Kurze Vorrede
Was lange währt, so weiß der Volksmund, wird endlich gut. Absehbar war die lange Dauer von fast fünf Jahren nicht. Damals fragte mich Schülzken, ob es nicht so langsam Zeit für die Chorus 285 wäre. Er hätte Lust, etwas zu bauen, aber leider keinen Bedarf, den er befriedigen müsste. Musikalisch hatte er sicher Recht, die Granduetta-Familie in seinem Wohnzimmer bot alles, was das Herz begehrt. Da die anderen Räume und die Kinder durch die vielen Vorgänger der Endzeit-Lautsprecher ausreichend gut beschallt wurden, brauchte er tatsächlich nichts mehr.
Bei mir rannte er offene Türen ein, allerdings nicht mit der 285, sondern mit der 287. Statt zwei 5-Zöller als Mitteltöner wie in Andres SB 285 wollte ich lieber einen 7-Zöller wie in der SB 240 oder der MiDu. Solch eine Zusammenstellung würde die gelegentlichen Fragen nach einer abgespeckten Duetta mit dem 11-612 unter der Chorus 71 sofort verstummen lassen, war mein Plan. “Wer Duetta haben möchte, kann Duetta bauen. Eine nachgemachte Duetta braucht kein Mensch”, hatte ich bis dahin immer geantwortet. Schülzken war schnell überredet, seine Bauplanung umzumodeln und ich musste die Kisten nicht einmal selbst konstruieren.
Schülzken at work
Jetzt war ich dran. Umdenken und hin und her rechnen. Der HT soll die Höhe von 90cm nicht überschreiten war die Vorgabe, also setzte ich den 7“ kurzerhand über den HT und degradierte ihn zum Mitteltöner. 10 Liter Volumen zum Atmen sollten mehr als ausreichend sein. Mit weniger ginge es auch, aber man braucht ja noch bisserl Einbautiefe fürs Chassis. Bei einer Innenbreite von 258mm ist dann doch etwas mehr Tiefe erforderlich, damit der Magnet noch etwas Platz zur Rückwand hat. Ich kontaktierte Michael, der mir schon in letzter Zeit des Öfteren mit Inventor gute Layouts gemacht hatte. Ich gab ihm die Eckdaten fürs Gehäuse und Michael legte los. Als Erweiterung sahen wir den Orchestra 8-612 mit der Staubschutz-Kalotte vor. Zwei Stück davon untereinander in 90L Volumen sollten die Arbeit übernehmen und ordentlich Druck in die Hütte zaubern. Der Bauplan kann als Freecad-Datei heruntergeladen werden.
Da ich mir gerne Optionen vorbehalte in Punkto Spannungsteiler HT und Abstimmung des BR Kanal, überlegte Michael, was zu tun sei, um den BR Kanal variabel zu halten. Mit einem Rohr ist das schnell erledigt. Aber wir wollten einen Kanal. Zwei Leisten in Kanalhöhe rechts und links als Auflage von Verlängerungen waren die Lösung. Die fest eingeklebte Variante hat die von LspCAD vorgegebene Länge von 18cm bei 78 cm² Öffnungsfläche.
Als weitere Option sahen wir ein Weichenfach vor was auch für ein Modul der aktiven Variante genutzt werden kann. Die Zeichnung von Michael haben wir als PDF hinterlegt.
Da schwarzes MDF sich als Mangelware outete, dauerte es ein paar Tage, bis es beim Lieferanten wieder verfügbar war. Zuschnitte auf Gehrung sägen und fräsen der Löcher hatte Udo dann aber schnell erledigt. Nach dem Abholen begann ich schon mal mit dem Bau des Weichenfachs. Die übrigen Bretter durften “trocken” probeliegen
Die MPX Seitenplatten in 21mm besorgte ich beim hiesigen Baustoffhandel Lieder. Hierbei überraschte mich die Qualität der Oberfläche, einfach klasse, danke Patrick!
Weiter geht’s mit kleben. Nein, es ist auch kein Hexenwerk, doch trotzdem gibt es ein paar Bilder dazu. Ist ja ein Baubericht.
