13. August 2023

SB 18 neu erfunden

Autor: Udo Wohlgemuth

Früher war alles besser, das weiß doch jeder! Damals haben wir uns einen Verstärker gekauft, zu dem sich nach und nach ein Tuner zum Radiohören, ein Plattenspieler zum LP-Hören, ein Cassettendeck oder Tonband zum Kopieren von ausgeliehenen Platten und später auch ein CD- oder gar DVD-Player gesellten. Die zugehörigen Boxen und das erforderliche Rack für die Geräte baute man sich in jener Zeit häufig selbst, wobei das genutzte Material meist ein vorheriges Leben hinter sich hatte. So konnten im Freundeskreis viele Geburtstage und Weihnachtsfeste für die Anschaffung der Gerätschaften genutzt werden. (Was war ich glücklich, als ich mir vom Konfirmationsgeld ein Grundig TK 19 L kaufen konnte!) Schon bevor alles zusammen getragen war, mussten noch diverse Tonträger her. Ideen für Geschenke gingen so niemals aus und man hatte ständig gute Gründe, sich zu freuen.

Wer heute eine Anlage zum Musikhören zusammenstellt, hat nicht viel zu erwarten. Dank neuer Technologien bekommt er nur ein kompaktes Päckchen, das samt integriertem Netzteil, USB, (W-)Lan, Bluetooth und Line in gerade einmal 15 x 9 x 8 cm misst. Eingebaut ist so nebenher auch noch ein Zugang für alle Streaming-Dienste und weltweiten Radiosender, was sogar die feiertägliche Freude über persönliche, musikalische Mitbringsel verdirbt. Egal welche es auch ist, man hat sofortigen Zugang zu jeder Art von Lieblingsmusik, selbst wenn die täglich wechselt.

Naja, seien wir ehrlich. Solche Gerätschaft hätten wir uns früher auch gewünscht. Das kleine Vermögen, das die Musikanlage verschlang, hätten wir auch für andere Dinge gern genutzt. Man konnte eine Mark immer nur einmal ausgeben und so musste man Prioritäten setzen: Schallplatte oder Eisdiele. Weit entfernt waren wir allerdings noch von der digitalen Welt. Musik auf geheimnisvoille Weise aus der Luft zu filtern, verlangte nach Equipment, das damals bestenfalls Mr. Spock besaß.

Doch nun sind wir in der schönen, neuen Welt angekommen. Die ersten Schritte mit der heutigen Ausrüstung haben wir dank Ary SB 12 und der BB 3_5 hinter uns. Und, um es noch einmal deutlich zu sagen, sie haben uns um ein gutes Stück bei der hausweiten, musikalischen Ausstattung weiter gebracht. Deshalb legen wir unverzüglich nach und erfinden einfach mal die gute, alte SB 18 neu.

Von der Ceram 17 standen noch die auf Gehrung zugeschnittenen Gehäuse aus schwarzem MDF im Keller. Vorsichtshalber haben wir auch eine Freecad-Datei mit aufgesetzter Front und stumpfer Verleimung gemalt. Volumen und Ausschnitte passen für die SB 18, der wir hier im Magazin bereits viele unterschiedliche Gesichter angeschminkt haben.

Interessant war für uns die Frage, ob sich dieser zu Recht gut beleumundete Lautsprecher mittels äußerst preiswürdigem Arylic-DSP noch ein wenig aufpeppen lässt. Nun, sehen wir uns zuerst einmal die Messkurve aus 2011 an.

Viel zu meckern gibt es nicht. Die Senke um 3 kHz zeigt die Frontbreite und verschwindet unter Winkel, wie im Bericht zu sehen ist. Hier muss daher nichts verbogen werden. Untenrum gibt es jedoch durchaus Möglichkeiten. Der -3dB-Punkt liegt bei etwa 52 Hz, darunter fällt der Pegel sanft ab.

Da es schwierig ist, Anpassungen an einer virtuellen Box vorzunehmen, habe ich flux mal Chassis, Dämmstoff und Weichen in die Gehäuse gesetzt.

Für den Verstärker schnitt ich vorher in eine Rückwand ein Loch mit 73(B) x 121(H) mm. Nun konnte ich 12 Jahre nach der ersten Messung feststellen, dass es bei SBAcoustics auch nach so einer langen Zeit keine Probleme mit der Serientreue gibt. Die marginalen Abweichungen der Schriebe trotz eines anderen Bauteil-Lieferanten, erneuerter Soft- und Hardware zum Messen und sicherlich nicht identischer Mikrophon-Position verdienen einfach mal ein großes Lob.

Begonnen habe ich die “Entzerrung” mit einem auf 35 Hz gesetzten Bass-Boost, dem ich zur Zügelung einen Hochpass zugesellte. Zu guter Letzt fügte ich noch eine kleine Abschwächung des Buckels um 70 Hz hinzu.

Gebracht hat die Filterung einen -3dB-Punkt von knapp über 40 Hz und eine deutliche Entlastung in der darunter liegenden Oktave. Verzichtet wurde auf eine spektakuläre Aufdickung, die bei kompakten Lautsprechern gern zur Vortäuschung von nicht vorhandenem Tiefbass eingebaut wird.

“Oh”, hör ich jetzt die Frage “wär das nicht auch mit der halb so großen, geschlossenen SB 18 CB gegangen?” Die Antwort ist einfach: Nein! Der Gewinn durch das Reflexrohr hätte durch erheblich mehr Anhebung kompensiert werden müssen, was unnötig viel Verstärker-Leistung verschwendet. “Aber geschlossen klingt doch viel besser!” Auch hier wieder die gleiche Antwort: Nicht, wenn auf den gleichen Frequenzgang getrimmt wird. Um dennoch über den Klangunterschied zwischen SB 18 und Ary SB 18 zu reden: Ein Blick auf das Diagramm reicht aus, um ihn zu erklären.

