jahren in der K+T als preiswerten Gegenpol zu den recht teuren Hawaphon-Platten, die Bernd Timmermanns damals in seine Boxen klebte. Sie dienten zur Wandberuhigung, weil sie die MDF-Platten am Schwingen in Eigenresonanz hindern. Dabei verändern sie jedoch nicht das Boxenvolumen, was man an der Impedanzmessung mit und ohne sah. Soweit physikalisch richtig, unterschlagen haben wir dabei, dass unser MDf weit schwerer als die Faseransammlung war und sich daher aus der “Beschwerung” nichts machte. Dass mich dieses Zeugs heute immer noch verfolgt, beweist eindeutig, dass das Netz nichts vergisst, auch wenn man es 1000 Mal dementiert hat.

Parallel zum Innengehäusebau habe ich mich mit den Seitenwänden beschäftigt. Und so ein Vorhaben – das kann ich heute sagen – erfordert eine gewisse charakterliche Stärke und Gemütsruhe.

Es gilt nämlich 260 Streifen von 4cm Breite zu schneiden und diesen mit den Schablonen eine Wellenform abzupressen. Neben reichlich Verschnitt und noch mehr Sägemehl hat mich der Spaß vier Qualitätsfräsköpfe gekostet

Irgendwann hatte ich dann Nummer 258, 259 und schließlich 260 geschafft…und war mit meinen Nerven ganz schön zu Fuß.

Jetzt wurde der Stapel in vier gleich große Häufchen aufgeteilt und erst einmal voller Stolz auf dem Teppich in Reih und Glied gebracht. Und damit war mein Plan der wilden Aneinanderreihung endgültig Geschichte. Es wollte sich einfach keine Harmonie einstellen. Nach einigem wilden Hin- und Hergeschiebe ergab sich plötzlich wie von selbst eine Wellenform!

Nun hatte ich endlich die gewünschte Ansicht – die aber vorher gar nicht so genau geplant war…

Da immer fünf Teile eine Einheit bildeten, habe ich diese als Paket zusammen geleimt. Die Pakete wurden dann jeweils passend für die Lücke zwischen Vorder- und Rückseite zurecht gesägt. Von der Idee alle gleichzeitig auf Maß zu bringen hatte ich mich nämlich schon lange verabschiedet.

Mit meinen Bordmitteln konnte ich nicht so präzise arbeiten, dass alles passgenau wie auf dem Millimeterpapier ineinander greift. Die Ungenauigkeiten musste ich später mit Holzwachs ausbessern und hoffen, dass keiner der Box so nahe kommt, um jeden Fehler aufzuspüren…

Endlich nahm alles Gestalt an, wurde noch geschliffen und gewachst und die zuvor verlegten Kabel mit der Weiche in ihrer eigenen Behausung und auf der anderen Seite mit den Chassis verbunden.

Nach einer Funktionsprobe wurde das Weichenfach noch mit Sand befüllt (wie gesagt: ich wollte diesmal wirklich nichts auslassen…)

Nun stehen sie da, die 48kg Kolosse. Und sie gefallen auch der Gattin und dem Sohn!

Aber auch nach der einige Wochen dauernden Einspielzeit waren mir die Bässe noch eine Spur zu vorlaut. Bei manchen Stücken übertrieben sie etwas mit ihrem Punch. Das mag an meinem Gehäuse liegen (waren es vielleicht die berüchtigten Weichfaserplatten?) oder auch am Raum. Obwohl dieser bisher nicht mit besonderen Moden negativ aufgefallen war. Ich habe auf jeden Fall mal wieder Udo kontaktiert. Aus Schülzkens Artikel zur Chorus 71ACL war mir in Erinnerung, dass man mit der Länge der Reflexrohre Einfluss auf die Bassqualität nehmen kann. Meine Frage an Udo, ob ich da bei der 73 auch eine Chance hätte, beantwortete er sofort: „Ich schicke Dir morgen mal die längeren Rohre…“ Ist halt ein Mann der Tat. Danke nochmal für diesen Superservice!

So habe ich nach etwas Experimentieren jeweils ein Rohr belassen und eins gegen ein 220mm langes HP70 ersetzt. Und siehe da: ich freute mich sofort über die richtige Mischung aus Bassqualität und – tiefe. Der Sound rastete regelrecht ein!

So eine Klangbeschreibung ist natürlich wie immer sehr subjektiv und geprägt von meinen eigenen Erfahrungen mit den vorher lange gehörten SB15/30 (für mich ein wenig zu rund) und den Audible (auf Dauer zu höhenbetont und direkt).

Die Chorus-Boxen machen erst einmal wunderbar geschlossen Musik. Sie sezieren nicht und dennoch ist von den höchsten Höhen bis in den Basskeller alles da. Stimmen werden wunderbar in den Raum gestellt, die S-Laute werden dabei sauber präsentiert aber eben nicht vordergründig schrill.

Was die Chorus 73 nochmal von meinen vorher gebauten Boxen abhebt, ist neben der natürlichen Gelassenheit in den Mitten und der exakten Darstellung der tiefen Töne diese unglaubliche Abbildung!

Da ist auch schon die Chorus 51 sehr gut. Sie stellt alle Ereignisse mit einer tollen Tiefenstaffelung dar und ich dachte, hier wäre das Ende der Fahnenstange schon erreicht. Man kann sich die Musiker bei geschlossenen Augen gut als eine Art Relief vorstellen. Man kann sogar über den Boxenrand hinaus einiges wahrnehmen.

Bei der Chorus 73 kommen die gleichen Akteure aus dem 3-D-Drucker! Sie sind bei entsprechenden Aufnahmen so plastisch, dass man um sie herum gehen könnte.