Wie war das nochmal:
Mittwoch schwarzes MDF abholen, Donnerstag MPX besorgen und das erste Gehäuse kleben, Freitag das zweite Gehäuse kleben, Samstag zur Firma den Exzenterschleifer holen und beide Gehäuse vorschleifen. Aber was machen, wenn das MPX etwas übersteht? Wofür gibt es eine Flex mit Gummiteller und Fiberscheiben in Korn 24? Keine zwei, drei Minuten später hatte das MPX den Kampf gegen mich verloren, da haben andere nicht mal den Bündigfräser montiert und eingestellt. Das Ganze 4x für jeden Überstand, paar Zehntel mm drauf gelassen und den Rest mit 320er Gitternetzscheiben glatt gezogen. Tagewerk erledigt.
Da ich weiß, dass der Kleber bisserl nachquillt, beide Gehäuse bis Montag trocknen lassen. Montag nochmals die Prozedur mit 320er Gitternetzscheibe, danach mit Bremsenreiniger die Gehäuse abwaschen, nochmals mit 320er drüber, wieder abwaschen. Jetzt waren die Flächen für mich in Ordnung. Mit OSMO Hartwachs-Öl eine Fläche nach der anderen eingestrichen und 20 Minuten einwirken lassen, danach mit einem sauberen Baumwoll-Lappen abwischen, bis die Flächen glatt sind. Vorgang wiederholt und es kam eine schöne Fläche zum Vorschein.
Schon wieder Mittwoch und die Gehäuse finden den Weg fast alleine in die Förderstrasse. Da „Gandalf der Graue“ gar nicht mit mir rechnete, war er umso überraschter ob des fertigen Gehäuses und ein Grinsen ging über sein Gesicht. Zackzack waren sie aus dem Auto gehoben und in den Laden geschleppt. Jetzt kann Udo seinen Teil zur Geburt beitragen.
Gruß Schülzken
Udo ermittelt
… und dann kam alles anders als gedacht. Die U_Dos wurden rund, Hypex zog ins Lager ein und Aktivboxen wurden entwickelt. Eton wurde an Paragon verkauft, die Produktion von Neu-Ulm nach Limbach verlagert. Corona ging um, Lieferketten brachen zusammen, auf einmal gab es für die Chorusse keine Chassis mehr, fast fünf Jahre sind wir zusätzlich auf natürliche Weise gealtert. Aber Wunder gibt es immer wieder, auch das weiß der Volksmund ganz genau. Seit ein paar Wochen liegt alles für die Chorus 287 im Lager, die Gehäuse standen immer noch dort, wo Schülzken sie damals abgestellt hatte. Auch der von ihm niedergeschriebene Text schlummerte noch immer auf meinem Rechner. Dornröschen, wach auf, wir haben einen Termin!
Von Henry Meynell Rheam – Ursprung unbekannt, Gemeinfrei, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=2770800
Um die Weiche ausmessen zu können, waren jetzt nur noch ein paar kleine Vorbereitungen notwendig. Für die Kabel zu den Chassis bohrte ich 6 mm Löcher in die Modul- und Mitteltonkammern, die ich zum Schluss mit Heißkleber wieder abdichtete.
Von der Dämmwatte schnitt ich für je Box eine Matte mit 100 x 160 cm ab, von der ich erst einmal 20 x 100 cm für die MHT-Kammer abzweigte. Der Rest wurde in vier gleichgroße Stücke geteilt, von denen zwei hinter die Kammer und je eine hinter jeden Bass geschoben wurden.
Nun durften die Chassis montiert werden, die beiden Bässe hängen Plus an Plus und Minus an Minus parallel aneinander. Vor dem Anschrauben habe ich mit 3 mm vorgebohrt.
Direkt im Anschluss mutierte die Werkbank zum Messständer und die Werkstatt zur Messkammer. Nach den Layout-Vorgaben der Chorus-Reihe wurden ein paar Bauteile verschaltet, am Ende war ich mit dem Messergebnis zufrieden.
