“Vorsicht, da ist was drin!” warnte Lukas, der Lokomotiv-Führer, seinen König Alfons den Viertel vor Zwölften, als der sich dem Paket näherte, das vom Postschiff in Lummerland abgeliefert wurde. “Natürlich ist da was drin!” antwortete der König. Und so war es selbstverständlich.
Auch wenn ich den Anfang der Geschichte von Michael Ende mit ein wenig dichterischer Freiheit umschreiben musste, passt er so bestens zu meinem neuesten Produkt, der Point Source 95. Zu sehen ist ein kleiner Breitbänder, der Dayton PS 95, und ein angesichts dessen geringer Membranfläche scheinbar völlig überdimensioniertes Reflexrohr HP 50 in einem großen Gehäuse – nicht mehr und nicht weniger.
Doch wer ist dieser PS 95?
Nun, das verrät uns das Datenblatt.
Vor meinem geistigen Auge tauchen gerade ein paar verständnislose Gesichter auf: “Was soll dieser nach oben erweiterte Mitteltöner in diesem riesigen Gehäuse?” Klar ist die Frage berechtigt, sie wird aber schnell durch die Resonanzfrequenz des Breitbänders beantwortet: knapp 120 Hz. Das ist sogar für eine ACL viel zu hoch, damit können keine Kammern im Inneren für Bass sorgen. So richtig das auch ist, so falsch ist es ebenfalls. Sehen wir uns also einmal die Gehäusezeichnung an.
Kammern sind vorhanden, zwei sind durch ein Loch verbunden, eine führt nach draußen. In das gelochte Brett passt doch glatt ein SB 13 PFCR-4 hinein und so ist das Rätsel gelöst. Drin steckt ein Bandpass, der den Breitbänder nach unten ergänzt.
Da mach ich mich sofort an den Zuschnitt, lass die CNC-Fräse rotieren und schon geht es an den Zusammenbau.
Damit niemand sagen kann, dass ich nur eckige Kisten kann, habe ich diesmal die Kanten gerundet.
Von einem leider nicht mehr veröffentlichten Projekt, das ich mit Nik Baurs Redcatt-Chassis aufgebaut hatte, war noch feuerroter Warnex-Lack übrig. Den rollte ich mal eben schnell auf das nackte MDF. Nach 10 Minuten war die ansehbare Oberfläche trocken und ich konnte die Innereien in die Kisten einbringen.
Alles drin, alles dran, also ran an die Weiche. Nein, das war einmal. Bauteile sind teuer und preiswerte Digitaltechnik mit DSP mittlerweile in jeder Hinsicht überlegen, liefert sogar noch den Verstärker, hat viel Zusatznutzen und ist (heute zwingend nötig) per Smartphone bedienbar. Mein Werkzeug für die Frequenzgang-Korrektur von günstigen Lautsprechern heißt bekanntlich Arylic, in diesem Fall kommt der 2.1-Amp zum Einsatz. Alle nötigen Erklärungen zum Modul, seinen Features und seiner Einrichtung stehen im deutschen Handbuch.
Programmiert wird das Modul über den USB-Eingang per ACPWorkbench, die wir in einer kostenlosen Version als Sicherheits-Backup beim Kauf des Sets mitliefern.
Wie immer beginnt die “Weichenentwicklung” mit dem Messen der Chassis in der Box.
Zugegeben, das sieht nicht nach “ein wenig Anpassungsarbeit” aus. Der Bass liefert im Bandpass um 150 Hz gut 10 dB zu viel Pegel und läuft ohne Filter viel zu hoch. Auch der Breitbänder hat ein paar “Überbetonungen”, die im breit gezogenen Datenblatt-Diagramm weniger auffallen. Naja, mit Hilfe der DSP-Abteilung wird das schon. Und dass dafür nicht einmal ein Lötkolben benötigt wird, ist sicher für viele ungeübte Nachbauer ein wichtiges Argument. In der Workbench setzte ich einen Hoch- und einen Tiefpass, die dem SB 13 PFCR-4 seinen Arbeitsbereich vorgaben. Zusätzlich gab ich einen kleinen Bassboost dazu. Die Messung zeigt die Wirkung.
Der Breitbänder wurde durch einen Hochpass nach unten begrenzt, die Buckel mit Cuts und der Anstieg oberhalb von 14 kHz mit einem Shelving Filter geglättet.
Am Ende wurden die Filter auf dem 2.1 Amp gespeichert und die Zweig- und Winkel-Diagramme gemessen.
Anders als bei einem “normalen” 2.1 wurde der Subwoofer der Point Source 95 nicht in ein externes Gehäuse gesteckt, sondern in die Satelliten integriert. Daher muss der Sub-Ausgang gesplittet werden. Jede Box hat somit zwei Terminals, die einmal mit dem inneren Bass und einmal mit dem Breitbänder verbunden sind.