Dabei erstreckt sich die Bühne nicht wie bei vielen anderen Lautsprechern trichterförmig nach hinten, sondern die Akteure sind auch ganz klar weit neben und schräg hinter den Boxen zu erkennen. Wirklich faszinierend! So etwas habe ich bisher nur von guten Breitbändern gehört.

Ob’s an den wenigen, aber guten Weichenbauteilen, der d’Appolito-Anordnung der Chassis oder einfach am geraden und ausgeglichenen Frequenzgang liegt, den Udo da gezaubert hat? Ich weiß es nicht, bin aber jeden Tag auf‘s Neue von den Socken! Ohne dass ich die vielen ACL-Versionen je genossen hätte, kann ich nur empfehlen: Hört Euch auch die großen Dinger an. Hubraum ist eben durch nichts zu ersetzen ;)!

Bleibt mir nur noch Udo zu danken für diesen tollen Bausatz und – wiedermal – für seine unendliche Geduld beim Beantworten all der Fragen, die einem vor, während und nach dem Bauen so kommen!

„So. Und wo bleibt nun der Center? Haste noch nicht bestellt? Wird aber Zeit…!“

Liebe Grüße und Danke fürs Lesen!

Uwe

Zur Chorus 73 im Online-Shop

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Hey Uwe, tolles Projekt und Respekt für Deine Umsetzungsstärke!

Ich hätte definitiv keine Angst hinsichtlich möglicher Staubablagerungen in den Lamellen, alle 2 Wochen mit einem schönen Staubwedel vorbeiziehen und alles ist wieder Tipptopp.

LG, Jo

Mein lieber Schwan!
Unsereiner sägt, klebt und pinselt geschwind am Wochenende damit der Neuzugang schnell etwas von dich geben kann. Dass es auch anders geht, hast Du hier schön gezeigt.
Wo bekommt man so etwas im Laden? Wahrscheinlich nirgends. Und das ist auch gut so. Ich liebe diy. Ich wünsche Dir/Euch viel Spaß für Auge und Ohr. Gruß Martin

Moin Uwe,

ja, sehr schick sind sie geworden, sehr, sehr schick! Das ist das tolle beim Selbstbau: wenn man die nötige Geduld mitbringt und etwas Fantasie für die Umsetzung, können eben unbezahlbare Kunstwerke entstehen. Und nun kann der Sohnemann auch wieder die Aufmerksamkeit seines alten Herrn genießen.
Wie hast du das mit dem schleifen gemacht? Beim lesen dachte ich, da muss man ja jedes Teil vor dem zusammenleimen Einzel schleifen sonst bekommt man nachher einen Fön… Kann im Bericht aber anders.

Ciao
Chris

Hallo Uwe, das Design ist Mega, die machen schon beim anschauen richtig Lust Sie zu hören.
So ein Design bei meinen Lautsprechern und mein Lackierer hätte mir die Tür vor der Nase zugeschlagen. 😀

Gruß Kai

Hallo Uwe,
sehr fein die gesamte Konstruktion!! Sehr edles Design und in meinen Augen das Ende des Machbaren im handwerklichen Gestalten. Kurz: Respekt….
Die Chorus Serie ist in meinen Augen der Gewinner in Punkto Preis/Leistung. Sie spielen in allen Lagen sauber und unangestrengt…. viel Spaß noch mit dem kurvigen Set wünscht Chris

Moin Uwe,

Du hast offensichtlich keine Stauballergie 😉
Alle Achtung, das ist toll gedacht und gemacht.
Gefällt mir richtig gut. Viel Spaß wünsche ich Dir damit.

Über diese Weichfaserplatte als Dämpfung habe ich auch schonmal nachgedacht.
Hat mein Vater früher ganze Bürowände mit tapeziert um den Hall in den Besprechungsräumen zu bekämpfen. Und eignet sich vorzüglich als Pinnwand 😉

Da mir auch aufgefallen war, das das Zeug aus dem Baumärkten verschwunden ist, habe ich es aber komplett aus den Augen verloren.

Hallo Uwe,
sieht echt cool aus 🙂
Ich hätte nur Bedenken das die Struktur als Staubfänger fungiert und sich garnicht so leicht reinigen lässt.
Kannst ja mal berichten!
Viel Spaß mit den 2 Hübschen!

Grüße:
Johannes

Was soll man dazu noch sagen?

260, in Worten zweihundertsechzig!, Einzelteile gefräst & dann mit ein wenig Glück dieses Traumgebilde daraus gezaubert? Doch, ich weiß was mir dazu einfällt: das Glück ist mit den Tüchtigen!

Keiner wird es wagen, daran nach kleinen, unbedeutenden Fehlern zu forschen …

Grüsse
Thomas

Da legst di nieda,
großes Kompliment für Design und Geduld.

Klasse!!

Peter

Moin,

welch eine Mühe, phänomenal!!

C73 ist nen klasse LS,
die gesamte Chorus Linie ist eben saugeil.

Gruß Schülzken

Wow, wirklich tolles Design! Und gute Wahl, die 73 scheinen optisch garnicht so groß auf den Bildern 😉

Hallo Uwe,

Wow!
Björn hat den Nagel auf den Kopf getroffen: das ist schon Kunst und zeigt deutlich was DIY bedeutet…

Gruß, Markus

G.E.I.L.!

Guten Morgen Uwe
In meinen Augen ist Dir eine wunderschöne Box gelungen. Die das Disign der kleinen noch übertrifft. Ob zu Fall oder nicht. Dieser Aufwand ist durch eine fantastische OberflächeGestaltung belohnt worden. In meinen Augen ist das schon Kunst. Oder vielmehr eine künstlerische Installation. Denn nicht nur das Auge sondern auch die Ohren werden verwöhnt.
Beeindruckte Grüße
Björn

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