Nun konnten die Chorus 287 vom Messraum in den Laden umziehen, wo sie sogleich mit Musik aus dem Rechner gefüttert wurden. Als musikalisches Kind der 70er-Jahre waren wieder einmal Rock-Balladen, diese einzigartig in Noten gefassten Emotionen mit Botschaft, genau das Richtge, um die Wiedergabe-Qualität des brandneuen Bauvorschlags im gut abgehangenen Gehäuse auf die Probe zu stellen. Den Anfang machte Deep Purple mit “Child in Time“, hier in einer Live-Version aus 1970. Das kurzes Orgel-Intro mit leiser Beckenbegleitung, die eindrucksvolle Stimme, die druckvollen Drumms, das mitreißendes Gitarren-Solo endeten nach knapp 10 Minuten – Balladen enden nie nach 3 x 60 Sekunden – im wohlgeordneten Chaos. Befremdlich war nur, dass von Live-Atmosphäre gar nichts rüberkam. Als ich die Augen öffnete und auf den Bildschirm sah, erblickte ich einen Menschen, der leicht mit dem Kopf wackelte. Alle anderen saßen scheinbar im falschen Film, hatten Heino erwartet, klatschten aber trotzdem brav nach diesem mitreißendem, musikalischen Feuerwerk.
Patti Smith lief mir über den Weg, 2015 schon 70 Jahre alt und Power pur. Sie holt sich ihr Publikum, der Schlagzeuger treibt es vor sich her und “Gloria” knallt mir um die Ohren. Ja, es war nicht mehr leise, das geht auch nicht. Mein Saal bebt.
King Crimson’s Epitaph springt mir in der Navigationsleiste ins Auge, das muss sofort ins Ohr. Oh, welch gute Aufnahme und wie bedrückend der Text von 1969: “Knowledge is a deadly friend, if no one sets the rules. The fate of all mankind I see is in the hands of fools”.
Ach ja, es ging um die Boxen. Was gibt es da denn noch zu sagen? Sie haben alles richtig gemacht. Die Musik drang tief in mich ein, ich bin berührt.
Udo Wohlgemuth
Zur Chorus 287 im Online-Shop
Ah, es geht wieder los. Und diese Gedankenspiele direkt zu Beginn des Artikels. Ich habe ja noch immer das Problem, dass die SB417, die meine Ohren mit ihrem großen Luftschiebepotenzial versaut hat, für die neue Bleibe zu groß ist. Also wenn es eine Möglichkeit gäbe, die C71 aufzubohren, würde ich die doch sehr gerne ergreifen. Was ist denn da denkbar, um untenrum anzufetten? Gibt es eine Alternative zur C73, die auch wieder recht hoch ist? So Doppel 7 oder so? Oder doch eine Variante mit einem einzelnen 8er? Fragen über Fragen. Max 1 Meter Höhe wäre super.
Grüße und schönen Feiertag
Hallo Stefan,
unter einen 7-Zöller passen ein 11-Zöller oder zwei 8-Zöller. Alles andere ist Wunschkonzert, aber nicht realisierbar.
Gruß Udo
Hallo Stefan ! Die Carbon-Front gefällt mir sehr gut ! Wie hast du die gemacht ? Mit Folie oder echt laminiert ? Kannst du Genaueres dazu mitteilen (gerne auch per PM) .
Danke und viele Grüße
Detlef
Hallo Udo,
das Revival von Eton bei ADW, jetzt sogar noch mit neuen Bausätzen, ist auf jeden Fall ein sehr guter Beitrag zur Artenvielfalt! Zusammen mit den zwischenzeitlich entstandenen neuen Serien ist die Qual der Wahl für den einen oder die andere nun noch quälender. Es ist da fast nachvollziehbar zum Augenrollen, dass es immer noch diese „Könnte man nicht auch…“-Fragen gibt. 😉
Hallo Stefan,
wenn Udo schreibt „nicht realisierbar“, heißt das manchmal auch einfach „passt nicht zur aktuellen Linienphilosophie“ oder „kaufmännisch nicht sinnvoll“ oder „braucht keiner außer du“ oder „im Moment leider keine Zeit“. Das ist natürlich völlig legitim.
Rein technisch gesehen könnte man die C71 aber durchaus mit einem zweiten 7er unter dem ersten zu einer 2.5-Wege-Box aufbohren, etwa wie die Doppel-7 oder die SB36. In erster Näherung schaltet man einfach eine recht große Spule vor den unteren 7er. Für Perfektion müsste man wahrscheinlich aber auch die anderen Bauteile anfassen, sprich eine neue Weiche entwickeln. Das ist keine Raketenwissenschaft, ist aber auch nicht mal schnell an einem Nachmittag erledigt. Damit genug dazu. Es ging hier im Magazinbeitrag ja eigentlich um die C287.