Gesteuert wird der Plate Amp mittels der kostenlosen App “4Stream”. Damit kann mühelos und ohne aufwendige Einrichtung der gesamte Funktionsumfang des Moduls per Smartphone oder Tablet abgerufen werden. Im Bericht zur Ary SB 12_8 habe ich ausführlich beschrieben, wie es auch in das Heimnetz eingebunden wird.

Nun haben wir drei Versionen der SB 18 am Start und jeder wird zu Recht fragen, was sie denn klanglich unterscheidet. Dies zu erklären, fällt eher leicht. Über Räumlichkeit, Auflösung oder Dynamik wird in vielen Leserechos berichtet, davon muss bei keiner Variante etwas abgestrichen werden. Ergänzt durch einen Subwoofer und mit einem AVR verbunden ist die geschlossene SB 18 die erste Wahl. Sie “endet” bei 80 Hz, muss keinen großen Hub machen und kann so den Theatersaal mit ordentlich Pegel bedienen. Darunter verschiebt der Subwoofer die Luft.

Wer die passive SB 18 an einen Stereo-Verstärker anschließt, hört einen kompakten Lautsprecher mit überragendem Preis-Leistungs-Verhältnis. Nicht unerhebliche Kosten verursacht die Zuspielung der Signale, die von den Lautsprechern in Schall gewandelt werden. Ist das alles bereits vorhanden, macht das Hören mit einem besseren Verstärker noch mehr Spaß. Doch mit einem noch besseren, wird der Genuss abermals gesteigert.

Für die Ary SB 18, das sei von nun an ihr Name, spricht die programmierte Basserweiterung, die anders als eine verstärkerseitige Bassanhebung oder gar Loudness-Schaltung zielgenau das Mehr an Tiefton ergibt, was der passiven 18 noch fehlt. Das zeigte im Besonderen der bei der kleinen BB 3 ACL zu Recht geschmähte Trentemöller, der dem Bass gefühlt noch eine halbe Oktave druntersetzte. Dass der dabei auch noch ein gutes Stück an Donner und Nachhall gewann, habe ich gern mitgenommen. Nebenher ist die komplette Hifi-Anlage leicht transportabel und durch die vielen Musikquellen und Anschlüsse für alle denkbaren Aufgaben bestens gerüstet. Egal, ob als “Soundbar” links und rechts vom Fernseher aufgestellt, neben dem Monitor im Arbeitszimmer, im Kraftraum oder als Werkstatt-Unterhalter, überall ist die “Kompakt-Anlage” genau richtig. Halt nichts weniger als Multiroom. Nicht gering ist dabei jedoch die Gefahr, dass die Musik unverhofft irgendwo anders spielt als am ursprünglich zugeteilten Ort.

Eingestehen muss ich am Ende, dass der Titel des Berichts absichtlich reißerisch herüber kommt. Doch dafür will ich mich auf gar keinen Fall entschuldigen. Wer nicht die Keule schwingt, findet keine Beachtung. Neu erfunden wurde die SB 18 natürlich nicht, sie erhielt nicht einmal neue Bauteile für die Weiche. Durch die elektronische “Basserweiterung” gewinnt die sehr gute Kompaktbox allerdings ohne jede optische Änderung an klanglicher Größe, die ihr tatsächlich gut steht. Und bevor gefragt werden muss: Den programmierten Arylic Plate Amp gibt es selbstverständlich auch als Upgrade für deine schon vorhandene SB 18.

Udo Wohlgemuth

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Moin Udo.
Schöne Auffrischung der Oftverschmähten.
Hast Du nicht auch ‘was’ in der geheimen Lade, um die, die im Alter zunehmend gerne dem Klang der Ergebnisse aus Deiner Kreativabteilung lauschen, aus dem dadurch geförderten Sichtum helfen?😉
Beste Grüße aus dem Zufriedenheitszimmer.
Ich lese, runter v d Couch, ab auf d Couch nach Bochum.
Bis hoffentlich bald
Roger

Moin Udo,

es macht gerade einfach richtig viel Bock, die eintrudelnden technischen Neuerungen und Upgrades zu verfolgen! 😍 Sobald Arylic ein Update für Google Home rausbringt, muss ich hier so einiges überdenken – und aufpassen, dass ich das Ziel “BelAir” nicht aus den Augen verliere 😉

Freue mich auf alles was noch kommt!

Liebe Grüße aus HH,
Helge

Hallo Udo,
kannst du dasselbe Kunststück auch noch mit der SB15 vollführen?
Habe da noch zwei fertig gefräste Fronten im Keller liegen und wollte die gerne mal noch für besseren Klang beim Heimwerken verwerten.
Gruß&Dank
Martin

Hallo Udo,

einen Verstärker, welcher Töne per Blauzahn & Co entgegen nimmt, brauche ich sowieso. Und wo keine Weiche ist, kann ich auch nix falsch verlöten. Für die Umwelt also eher ein Nullsummenspiel.

Könnte ich die gefräste Schallwand denn wenigstens für den ACL Aufbau verwenden?
(Es ist eine für die Variante mit aufgesetzten Seitenwänden und Reflexkanal als Schlitz zwischen Bodenplatte und Schallwand.)

Gruß&Dank
Martin

Hi Udo, vielen Dank für die Klarstellung. Ich war tatsächlich dem Irrtum aufgesessen, dass der Arylic ein vollaktives Setup möglich macht.

So erscheint die ACL Version der SB 15 im einem ganz neuen Licht. Ab wann wird die nochmal bestellbar sein? 😉

Gruß&Dank
Martin

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