Und dann wurde Musik gehört. Zuerst schloss ich den Amp als Soundkarte an meinem PC an und streamte von meiner Festplatte ein paar meiner Teststücke. Den sauberen Bass, die klaren Stimmen und das homogene Zusammenspiel hatte ich ehrlicherweise nicht erwartet. Auch bei mehr als gehobenem Pegel zeigte das Set keine Schwäche. Das war weit mehr, als PC-Lautsprecher gewöhnlich bieten. Dann sind die Point Source 95 mit ihrer hervorragenden Sprachverständlichkeit auch als Soundboard eine Empfehlung wert. Die mitgelieferte Fernbedienung machte die Steuerung einfach, das Acryl-Case lässt die Technik sehen, schützt sie aber auch effektiv.
Häufiger als am PC werden die Point Source 95 jedoch dem plärrenden Smartphone eine gute Stimme geben. Die Bluetooth-Kopplung funktionierte sekundenschnell und mit guter Qualität, als ich mir ein paar Youtube-Videos ansah. Ein abschweifender Blick in die rechte Vorschauleiste (oder heißt das Navigation?) weckte dabei meine Neugier: Taylor Swift: Love Story (vor 15 Jahren). Oh, die junge Frau konnte singen, richtige Musiker mit Hand und Fuß ersetzten den eintönigen Loop-Computer. Da hab ich dann auch mal die drahtlose Übertragung per Bluetooth verlassen und das Smartphone mittels USB-Kabel am Amp angeschlossen. Die Musik dankte es mit deutlich wahrnehmbar mehr Präzision und Dynamik. In einer Disziplin blieb sich die Point Source 95 jedoch bei jeder Zuspielart treu, das war die Breitbänder typische Bühnendarstellung, die Stimmen und Instrumenten ihren klar umrissenen Platz zuwies. Nicht ortbar waren dagegen die Boxen, so sollte es auch sein.
… und ja, man kann das gesamte System auch in eine Kiste packen und in den Garten tragen. Für die Grillparty reicht der maximale Pegel allemal. Sinnvoll ist es dann allerdings, auch ein paar Würstchen für die Nachbarn einzuplanen. Sollte keine Steckdose in der Nähe sein, tut es auch ein 24 Volt Powerpack für ein paar Stunden.
Udo Wohlgemuth
Zur Point Source 95 im Online-Shop
Hallo Udo,
Also rot sind sie geworden… Sehr schön. Als bekennender RS100 Fan muss ich nun damit klar kommen, dass es jetzt einen großen Bruder aus eigenem Hause gibt. Ich schätze, ich kann da nicht lange widerstehen.
Schönen Sonntag noch,
Hermann
Hallo Hermann,
den RS 100-4 hätte ich auch verwenden können, aber er steckt schon in drei verschiedenen Projekten. Da tut dann ein wenig Abwechslung gut 😉
Gruß Udo
Udo,
Und mit seinem bronze- oder kupferfarbigem Phaseplug sieht das Chassis auch noch richtig schick aus. Ich bin gespannt …
Grüße
Hermann
Hallo Udo,
die Point Source 95 gefallen mir sehr gut.
Ich betreibe seit ca. 16 Jahren mit großer Zufriedenheit Deine FT12 als TV-Boxen. Somit kann ich mir gut vorstellen, dass die PS 95 ihren Platz neben PC und TV zahlreich einnehmen wird.
Wenn ich nicht schon hätte, würde ich…..
Wie es halt so ist mit Long-LS-Bau-Virus.
Servus
Peter
PS: Im Set ist nur ein Tieftöner aufgeführt.
Hallo Peter,
danke für den Hinweis, den Fehler im Shop habe ich korrigiert.
Gruß Udo
Hi Peter,
ich fühlte mich auch sofort an die FT12 erinnert, die ich sogar zweimal gebaut habe. Und zwar tatsächlich immer mit getrenntem Subwoofer. Einmal für’s Wohnzimmer von Freunden und einmal bei mir im ‘Kinozimmer’.
Oder aber, um bei Udos Shop zu bleiben, ist natürlich eine Parallele zur Mona 2.1 zu sehen, die bei mir am Schreibtisch steht. Da würde mich tatsächlich mal ein Klangvergleich interessieren. Aber wahrscheinlich nehmen die sich gegenseitig nix weg. Auf jedenfall macht der Subwoofer der Mona schon ziemlich Radau, bei der PS95 sind gleich zwei verbaut :-).
Grüße, Daniel
Hallo Udo,
ich traue kaum meinen Augen!
Ein FAST!
Chassis von unterschiedlichen Herstellern!
Aktiv!
Unfassbar!
Bleibt alles anders, sang einst ein Bochumer Barde.
Grüße Achim
Hallo Achim,
das ist sogar das einzige mir bekannte Fast, das den Namen rechtfertigt. Alle anderen, die eigentlich Fabt heißen müssten, sind Bass mit Breitbänder, der in diesem Fall eher Mittel-Hochtöner genannt werden müsste 😉
Gruß Udo