Beste Grüße,
Marrin F
Ahhh! Die Reise geht weiter!
Beim Lesen des Berichtes höre ich gerade über die Chorus 73. Diese Selbstverständlichkeit, mit der alles ineinander greift, ist immer wieder toll. Da sticht keine Frequenz hervor und doch ist alles ganz klar an seinem Ort. Und wenn dazu jetzt noch der Wumms von 2 Tieftönern kommt….nicht auszudenken!
Herzlichen Glückwunsch zu dieser wohl längsten Entwicklung im ADW-Sortiment!
Grüsse aus OWL
Uwe
Moin,
das Haus verliert nix😂
Schönes Konzept – optisch eine feine Sache. Klanglich wird es sicherlich ebenfalls sehr gut sein. Ein Wirkungsgrad von 90dB bei 40 Hz ist saugeil. Das hat “Badabumm”-Potential.
Beim betrachten des Frequenzgangs erwarte ich, dass die SängerInnen (sorry, das Gendern ist mir immer noch Fremd) mich nicht direkt anspringen. So etwas mag ich gerne: kleine, private Bühne im Wohnzimmer.
Es wird wieder Zeit nach Bochum zu fahren und auf der Zeitloch-Couch platz zu nehmen.
Viele Grüße
Peter
Moin,
eigentlich gehören die Kisten in weiß. So wie der Yeti. Oft wurde darüber spekuliert und nie gesehen. Am Ende ist das Schülzken-Design aber auch schick. Und die Optik der Chorus mag ich wirklich. Also Glückwunsch zur schweren Geburt.
Der Ausblick in den Herbst lässt frohlocken, was da alles gezeigt und gehört werden kann….
Grüße Enrico
Guten Morgen,
das gibt’s doch nicht, fast 5 Jahre schlummern die Gehäuse vor sich hin und jetzt ist endlich Leben drin. Da muss ich mich doch auf den Weg machen und ich glaube jetzt schon dass da dieses Jahr noch was gebaut wird.
Kleine Ergänzung:
Die C71 hatte ich schon vor längerer Zeit zur C73 umgebaut, die steht im Norden bei meiner jüngsten Tochter. Baubericht könnte nachgereicht werden.
Auch wenn man von mir in letzter Zeit wenig gehört hat war ich nicht untätig, da wurde so manches Projekt umgebaut und neu gebaut.
Dann heißt es jetzt, auf zu neuen Wegen.
Gruß Schülzken
Was lange währt, wird endlich gut! 🙂
Und still sein, das ist ein Attribut, was ich auch für mich beanspruchen kann.
Muss aber nichts schlimmes sein, manchmal muss man sich nur neu sortieren.
“Only speak, when you are spoken to!” ist nicht nur Drill von Menschen mit Mountie-Hut,
sondern auch eine Lebensweisheit, nur etwas zu sagen, wenn man auch etwas zu sagen hat.
Mit Rückkehr der Etons steigt die Ambition dazu.
Gruß,
-Sparky
P.S. ich kenne ja die SB285
Auf eine C287 bin ich selbst gespannt, Ich habe noch immer Udo seine ersten C51 in Beschlag und geb die nicht mehr her, als damals die Premiere in Halver war, war ich direkt verliebt und meinte nur, pack ein, die wohnen jetzt bei mir.
Als Besitzer einiger ADW-Konstrukte kann ich mich hier nur Udo anschließen:
“Die Musik drang tief in mich ein, ich bin berührt.”
-Und mehr braucht kein Mensch, nicht alles Gold auf dieser Welt.
Guten Morgen.
🔍👀 WOW. Normalerweise sagen diese 3 Buchstaben schon alles. Ich denke dies ist „der“ Lautsprecher für jeden für den die GD für die eigenen Räume zu groß war. Also auch für mich.
Jetzt sitze ich hier und es juckt in den Fingern.
Schon damals beim Erstellern der ersten Zeichnung hatte ich mich in diese Kombination der Chassis verliebt.
Gruß Michael